Fragen und Antworten

SciFi-"Tatort": Gibt es schon bald die Mensch-Maschine?

von Eric Leimann

Sebastian Bezzel, früher "Tatort"-Kommissar am Bodensee, gab in einem kühnen Ludwigshafener B-Movie über Transhumanismus einen futuristischen Mediziner. Was hatte das Ganze mit der Realität zu tun? 

Ist es wirklich so, wie der Wissenschaftler und Bösewicht dieses "Tatorts", dargestellt von Sebastian Bezzel, behauptet: Wird die Menschheit sich selbst abschaffen, beziehungsweise von der Künstlichen Intelligenz abgeschafft – es sei denn, wir verschmelzen mit ihr? Der Ludwigshafener "Tatort" schaukelte interessante Thesen durch die sonntägliche Primetime, tat dies aber auf bekannte, eher krachlederne Art und Weise. Es war ein Krimi, den man mögen oder hassen konnte.

Worum ging es?

Ein verlassener Rollstuhl am Rheinufer samt zurückgelassener Brieftasche deutet auf einen Suizid hin. Die Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) finden heraus, dass der verschwundene Lukas Pirchner ein mittlerweile querschnittgelähmter Macho und Schläger aus der Halbwelt rund um getunte Motoren und illegale Rennen ist. Hat sich der Mann das Leben genommen, weil er mit seiner Behinderung nach einem Autounfall nicht zurechtkam? Oder suchte er Hilfe in der Science Fiction-Klinik von Professor Bordauer (Sebastian Bezzel), der am Verschmelzen von Mensch und Maschine arbeitet?

Worum ging es wirklich?

"Maleficius" war bereits der zweite Ludwigshafener "Tatort" in Folge, der sich mit Mensch und Technik beschäftigte. Beide Male war Tom Bohn der Autor und Regisseur. In "Vom Himmel hoch" (Dezember 2018) ging es um Kampfdrohnen und das auf den sie steuernden Menschen traumatisch wirkende Erleben eines distanzierten Tötens. "Maleficius" erzählte nun davon, wie der Mensch immer mehr selbst zur Maschine wird. Am Anfang war es "nur" der Herzschrittmacher. Doch bald werden wir alle Hybride zwischen Mensch und Maschine sein – glaubt der diabolisch gezeichnete Futurist Professor Bordauer. Dass ihn Old School-Menschen wie Lena Odenthal auf Dauer aufhalten werden, ist eher nicht anzunehmen. Dass auch der Autor des Krimis dies annimmt, verriet das Grinsen des Ludwigshafener Frankensteins 2.0 in der Schlussszene.

Wer sind die Transhumanisten?

Diese Frage stellt auch Lena Odenthal ihrer Kollegin Johanna Stern im gemütlichen Ambiente beim Rotwein in einer menschlich anheimelnden Bar – und gibt die Antwort selbst: "Transhumanisten arbeiten im lockeren Zusammenschluss auf fast jedem Gebiet: Robotertechnik, Hirnforschung, Genetik, Organchirurgie. Sie haben gemeinsam, dass sie nicht an eine Zukunft des Homo sapiens glauben. Weil der nicht in der Lage dazu ist, so zu leben, dass die Erde eine Zukunft hat."

Sind Transhumanisten böse?

Erst mal ist die Rettung der Menschheit ja ein positiv klingendes Ziel. Doch "Naturburschin" Odenthal hat tatsächlich angebrachte Bedenken. In einem philosophischen Monolog zu Bildern von Wald und Mensch heißt es: "Merkst du nicht, wie man uns immer mehr wegnimmt von dem, was uns ausmacht? Sie werden nicht eher Ruhe geben, bis sie alles unter Kontrolle haben. Bis sie den letzten Zauber entzaubert, den letzten Traum mitgeträumt haben." Tatsächlich kommt der Transhumismus im "Tatort" ein wenig zu schlecht weg. Die philosophische Fachrichtung des Transhumanismus teilt historisch viele Aspekte mit dem Humanismus, einschließlich eines Respekts vor Vernunft und Wissenschaft. Seit Anfang der 80-er gilt die Universität von Kalifornien, Los Angeles, als Zentrum der modernen Transhumanismen. Tatsächlich ist eines ihrer Forschungsgebiete die Gehirn-Computer-Schnittstelle, welches auch den Upload des menschlichen Bewusstseins in digitale Speicher umfasst. Es ist wie immer in der Wissenschaft: Neue, revolutionäre Möglichkeiten können zum Segen und zum Fluch werden.

Können Querschnittgelähmte dank Gehirnplatine wieder gehen lernen?

Die Meldung, dass Querschnittgelähmte dank Hirnstimulation durch Elektroden wieder laufen konnten, machte im Herbst 2018 die Welt staunen. Wissenschaftler an der Universität Lausanne implantierten Patienten Elektroden, die deren beschädigtes Rückenmark stimulieren. Kombiniert mit intensiver Physiotherapie konnten drei Behandelte nach einem Vierteljahr Training wieder gehen. Allerdings muss die Stimulation mit jedem Schritt, den man tun will, neu erfolgen. Die Wissenschaftler entwickelten eine mobile Version der Steuerung via Tablet und Sprache, die es den Patienten auch außerhalb des Labors ermöglichte, spazieren zu gehen oder auf einem Liegerad zu fahren. Vom Robocob-artigen Angreifer, der Odenthal und Stern auf den Fluren der Sci-Fi-Klinik begegnet, sind wir also nicht mehr allzu weit entfernt. Die irre Szene war aber auch insofern realistisch, dass die Technik noch in (metallenen) Kinderschuhen steckt.

Wie gut war der "Tatort"?

"Maleficius" war ein etwas grober, ja manchmal fast B-Movie-hafter Krimi, der seine Zuschauer an der Nase herumführte. Der voll analoge Anfang mit einem verlassenen Rollstuhl am Rheinufer, der sich in der Auto-Tuning-Szene fortsetzte, schien eher auf einen altmodischen "Tatort" hinzudeuten – ehe der "Mad Professor" von Ludwigshafen ins Spiel kam. Nun wurde der Film zum Kampf alt (Mensch, Pfarrer, Schrauber, Gefühle) gegen neu (Roboter, Wissenschaftler, klinische Logik). Das war nicht wirklich elegant erzählt, und der Zuschauer musste mit dem ein oder anderen Sci-Fi-Klischee leben. Trotzdem unterhielt das Ganze den, der sich darauf einließ. Zudem wurde das immer wichtiger werdende Thema Transhumanismus für ein großes Publikum "angespielt".


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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