Musiker im Interview

Joachim Witt: Die Energie ist zurück

01.03.2022, 16.21 Uhr
von Marcus Italiani
Joachim Witt ist wieder in die Rolle des Rübezahl geschlüpft.
Joachim Witt ist wieder in die Rolle des Rübezahl geschlüpft.  Fotoquelle: Franz Schepers

Die Energie ist zurück Er ist schon lange über den "Goldenen Reiter" und die Neue Deutsche Welle hinweg. Joachim Witt (73) beendet mit "Rübezahls Reise" eine besondere Trilogie.

Herr Witt, Ihr neues Album nennt sich "Rübezahls Reise". Repräsentiert diese Reise Ihre Stimmung während der letzten Zeit?

Joachim Witt: Die Texte sind von der Stimmung her denen ähnlich, die ich immer verfasse. Sie beschreiben einfach meinen Seelenzustand.

Um den scheint es dramatisch bestellt zu sein. Wie haben Sie die beiden pandemiegeprägten Jahre seit Veröffentlichung Ihres letzten Albums erlebt?

Ich lebe ja ziemlich zurückgezogen in einer Blase, die es mir ermöglicht, relativ ungeschoren davonzukommen, obwohl ich gleich zu Beginn der Pandemie Corona hatte. Das hat mir meine gesamte Energie genommen, die ich danach mühevoll wieder zurückerlangen musste.

Also hat Corona Ihre Pläne lahmgelegt?

Die Tourneen sind ausgefallen, und es fehlt der Kontakt zum Publikum. Das ist wie eine Droge, ein Glücksmoment, den man vermisst. Aber diesen Moment nimmt man eigentlich erst wahr, wenn er passiert. Die Aussicht darauf ist gar nicht entscheidend. Schmerzlich ist nur, dass man den Moment auf der Bühne nicht hat.

Was sich hoffentlich bald ändert. Dann könnte man auch endlich die Rübezahl-Trilogie live bewundern. Was war die ursprüngliche Idee hinter dem Konzept?

Es war eine Art Theaterspiel, in dem man die Person verkörpert und die das nach außen trägt, was diesen sehr großen Sound ausmacht. Denn dieser Sound verkörpert eine Seite, die mir stark liegt und sie ich auch ehrlich empfinde.

Sind Sie nach drei Konzeptalben also eins mit dem Charakter Rübezahl geworden?

Die Figur hat mich noch nicht völlig vereinnahmt, worüber ich ganz glücklich bin. Denn Rübezahl hat ja auch einige recht polternde Eigenschaften, die ich nicht so gerne an mir sehen würde. Aber das, was ihn zum Wächter über die Natur macht, oder seine Antennen für Gerechtigkeit, verbinde ich ganz gerne mit den Dingen, für die ich stehe. Das passt zu mir.

Wie repräsentiert man diese Inhalte nach außen?

Mit einer großen musikalischen Inszenierung, die eigentlich wie ein Theaterstück ist und die Themen opulent nach außen trägt.

Gibt es Überlegungen, nur den Rübezahl-Komplex auf die Bühne zu bringen?

Vielen Dank für den Vorschlag. Ich werde ihn gerne annehmen und darüber nachdenken, ihn umzusetzen.

Das Album trägt viele schwermütige Stimmungen in sich.

Das ist es für mich gar nicht zwingend. Ich bin eigentlich kein Konzept-Schreiber. Meine Texte entstehen aus dem Moment heraus, in dem ich darüber nachdenke. Vielleicht hat das Schwermütige mehr mit meinem Alter zu tun (lacht).

Heutzutage ist es auch in jugendlichem Alter einfach, schwermütig zu werden und den Zustand der Welt zu beklagen. Gerade in die aktuelle Zeit passt die Coverversion des Anti-Kriegs-Songs "Nein, meine Söhne geb ich nicht" von Reinhard Mey wie die berühmte Faust aufs Auge, auch wenn sie bereits anderthalb Jahre auf dem Buckel und nichts mit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zu tun hat.

Ich bin sehr gut mit Andreas Stitz von der Band Leichtmatrosen befreundet. Er hatte die Idee, aus diesem Reinhard-Mey-Song, den ich im Übrigen schon immer außergewöhnlich gut fand, ein gemeinsames Projekt zu machen. Es ist ein generelles Anliegen, weil es auf der Welt – meist aus geopolitischen Gründen – immer zu den gleichen Konflikten kommt. Es kann doch nicht sein, dass eine abgehobene Schicht von Regierungsbeamten immer wieder Dinge auf dem Rücken der Bevölkerung austrägt. Das ist eine Unverschämtheit. Und gegen diese Willkür der Bereicherung und der Machtbesessenheit muss man etwas tun. Ich komme mir wirklich manchmal vor wie im Sandkasten, wenn ich das beobachte. Die Leidtragenden sind immer die normalen Leute aus der Bevölkerung – das ist Fakt, denn ich erlebe das schon mein ganzes Leben lang. Gründe für diese geopolitischen Auseinandersetzungen sind immer nur Bereicherung, Bevormundung, Ausnutzung und Ausbeutung. Ich platze vor Wut, wenn ich daran denke. 

Das könnte Sie auch interessieren