Jochanah Mahnke im Interview

"Man fällt manchmal in ein tiefes Loch"

von Anke Waschneck

Warum und wie wird man eingentlich Schauspieler? Die Schauspiel-Studentin Jochanah Mahnke, die bereits eine größere "Tatort"-Rolle hatte, verrät ihre Sicht der Dinge.

Exakt 45 Sekunden Zeit haben Oscargewinner, um sich für die Auszeichnung in einer kurzen Rede zu bedanken. Und seien wir ehrlich: Es hat sich doch wohl jeder schon mal das Gedankenspiel erlaubt, im Kopf die Worte zurechtzulegen, die man sagen würde, stünde man selbst im Rampenlicht bei der höchsten Auszeichnung des Schauspiel-Business. Für die meisten nicht mehr als eine unterhaltsame Vorstellung, für junge Schauspieler ist aber ein ernster Hintergrund dabei. Denn Erfolg ist das Ziel. Doch wer schafft es bis nach Hollywood? "Vielleicht einer von Tausenden", lautet die Antwort von Jochanah Mahnke, die am Anfang ihrer Schauspielkarriere steht. Sie versichert: Schauspielern, das ist nicht automatisch Ruhm und Bekanntheit, sondern ein harter Job, mit dem sich manchmal nur mühsam Geld verdienen lässt. Warum träumen trotzdem nach wie vor so viele junge Menschen davon, eben diesen Beruf zu ergreifen? Und wie schafft man es, vielleicht nicht gerade eine von Tausenden, aber wenigstens doch eines Tages ein gut gebuchter TV-Darsteller zu werden?

Aller Anfang ist Talent. Aber das reicht natürlich nicht. Die hürdenreichen Auswahlverfahren an den deutschen Ausbildungsstätten für Schauspielnachwuchs sind legendär.

Jochanah hat ein großes Stück des Weges geschafft. Sie strahlt, wenn sie davon berichtet, dass sie an der Otto-Falckenberg-Schule in München studieren "darf". Die 20-Jährige sieht es als Privileg an, ihren Traumberuf an der Schauspielschule zu erlernen. Erst spät und durch Zufall ist sie zu einer Theatergruppe in Berlin gekommen und hat die Branche für sich entdeckt. Dass sie nicht ganz falsch liegen kann mit ihrer Wahl, beweisen ihre ersten Engagements: Sie war bereits im Freiburger "Tatort"-Krimi "Fünf Minuten Himmel" (2015) zu sehen und stand vor Kurzem für die Romanverfilmung "Der namenlose Tag" von Volker Schlöndorff vor der Kamera.

Bewerbungsrunden, Aufnahmeprüfungen, Vorsprechen

Die quirlige Berlinerin spricht gerne über ihren Traumstart in die Karriere – natürlich ist sie überzeugt, dass es sich trotz aller Strapazen auch heute noch lohnt, Schauspieler zu werden. Der Anfang mag vielleicht das Schwerste sein, jedenfalls, meint Jochanah, sei es "Wunschdenken, dass man einfach entdeckt wird". Für die meisten Schauspieler führe der Weg ins Business nun mal über die Schauspielschule und damit durch eine nervenaufreibende Zeit von Bewerbungsrunden, Aufnahmeprüfungen, Vorsprechen und der Suche nach einer Agentur.

Wer das "Handwerk erlernen" möchte, wie es Jochanah nennt, dem rät sie, all das in Kauf zu nehmen. 13 staatliche Ausbildungsstätten gibt es in Deutschland, dazu kommen eine Reihe privater Einrichtungen. Die Otto-Falckenberg-Schule hat beispielsweise schon Absolventen wie Mario AdorfKatja Riemann oder auch Sebastian Koch hervorgebracht. In die Fußstapfen dieser TV-Größen möchten die Studenten wie Jochanah auch treten – doch der Weg dorthin ist schwer. Falls man nach der Bewerbung eingeladen wird, folgen bis zu drei "Runden", mit verschiedenen Aufgaben – etwa singen, einen Monolog vortragen oder auch eine selbstgeschriebene Szene zu spielen. Wenn Jochanah von den Details der Prüfung erzählt, merkt man schnell, dass die Bewerbung an der Schauspielschule ein wahrer Kraftakt ist.

Zum Schluss bleiben von über 600 Bewerbern etwa zehn bis zwölf übrig. Das ist die durchschnittliche Klassenstärke bei den staatlichen Ausbildungsstätten. Rein theoretisch mangelt es für die Talente ab diesem Zeitpunkt nicht an Angeboten. Doch während die Studenten die Universität besuchen, wird sehr genau geprüft, ob Engagements mit dem Zeit -und Lehrplan der Schule vereinbart werden können, verrät Jochanah. Sie musste selbst schon Projekte ablehnen – für den Schlöndorff-Film hat sie eine Ausnahmegenehmigung bekommen. "Die Studenten sollen sich auf ihre Ausbildung konzentrieren", begründet die junge Schauspielerin ernst.

Als Frau habe man es im Business nicht einfach, "an den Schulen sind etwa ein Drittel der Bewerber Männer auf die gleiche Zahl der Studienplätze. Auch gibt es dann im Berufsleben bessere Chancen für Männer." Das sei schon in der Geschichte verankert, schließlich gäbe es mehr Männerrollen, und die Konkurrenz unter Frauen ist hoch. Jochanah bringt die nötige Leichtigkeit mit, offen über die Oberflächlichkeit der Branche zu reden, aber sie gleichzeitig nicht als Bedrohung zu sehen. "Mich wird wohl nie jemand als Anne Frank besetzen", lacht die Blondine. Immer wieder sind Typen gefragt – "und wenn es nicht deiner ist, dann ist es auch nicht dein Job", glaubt die Jungschauspielerin.

Die Aufträge vermitteln Agenturen an ihre Schützlinge, aber es ist schwer, in eine solche Kartei zu gelangen. Bewerber im Teenageralter, die keine Dreherfahrung vorweisen können, hätten eigentlich kaum eine Chance, heißt es seitens der Jungschauspieler-Agentur "Tomorrow Management", bei der auch Jochanah unter Vertrag steht. Etwa 50 Talente betreut die Agentur – nicht viele, bei bis zu zehn neuen Bewerbungen am Tag. Wer die Hürde genommen hat, "muss sich auch durchsetzen und beweisen". Wer nichts leistet, der könne rausfliegen, macht Jochanah die Härte der Branche klar.

Mit zwei Wochen Arbeit ein halbes Jahr finanzieren

Die 20-jährige befindet sich im Moment noch in einer sicheren Phase, doch ihr ist bewusst, was sie nach dem Studium erwartet: "ständige Jobsuche, Bewerbungen, Reisen, und vor allem eine große Unsicherheit." Keine Garantie auf Beschäftigung, keine Garantie auf Einkommen. "Wer beim Film arbeitet, der muss sich darauf einstellen, vielleicht mit zwei Wochen Dreharbeit ein halbes Jahr zu finanzieren", erklärt Jochanah. "Man fällt manchmal in ein tiefes Loch, wenn man nur wenige Tage arbeitet und dann wieder unbeschäftigt zu Hause sitzt."

Auch der feste Platz in einem Theaterensemble heißt noch lange nicht eine dauerhafte Anstellung – meist gibt es nur Jahresverträge. Die Zahl, der als Schauspieler arbeitenden Künstler ist schwer zu fassen, denn es gibt zu viele Talente, die ihren Traum nur nebenberuflich realisieren können. Bei der Künstlersozialkasse sind im Jahr 2017 beispielsweise "nur" 5057 Menschen im Bereich Schauspiel und Performance (Bühne, Film und Werbung) angemeldet.

"Die Realität ist eine Bedrohung, die uns jungen Schauspielern bewusst ist. Es existiert eine überdurchschnittlich große Chance, dass man nach dem Studium arbeitslos wird", betont Jochanah. Aber sie klingt dabei nicht die Spur bitter. Die Frage, was ein Schauspieler oder jemand, der es werden möchte mitbringen muss, ist überflüssig, wenn man Jochanah kennenlernt. Sie redet viel und schnell, aber trotzdem sehr bedacht. Manchmal verliert sich die junge Schauspielerin in Antworten und sprudelt vor Ideen und Gedanken. Schüchternheit kann man in dem Job kaum gebrauchen, wie Jochanah immer wieder vor Augen führt, wenn sie über ihre Arbeit redet: "Ich möchte auch bekannten Schauspieler/innen von Mensch zu Mensch begegnen." Das setzte Jochanah beim "Tatort"-Dreh um. Auch wenn eine Heike Makatsch vor ihr steht, bleibt sie cool, denn sie wisse ja: "Es geht da nicht um Ruhm oder Prominenz, es geht um unsere Rollen und das gemeinsame Projekt."

Es ist kein gewöhnlicher Beruf, sondern ein stressiger und einer, der starke Nerven erfordert. Trotzdem verrät Jochanah, wie erfüllend das Gefühl sei, vor der Kamera zu stehen. "Die Welt, die sich mir öffnete, als ich selbst merkte, dass so ein Film deutschlandweit gesehen werden kann, sogar weltweit, war sehr beeindruckend und neu für mich". Hinzukomme dass "die räumliche Trennung, die ich durchs Theater gewohnt bin, so komplett aufgehoben wurde". Sie schwärmt vom Gefühl vom grenzenloen Spielen – diese Erfahrung, sagt sie, könne ihr jetzt keiner mehr nehmen. Aber auch das Theater ist für sie nicht abgehakt. Die Bühne erreicht weniger Menschen, aber hier schätzt die Jungschauspielerin die Einzigartigkeit und Einmaligkeit eines jeden Theaterabends, ebenso wie die Unmittelbarkeit und die anderen Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen.

"Man macht sich nackig, wenn man auf die Bühne geht"

Die letzte Zutat, die man mitbringen muss, um sich der unbeständigen Branche zu stellen und den Job als solchen ausüben zu können, sei Mut: "Man macht sich nackig, wenn man auf die Bühne geht", man müsse aus sich herausgehen und sich selbst ein wenig vergessen. Die Hingabe für den Prozess betont Jochanah immer wieder. Man müsse "Ängste und Erwartungen hinter sich lassen und sich voll und ganz auf den Moment konzentrieren", fasst sie zusammen

Das Business erinnert an einen Eisberg: Im TV sieht man eben nur die glamourös erscheinende Spitze: die beliebten und bekannten Schauspieler. Doch diese erarbeiten sich ihr tägliches Brot hart, hinter ihnen liegt ein langer Weg ohne Ruhm und Bekanntheit. Nach allem anderen bleibt die Schauspielerei wohl eines: ein Beruf – doch einer, der im besten Falle Leidenschaft und Erfolg verbinden und erfüllend sein kann, wie kaum ein anderer Job auf dieser Welt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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