Bei "Maischberger"

Politikwissenschaftler hält Einmarsch im Gazastreifen für unausweichlich

18.10.2023, 13.38 Uhr

Die angespannte Lage in Israel und Palästina war DAS Thema bei "Maischberger". Militärexperte Carlo Masala sprach über mögliche zivile Opfer bei der anstehenden Bodeninvasion Israels.

Durch den Angriff der Hamas auf Israel und die bereits erfolgten und bevorstehenden Reaktionen des Landes droht ein Flächenbrand im Nahen Osten. Aber ist die Terrorgruppe militärisch überhaupt besiegbar? Und wie stehen die Chancen, die israelischen und internationalen Geiseln, die im Gazastreifen festgehalten werden, unversehrt zu befreien?

Fragen, die Sandra Maischberger in ihrer ARD-Sendung am Dienstagabend mit ihren Gästen diskutierte. Obendrein rechnete US-Senator Bernie Sanders im Einzelinterview mit dem Hyperkapitalismus allgemein und Ex-US-Präsident Donald Trump im Speziellen ab.

Als Militärexperte gab Carlo Masala seine fachliche Einschätzung zum Krieg in Israel ab und erklärte, was die möglichen Schritte und Pläne Israels sein könnten. Auf die Frage, ob eine vollständige "Zerstörung" der Hamas gelingen könne, antwortete er: Es sei davon abhängig, "wie sie Zerstörung definieren. Also sozusagen, was die israelische Regierung und das Sicherheitskabinett ausgegeben hat". Ziel von Israel sei es, die Hamas so zu zerstören, dass sie nie wieder einen Angriff in diesem Ausmaß ausüben könne. Zugleich solle die Hamas als "politischer Akteur in Gaza" ausgeschaltet werden.

"Das ist etwas, was die Israelis mit Kusshand nehmen würden"

Masala fügte hinzu, dass Israel sich nicht vorstelle, am Ende des Tages jeden einzelnen Hamas-Terroristen vernichten zu können. Er zog den Islamischen Staat, der heute keine große Rolle mehr spiele, aber noch Mitglieder habe, als Vergleich heran. "Die Fähigkeit, Israel anzugreifen", müsse jedoch "verschwinden".

Als gesichert gilt, dass Israel eine Bodenoffensive im Gazastreifen plant. Wann diese erfolgen soll, ist allerdings weiter unklar. Der deutsch-israelische Arzt und Autor Gil Yaron, der mit seinem elfjährigen Sohn seine Heimat "temporär" verlassen musste, erklärte, dass laut arabischen Medienberichten Israel auf die Befreiung von Frauen und Kindern hoffe. "Das ist etwas, was die Israelis mit Kusshand nehmen würden", sagte Yaron. Ein weiterer Grund für Zurückhaltung könnten die Vorbereitungen sowie das Training der israelischen Reservisten sein.

Masala ergänzte: Die komplexen Tunnelsysteme, die den Gazastreifen durchziehen, ließen ebenfalls schwer einschätzen, ob eine Bodenoffensive wie ein klassischer Kampf aussehe oder im Verborgenen geschehe. Trotz dieser Unwägbarkeiten hält der Politikwissenschaftler eine Bodenoffensive für unumgänglich: "Wenn es das Ziel ist, die Hamas zu zerstören, ihnen die militärische Fähigkeit zu nehmen, dann gibt es keine Alternative zu dem Einmarsch israelischer Soldaten in den Gazastreifen."

Carlo Masala: "Deshalb wird es keinen sauberen Krieg geben"

Aber ist es überhaupt möglich, eine derartige Offensive ohne zivile Opfer durchzuführen? "Das geht", bekräftigte Masala, "es ist schwierig, aber es geht." Israel versuche bereits, "die Bedingungen dafür zu schaffen, dass sozusagen viele Zivilisten nicht Teil dieser Kriegshandlungen werden". Deswegen fordere das israelische Militär die Menschen im Norden des Gazastreifens auf, Richtung Süden zu fliehen. Dennoch, erklärte der Militärexperte, würden Menschen ums Leben kommen, sobald die Offensive starte. Zumal die Hamas angekündigt habe, "bei einer Bodenoffensive die Geiseln umzubringen und diesen Akt live zu streamen".

Hamas würde obendrein zivile Einrichtungen als Basen nutzen – "deshalb wird es keinen sauberen Krieg geben". Die Gespräche mit Jordanien, Ägypten und Katar seien gescheitert, sie wollten ihre Grenzen nicht öffnen und Geflüchtete aufnehmen. Masala erklärte, dass nach seinen Informationen Katar sogar Geld angeboten worden sei. Zudem erwartet der Wissenschaftler weitere Schreckensbilder wie jene des beschossenen Krankenhauses in Gaza: "Da kann man nur hoffen, dass die Unterstützung Israels an diesen furchtbaren Bildern nicht scheitern wird." Die Hamas macht Israel für den Beschuss verantwortlich, Isreal wiederum die Terrororganisation Islamischer Dschihad.

Marcel Reif kämpft mit den Gefühlen: "Mein Vater wusste, wovon er redete"

Zusätzlich bedrückend wurde die Sendung, als der deutsch-israelische Reiseleiter Ralph Lewinsohn vom Anschlag der Hamas auf den Kibbuz Kfar Azza berichtete, den er mit seinen erwachsenen Kindern in einem Bunker überlebte. Sie hörten Geschützfeuer und Explosionen. Nach ihrer Befreiung bot sich ihnen einen Bild des Schreckens. "Vor der Wohnung lagen Leichen. Brennende Autos. In meinem Wohnviertel sah es aus wie Hiroshima. Die Leute wurden rausgeholt, erschossen oder verbrannt. Kinder, alte Leute, junge Leute, egal." Die Terroristen hätten keine Unterschiede gemacht.

"Meine Enkelkinder sind sehr schwer traumatisiert", berichtete er weiter. Eine Rückkehr in den Kibbuz sei ungewiss: "Das ist, wie in einem Friedhof zu leben." Marcel Reif, Sohn eines Holocaust-Überlebenden und Sportexperte, hielt sich bei der Schilderung die Hände vors Gesicht: "Das ist 9/11 für Israel", sagte er aufgewühlt: "Ich habe Hemmungen, das Wort Shoa oder Holocaust in den Mund zu nehmen, weil das steht mir nicht zu, das hat mein Vater ... mein Vater wusste, wovon er redete. Aber um nichts anderes geht es ja."

Bernie Sanders über Donald Trump: "Pathologischer Lügner"

In einem bereits vorab aufgezeichneten Interview am Ende der Sendung rechnete zudem der US-Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders mit dem Hyperkapitalismus im Allgemeinen und Donald Trump im Speziellen ab. Der Ex-Präsident sei ein "pathologischer Lügner" und habe "das Vertrauen der Bürger in die Demokratie untergraben", sagte Sanders.

Auch zu Israel äußerte sich der 82-jährige US-Politiker: "Einen Krieg gegen die Hamas zu führen, ist angemessen", führte er mit erhobenen Zeigefinger aus. "Aber wir sollten dabei nicht in Kauf nehmen, dass Tausende von Kindern darunter leiden. Wir sollten alles tun, um die Kinder zu schützen."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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