Film bei ARTE

"Schwester Weiß": Aufgeschlossenes Publikum gefragt

von Rupert Sommer

Eine junge Schwäbin muss sich nach dem Unfalltod ihres Mannes und ihrer Tochter ohne jede Erinnerung an vergangene Tage zurück ins Leben kämpfen. Ausgerechnet ihre strenggläubige Schwester, mit der es zuvor oft Streit gab, hilft ihr dabei.

ARTE
Schwester Weiß
Drama • 17.11.2017 • 20:15 Uhr

Zwei Schwestern, wie sie ungleicher nicht sein könnten: Martha (Zeljka Preksavec) verbringt ihr Leben ganz im Dienste der Kirche – als strenggläubige katholische Ordensschwester. Ihrer jüngeren, deutlich Dieseits-orientiertere Schwester Helene (Lisa Martinek, bekannt unter anderem aus der ZDF-Krimireihe "Das Duo") ist die konservative Glaubensauffassung ein Graus; sie geht radikal auf Distanz zu Martha. Streitigkeiten zwischen den beiden sind an der Tagesordnung. Doch dann schlägt das Schicksal zu – mit wütender Faust: Sowohl Helenes Tochter als auch ihr Ehemann Theo (Tim Bergmann) kommen bei einem Autounfall ums Leben. Sie selbst kann sich an nichts erinnern – nicht einmal an ihr früheres Familienglück. Den Weg zurück in die Realität soll ihr ausgerechnet die Frömmlerin "Schwester Weiß", die dem neuen ARTE-Fernsehfilm den Namen gibt, ebnen.

"Retrograde Amnesie" lautet der Befund der Ärzte, aus dem Filmemacher Dennis Todorovic, der nicht nur Regie führte, sondern auch selbst das Drehbuch schrieb, zarte Funken schlagen lässt. Er versucht es sogar mit etwas Galgenhumor und unfreiwillig komischen Momenten, die allerdings das aufkommende Lachen schnell zu einem Kloß im Hals werden lassen. "Das tut mir leid", fragt Helene sichtlich verwirrt und um Anteilnahme am "echten" Leben bemüht, als sie auf der Intensivstation wieder erwacht. "Aber wer war noch mal dieser Theo?", fragt sie, als ihr die schwer trauernde Schwiegermutter mit dem sprechenden Namen Dolores (Beatrice Richter) und die personifizierte Unschuld und Gelassenheit Martha Weiß die Neuigkeiten vom brutalen Unfalltod ihres Ehemanns und der gemeinsamen Tochter unterbreiten.

Die eigentlich furchterregende, beklemmende Ausgangssituation des Films, der sich am Zwittergenre einer Tragikomödie versucht, ist bei Todorovic (preisgekrönt für sein Kinodebüt "Sascha") sehr schnell, fast lakonisch hart abgehandelt. Danach dreht sich der Großteil der Handlung um Helenes mühevollen Weg zurück in die Wirklichkeit. Ausgerechnet die Schwester, die sie immer ablehnte und spöttisch als "Nonne" bezeichnete, versucht Helene bei ihrem schweren Gang, der nach und nach immer mehr Erinnerungen reaktiviert, zu helfen. Dafür nimmt die milde Martha die oft schroff Widerborstige sogar mit ins gemeinsame Schwesternhaus auf.

Bewegender Stoff mit Komikelementen

Wer leichtgängige Freitagabend-Unterhaltung bei diesem streckenweise durchaus herzerwärmenden Fernsehfilm sucht, liegt natürlich ziemlich falsch. Wie es scheint, hatte auch ARTE – eigentlich war der Film vom SWR produziert, hat seinen Weg dorthin oder ins ARD-Hauptprogramm aber noch nicht gefunden – auch Schwierigkeiten, einen geeigneten Sendeplatz für die bereits 2015 abgedrehte Produktion zu finden. Dennis Todorovic macht es seinen Zuschauern nicht nur mit dem spröden, ungemütlichen Thema schwer, einen Zugang zum Film zu finden.

Eine Hürde dürfte auch die durchgängige Mundartfassung in breitem, für ungewohnte Ohren eher behäbig-provinziell klingendem Schwäbisch bieten. Zudem ist der Look des artifiziell gefilmten Werks – passend zum Titel – strikt in Weiß-Grau-Schattierungen gehalten. Lebensfreude sieht anders aus. Ein aufgeschlossenes Publikum mag möglicherweise dennoch Halt an einem bewegenden Stoff mit einigen Komikelementen finden – wenn man es nur schafft, sich einmal darauf einzulassen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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