Film im ZDF

"Die Welt steht still": Aufklärungsfernsehen der ärgerlichen Sorte

Die Erinnerung an die erste Corona-Welle dürfte bei den meisten noch sehr frisch sein. Dennoch hat das ZDF das Thema nun als Historiendrama verfilmt. Mit Natalia Wörner in der Hauptrolle.

ZDF
Die Welt steht still
Drama • 15.11.2021 • 20:15 Uhr

Wie war das damals, mit Corona? Gut möglich, dass sich schon in ein paar Jahren die Ersten nicht mehr so recht erinnern werden können, wann und wie das alles losging und wie schlimm die Pandemie über Deutschland und den Rest der Welt hinweggefegt ist. Aber heute, im November 2021, ist die Erinnerung natürlich noch sehr frisch, zumal die Pandemie ja noch längst nicht Geschichte ist, sondern vielmehr ein andauerndes Erleben. Noch immer sterben Menschen, noch immer trägt man Maske.

Irgendjemand beim ZDF scheint dennoch zu glauben, man müsse schon jetzt die Pandemie noch einmal nacherzählen, als eine Art Geschichtsstunde über die nahe Vergangenheit. Nicht als Dokumentation allerdings, sondern als dramatisch aufgeladenen Spiefilm. Das ist natürlich viel zu früh, denn die Bilder von den überfüllten Intensivstationen und den einsamen Begräbnissen sind noch immer da. Vor allem aber ist der ZDF-Film "Die Welt steht still" (Regie: Anno Saul) so unglaublich platt geraten, dass man sich unweigerlich fragt, ob hinter diesem rührseligen Drama nicht vielleicht die PR-Abteilung des Bundesgesundheitsministeriums steckt. Falls ja, dann hat sie einen ziemlich schlechten Job gemacht.

"Die Personen dieser Geschichte sind frei erfunden. Das Virus ist real", wird dem Film bedeutungsschwanger vorangestellt. Und dann geht's los. Erzählt wird von einer Ärztin (Natalia Wörner) aus Konstanz, die mitten hineingerät in die Pandemie. Zunächst als Intensivmedizinerin, die sich um Covid-Patienten kümmert, später dann – der Film nimmt das gleich zu Beginn vorweg – selbst als Corona-Infizierte. Man sieht 90 Minuten lang allenthalben überlastete Ärzte und Pfleger ("Wir arbeiten echt am Anschlag"), dazwischen Corona-Leugner ("Wir erfahren ja nur die halbe Wahrheit!") und Solo-Selbstständige, die Erklärdialoge über Soforthilfen vom Stapel lassen.

Das Drehbuch von Dorothee Schön (lesen Sie hier unser Interview mit der Drehbuchautorin) ist voll von Sätzen, die man so vielleicht in einem Zeitungskommentar lesen würde, die aber niemand, der noch halbwegs bei Sinnen ist, so von sich gibt. "Was wird von Corona bleiben? Solidarität und Hilfsbereitschaft oder Angst und Wut?", fragt die von Wörner gespielte Medizinerin Carolin Mellau einmal.

Der Film spielt in unermüdlicher Hartnäckigkeit die gesamte Klaviatur der Verschwörungstheorien durch, beispielhaft erzählt an Mellaus grantigem Nachbarn (Klaus Pohl), der – natürlich! – irgendwann selbst an Corona erkrankt. Zwischendrin ist das Klopapier im Supermarkt alle, die Grenze zur Schweiz dicht und die Kinder daheim im Online-Unterricht. Ach ja, und Corona ist doch nur 'ne Grippe, raunt es von den Verschwörern. So war das damals, 2020, erinnert sich noch jemand?

Erzählt ist das derart plump, dass es wehtut. Wer heute noch immer nicht kapiert hat, dass Corona kein Witz ist, wird es auch nach diesem Film nicht tun. Und alle anderen haben derart bemühte Geschichtslektionen schlicht nicht nötig. Oder denkt beim ZDF wirklich jemand, die Bilder von den Leichentransporten aus Bergamo (ja, auch das zeigt dieser Film) seien schon vergessen, nur weil die Menschen heute wieder feiern gehen? Nur in den ganz stillen Momenten, wenn Menschen in Einsamkeit sterben und die Hinterbliebenen in Einsamkeit trauern, dann fasst einen das ZDF-Drama für einen kurzen Moment an. Ansonsten aber ist die "Die Welt steht still" Aufklärungsfernsehen der ärgerlichen Sorte.

Die Welt steht still – Mo. 15.11. – ZDF: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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