Interview zu "Faltenfrei"

Adele Neuhauser: "Es macht Spaß, einen größenwahnsinnigen Menschen zu spielen"

von Maximilian Haase

In ihrem neuen Film "Faltenfrei" spielt Sympathieträgerin Adele Neuhauser eine ziemlich unsympathische Chefin einer Beauty-Firma. Ein Gespräch über Selbstzweifel, falsche Schönheitsideale und die nötige Kritik an der Beauty-Branche.

Nur wenige Schauspielerinnen können sich hierzulande so großer Beliebtheit erfreuen wie Adele Neuhauser. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Da wären zunächst die unnachahmlichen Film-Charaktere der in Wien aufgewachsenen Tochter eines griechischen Architekten: Wer schloss nicht die Bauernhoferbin Julie Zirbner aus dem österreichischen Serienhit "Vier Frauen und ein Todesfall" ins Herz, mitsamt ihrer Eigenarten? Und wer verzeiht nicht der verschrobenen Wiener "Tatort"-Kommissarin Bibi Fellner, die in diesem Jahr zehnjähriges Krimijubiläum feierte, noch die größte Verfehlung? Doch sind es nicht nur Neuhausers Paraderollen, die sie zum Publikumsliebling machten. Respekt verschaffte sich die heute 62-Jährige auch dadurch, dass sie mit beispielloser Offenheit über ihre nicht einfache Vergangenheit sprach, über Trennungen, Depressionen und Suizidversuche. Selbstzweifel plagen sie noch immer, sagt Neuhauser, die sich ihren charmanten Humor trotz aller Rückschläge immer erhalten konnte. Eine tragikomische Dimension, die auch vieler ihrer Figuren prägt – etwa im aktuellen ARD-Film "Faltenfrei" (Mittwoch, 17. November, 20.15 Uhr), der Neuhauser als zynisch-egoistische Chefin einer Beauty-Firma zeigt.

prisma: In Ihrem neuen Film "Faltenfrei" spielen Sie eine ziemlich herrschsüchtige, egomanische Frau. Macht das mehr Spaß als andere Rollen – oder ist es anstrengender?

Adele Neuhauser: Alles kombiniert! Es macht großen Spaß, einen größenwahnsinnigen Menschen zu spielen. Jemanden, der glaubt, er sei auf die Welt gekommen, um sie uns allen zu erklären. Das ist meinem Gefühl nach erst einmal per se unsympathisch. Liebeswert macht diese Figur dagegen, dass sie einsichtig und wandelbar ist. Sie muss dafür aber erst mal eine auf den Deckel bekommen. Für mich war es ein Geschenk, diese Rolle in all ihren verschiedenen komischen und tragischen Facetten zu spielen.

prisma: Die Rolle wirkt fast wie zugeschnitten auf Sie. Wie kam es dazu?

Neuhauser: Autor Uli Brée kennt mich schon sehr lange, eigentlich seit der Serie "Vier Frauen und ein Todesfall", die in Österreich sehr erfolgreich lief. Er war es auch, der Bibi Fellner für den "Tatort" entwickelte. Er weiß, was man mir antun kann, was ich aushalte und wo meine Stärken liegen. Grundsätzlich wichtig war ihm aber natürlich die Kritik an der ganzen Branche, die Schönheitsoperationen vermarktet. Die Schönheitsbranche weckt falsche Träume in jungen Menschen.

prisma: Hat sich dahingehend in den letzten Jahren nicht einiges verbessert?

Neuhauser: Ich befürchte, es hat sich nicht sehr viel verändert. Die Möglichkeiten, etwas an seinem Äußeren zu verändern, werden immer größer und immer mehr propagiert. Ich habe nichts gegen Schönheits-OPs und bin sogar mit einem Schönheitschirurgen befreundet. Meist geht es dabei aber um Frauen, die Unfälle hatten oder Operationsnarben entfernt haben wollen. Das ist eine ganz andere Geschichte. Trotzdem: Wir laufen falschen Träumen nach, sonst wären wir nicht da, wo wir sind. Man muss dieses Bild korrigieren – deshalb ist Kritik daran dringend notwendig.

prisma: Was würden Sie der Entwicklung entgegensetzen?

Neuhauser: Es geht um die Schönheit des Herzens. Und nicht um die äußerlichen Dinge. Natürlich habe ich es auch gern, wenn ich schön sein kann, beispielsweise bei einer Filmpremiere. Aber wir müssen von Anfang an lernen, die eigene Person ganz anders zu akzeptieren. Wir haben die Tendenz, immer anderen Idealen nachzueifern. Dabei vergessen wir, uns zu lieben. Wenn wir uns lieben lernen, dann brauchen wir die anderen Schönheitsideale in der Form nicht. Es geht um ein Einverständnis mit sich selbst. Es ist nicht einfach, sich selbst zu lieben. Aber es ist der erste Schritt. Was das angeht, machen wir dann doch Fortschritte.

prisma: Woran merken Sie das?

Neuhauser: Ich sehe, dass mein Sohn ein ganz anderes Selbstverständnis hat und auch mit seiner Tochter ganz anders umgeht. Da sehe ich ein großes Umdenken und sichtbar anderes Handeln. Die junge Generation ist auf einem besseren Weg als wir das waren.

prisma: Konnten Sie persönlich dieses Einverständnis mit sich selbst in Ihrem Leben dennoch erreichen?

Neuhauser: Da muss ich sagen: Ich bin auch noch auf der Suche nach mir (lacht).

prisma: Sie sprachen in den vergangenen Jahren oft von Selbstzweifeln, die Sie plagten und plagen.

Neuhauser: Ach, die Selbstzweifel sind so langweilig! (lacht) So empfinde ich das mittlerweile, wenn sie mich wieder ereilen. Andererseits bin ich auch froh, noch eine gewisse Unsicherheit zu besitzen. Das lässt mich offen bleiben. Zu souverän möchte ich gar nicht sein. Das hängt natürlich von der Situation ab – und davon, was gerade von mir verlangt wird. Ich bin unterschiedlich durchlässig oder nervös.

prisma: Findet man damit einen Umgang?

Neuhauser: Ich merke natürlich, dass ich auf eine gewisse Erfahrung zurückgreifen kann. Schließlich wurden viele vor allem schauspielerische Herausforderungen an mich herangetragen. Aber: Die Erfahrung hilft mir nicht nur. Es ist also einerseits beruhigend, aber auch anstrengend.

prisma: Halfen auch Ihre oftmals tragikomischen Rollen, diese emotionale Bandbreite auszuloten?

Neuhauser: Ich hatte das Glück, das alles auf der Bühne schon ausleben zu können. Es ist selten, dass man vor der Kamera so expressiv spielen darf. Und: Die wahre Komödie ist tragisch!

prisma: Als Ihre Paraderollen gelten die schon erwähnten Bibi Fellner und Julie Zirbner. Hatten Sie jemals Sorge, darauf festgeschrieben zu sein, oder gar fortan Variationen dieser Figuren zu spielen?

Neuhauser: Nein, sonst hätte ich sie auch nicht gespielt. Ich glaube mit diesen beiden Figuren gezeigt zu haben, dass das Spektrum etwas größer ist als lediglich "Kommissarin" oder "Großbauernwitwe".

prisma: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie in diesem Jahr schon zehnjähriges "Tatort"-Jubiläum hatten?

Neuhauser: Wirklich? Oh Gott, das wusste ich gar nicht. Schau an, wie die Jahre verflogen sind. Die Arbeit mit Harald Krassnitzer ist einfach kongenial. Es gibt nichts Schöneres, als mit einem Partner zu arbeiten, auf den man sich jeden Tag freut.

prisma: Hat sich Ihr Verhältnis zu Bibi Fellner trotzdem in den letzten Jahren verändert?

Neuhauser: Natürlich entwickelt sich die Rolle. Wenn man über einen längeren Zeitraum eine Figur spielt, dann muss sie sich auch wandeln. Sonst wäre es ja auch langweilig. Niemand stagniert, niemand bleibt stehen, Gott sei Dank! Manchmal denke ich aber schon: Schade, dass sie sich so gesund verändert hat. Ich mag eben Figuren, die noch ein bisschen Dunkles in sich tragen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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