Leo Reisinger

Diese männliche Hebamme hat sogar einen Oscar

von Eric Leimann

In der neuen ARD-Reihe "Toni, männlich, Hebamme" (Freitag, 8. und 15. Februar, jeweils 20.15 Uhr, ARD) spielt mit Leo Reisinger ein relativ unbekannter Schauspieler die Titelrolle. Durchaus ein Wagnis, könnte man meinen – gelten doch gerade in "Wohlfühlprogrammen" bekannte und beliebte Gesichter als das Nonplusultra des Unterhaltungsfernsehens. Wer den blonden Oberbayern Reisinger jedoch ein paar Minuten in seiner Rolle gesehen hat, weiß: Man könnte sich kaum einen Besseren vorstellen.

Der 41-Jährige, selbst Vater dreier Kinder, spielt den Part unaufgeregt und mit viel natürlichem Charme. Und das bei einer Figur, die sehr leicht "klamottig" hätte werden können. Schließlich klingt der Plot, dass die freischaffende Münchener Hebamme Toni ein Mann ist, mehr nach einem schlechten Witz als nach ernsthafter Charakterzeichnung. Ein Gespräch über Männer als Hebammen, die Kunst, wie man aus einem krachledernen Komödienszanrio berührendes Fernsehen machen kann – und dem exklusiven Gefühl, ein Oscarpreisträger zu sein.

prisma: Hätten Sie vor dieser Rolle gedacht, dass es männliche Hebammen überhaupt gibt?

Leo Reisinger: Nein, ich war auch sehr überrascht. Es sind – nach meinen Recherchen – nur sechs Männer in ganz Deutschland, die diesen Beruf ausüben.

prisma: Hatten Sie Kontakt mit einem Mann, der als Geburtshelfer arbeitet?

Reisinger: Leider nein, doch ich habe eine gute Freundin, die Hebamme ist. Von ihr ließ ich mich ein bisschen coachen. Außerdem bin ich selbst Papa, und meine eigenen Erfahrungen mit Hebammen liegen noch nicht lange zurück. Meine Kinder sind acht, fünf und zwei Jahre alt. Insofern ist mir der Beruf und wie er ausgeübt wird nicht fremd.

prisma: Warum haben viele Menschen ein so enges Verhältnis zur Hebamme ihrer Kinder, obwohl man mit diesen Menschen ja nur relativ kurz zu tun hat?

Reisinger: Die Geburt des eigenen Kindes zu erleben, ist etwas ungemein Großes und Archaisches. So etwas gemeinsam zu erleben, das verbindet. Es verbindet auch die Eltern des Kindes für den Rest ihres Lebens. Auch zu jenem Menschen, der dieses Kind auf die Welt geholt hat, spürt man eine lebenslange Verbindung. Frauen haben natürlich noch ein tieferes emotionales Verhältnis zu eigenen Hebamme. Doch auch ich als Vater spüre den Zusammenhang sehr stark.

prisma: Interessant ist, dass es in Folge eins von "Toni, männlich, Hebamme" keine Szene gibt, die das mögliche Schamgefühl von Frauen thematisiert, weil sie sich plötzlich einer männlichen Hebamme gegenübersehen. Warum hat man das weggelassen?

Reisinger: Weil dieser Konflikt bei jeder Patientin Tonis immer irgendwie mitschwingt. Es ist viel spannender, die Tatsache, dass Toni ein Mann ist, nicht ständig auszuformulieren. Würde man es ständig zum Thema machen, wäre die Geburtshilfe im Film trivial.

prisma: "Toni, männlich, Hebamme" hätte ohnehin eine furchtbare Klamotte werden können. Stattdessen ist der humorige Charme des Formats relativ authentisch?

Reisinger: Ja, das liegt zum einen am guten Drehbuch von Sebastian Stojetz, zum anderen daran, dass wir – bis auf die Figur von Wolke Hegenbarth, die bewusst ein Fremdkörper von außen sein soll – alle Rollen mit Bayern und Münchnern besetzt haben. Die Filme sind auch ein bisschen das Porträt dieser Stadt und Region beziehungsweise ihrer Menschen.

prisma: Man kann nun nicht sagen, dass das Bayerische im deutschen Fernsehen unterrepräsentiert wäre.

Reisinger: Das stimmt, aber es wird oft schablonenhaft dargestellt. Jede Region in Deutschland hat ihren eigenen Vibe. Trotzdem ist es eine eigene Kunst, das in einem fiktionalen Stoff rüberzubringen. Meistens werden eher grobe Klischees gezeichnet. Ich finde solche Regional-Porträts aber nur dann gut, wenn es nicht tümelt. Es fängt schon mit der Sprache an. Dialekte müssen absolut präzise und authentisch sein. Einen Almbauern, der gebürtig aus Kiel kommt – das muss man mir gut erklären. Sonst glaube ich das den Machern nicht.

prisma: Viele Komödien, gerade aus Deutschland, wirken klamottig, weil die Schauspieler den Humor sehr groß spielen ...

Reisinger: Humor ist tatsächlich eine Frage des Geschmacks. Ich glaube, dass es in Deutschland und anderswo viele Leute gibt, die das Explizite und überzogene Spiel in Komödien lieben. Ich bin da anders gestrickt. Ich liebe beispielsweise Jack Nicholson in "Besser geht's nicht". Der Film ist ungemein komisch, eben weil Nicholson seine Figur komplett ernst nimmt. So ähnlich habe ich das mit Toni versucht. Okay, der Typ arbeitet in einem Beruf, in dem man außer ihm nur Frauen findet. Trotzdem ist der Job für ihn Alltag. Er liebt seinen Beruf, und für ihn ist es etwas völlig Normales, ihn auszuüben. Er hat keinerlei Probleme damit – und genau deshalb ist es interessant, ihm dabei zuzusehen.

prisma: Was zeichnet diesen Toni sonst noch aus?

Reisinger: Sibylle Tafel, die Regisseurin des Stoffes, sagte mir mal etwas, das hat mir sehr bei der Ausgestaltung der Rolle geholfen. Sie meinte, dass Toni nicht nur Hebamme, sondern instinktiv auch ein Beziehungstherapeut sei. Nur bei seiner eigenen Beziehung kommt er nicht weiter.

prisma: Die meisten werden Ihren Namen nicht kennen. Wie kam es dazu, dass man Ihnen – als eher unbekanntem Schauspieler – die Hauptrolle in einer neue ARD-Reihe angeboten hat?

Reisinger: Ich habe mit Sibylle Tafel schon mal gearbeitet, für den Utta Danella-Film "Von Kerlen und Kühen" mit Felicitas Woll. Das war 2014. Im gleichen Jahr spielte ich die Hauptrolle in einem kurzen Film, der völlig sensationell den Studenten-Oscar gewann. Seitdem haben mich einige Leute auf dem Zettel, denke ich. Und ich bin aus München beziehungsweise der Umgebung. Deshalb hat das alles so gut gepasst.

prisma: Was ist das denn für eine Geschichte mit dem Studenten-Oscar?

Reisinger: Eine ziemlich verrückte. Mich hat damals ein Typ angerufen, der mir erzählte, dass er aus München kommt, aber in Leeds Film studiert. Dass er mein Demoband gesehen hätte und einen Schauspieler braucht, der genauso ist wie ich. Da sagte ich zu ihm, er solle mir halt mal das Drehbuch schicken – und das war einfach unglaublich gut. Das Drehbuch zu "Border Patrol" basiert auf einem alten Witz. Ich spiele einen von zwei bayerischen Polizisten. Dieser Kurzfilm von 15 Minuten, beziehungsweise sein Regisseur Peter Baumann, haben danach alles abgeräumt: British Television Award, einen wichtigen Preis in China und dann eben als Krönung den Student Academy Award 2014 in Los Angeles. Es war schon witzig, das eigene dumme Gesicht samt deftigem bayerischem Dialekt in Hollywood auf der Leinwand zu sehen – mit Untertiteln (lacht).

prisma: Verändert es etwas, wenn man als relativ unbekannter Schauspieler diesen Studenten-Oscar gewinnt?

Reisinger: In Deutschland wird das öffentlich nicht besonders wahrgenommen, aber im englischsprachigen Raum ist es schon eine große Sache. Wir können uns jetzt Oscar-Preisträger nennen, so was hätte man natürlich nie erwartet – im eigenen Leben. Es ließ auch ein paar Leute hierzulande aufmerksam werden. Und jeder, der den Film gesehen hat, ist begeistert. Ich finde, das ist eine ganze Menge. Und trotz allem, ist es am Ende nicht so wichtig. Auf "Von Kerlen und Kühen" werde ich sehr viel öfter angesprochen (lacht).

prisma: Wird es mit der männlichen Hebamme Toni weitergehen?

Reisinger: Das hängt natürlich wie immer von den Quoten ab. Wir haben schon große Lust weiterzumachen. Es gibt auch Konzepte für weitere Drehbücher, die habe ich bereits gelesen. Und ich muss sagen, sie klingen sehr vielversprechend. Wenn wir es so realisieren dürfen, wird die Reihe noch ernsthafter werden und in der Zukunft eine noch höhere Qualität aufweisen. Wobei ich mit ernsthaft nicht meine, dass der Unterhaltungsfaktor dann wegfällt. Auch große menschliche Dramen – das vergaß man manchmal im alten deutschen Fernsehen – können sehr unterhaltsam verpackt werden.

prisma: Sieht man Sie selbst bald auch in anderen Rollen?

Reisinger: Ich arbeite gerade an einer eigenen Drama-Serie, die in München spielt. Das ist ein sehr starkes, ambitioniertes Projekt, in dem München in einem komplett anderen Licht erzählt wird, wie man es noch nie gesehen hat. Wir verhandeln aktuell, mit welchen Partnern wir das umsetzen. Ich schreibe zusammen mit dem Autoren Christian Limmer an den Drehbüchern und spiele eine der Hauptrollen. Ich hoffe, dass ich bald mehr darüber sagen kann.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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