Sonntag am Tatort

Zwischen Schmuddelecke und Kuscheldecke

06.10.2017, 15.19 Uhr
In der Schmuddelecke: Udo Wachtveitl (l.) als Kommissar Leitmayr.
BILDERGALERIE
In der Schmuddelecke: Udo Wachtveitl (l.) als Kommissar Leitmayr.  Fotoquelle: BR/Hagen Keller

Leitmayr und Batic müssen sich in "Hardcore" nicht nur mit einem Mord, sondern auch mit einigen Vorurteilen auseinandersetzen.

"Wir haben den Ausweis der Toten gefunden. Marie Wagner. 25 Jahre alt. Bei 'Künstler- oder Ordensname' steht 'Luna Pink'. Hört sich für mich aber nicht nach einem Orden an." Scharf beobachtet hat er da, der Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer), seines Zeichens Assistent von Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec). Denn diese Luna Pink, die war in keinem Orden, sie hat unter diesem Namen Pornos gedreht. Und zwar nicht gerade welche von der zahmen Sorte. Doch jetzt ist sie tot. Erwürgt.

Kurze Zeit später sitzen die beiden Kommissare im Büro ihres Vaters und schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu, wie sie ihm das beibringen wollen. "Ich sag das mit dem Mord, sag du das mit dem Porno." – "Nein, sag du das mit dem Porno." Wie zwei Schuljungen, die nicht zugeben wollen, dass sie eine Dummheit begangen haben. Denn der Vater ist nicht irgendwer in München. Und das macht nicht nur den Fall zu einer heiklen Angelegenheit, sondern auch die Ermittlungen.

Eine Welt schräger Vögel

Die führen Leitmayr, Batic, Hammermann und ihren Superbullen-Kollegen Ritschy Semmler (Stefan Betz) in eine Welt voller schräger Vögel, die Welt der Pornoproduzenten Sam Jordan (Markus Hering) und Olli Hauer (Frederic Linkemann) etwa, aber auch die Welt der ehemaligen Darstellerin Stella Harms (Luise Heyer) und ihrer kleinen Familie. Irgendwo zwischen Schmuddelecke und Kuscheldecke bewegen sich die vier, wobei Semmler sich eigentlich gar nicht bewegt, sondern sich mit klugen Sprüchen begnügt. Was den Fall aber nicht weniger unterhaltsam macht.

Denn zwischen dem Drama um die tote junge Frau, der privaten Tragödie der Eltern und den Recherchen der beiden Ermittler in Münchner Pornokreisen reizt dieser Tatort eine erstaunliche Bandbreite aus. Vom Schmunzeln, das einem allzu oft im Gesicht festfriert bis hin zu bedrückendem Mitleid dauert es in diesem Tatort mit dem treffenden Titel "Hardcore" manchmal nur Sekunden. Dabei offenbart er zwar eine Schwäche, denn das Ziel von Regisseur und Drehbuchautor Philip Koch, mit den unzähligen Klischees und Vorurteilen, mit denen die Pornobranche behaftet ist, aufzuräumen, verfehlt er viel zu oft. Dafür aber spielt er ordentlich damit, auf Seiten der beiden Kommissare, aber auch auf Seiten des privaten Umfelds der Tochter.

Einsamkeit, Verzweiflung, Wut

Auf der anderen Seite rückt "Hardcore" durchaus einige schiefe Bilder gerade, die in der Schmuddelecke des Pornos so an der Wand hängen. Das von der erniedrigten Frau beispielsweise, das vom Reichtum der Produzenten – und das von den Perversen und den Halbkriminellen, die sich da tummeln sollen. Dass dieser Tatort sich dieses Themas so offen annimmt und den Fall rund um Luna Pink dabei trotzdem sensibel und mit Fingerspitzengefühl inszeniert, verdient Hochachtung. Ebenso wie die Leistung der Darsteller, die mit wenigen Ausnahmen alles abliefern, was dieses Drama auszeichnet: Einsamkeit, Verzweiflung, Wut – und trotzdem hin und wieder auch diese kleine Portion Witz und Sarkasmus, die gute Münchner Tatorte auszeichnet. Und ein guter Münchner Tatort ist "Hardcore" ohne Zweifel.

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