"Polizeiruf 110: Cottbus Kopflos": Krimi im Karneval
Es wird bunt im Cottbusser "Polizeiruf". Im Karneval starten die Ermittlungen für das frisch zusammengestellte Team. In der aktuellen Folge gilt es, den mysteriösen Tod eines Motivwagen-Bauers aufzuklären. Dabei zeigt die neue Kommissarin ihre tänzerischen Fähigkeiten.
Karneval ist ein überaus dankbares Krimi-Thema: für die Drehbuchschreiber, die sich verkleidete Täter und absurde Tatorte ausdenken dürfen. Für die Kostümbildner, die sich an allerlei Kleidung austoben. Für den Sender, der seinen Film saisonal bewirbt. Und nicht zuletzt für das Publikum, das seiner Liebe für respektive seinem Hass auf alles Karnevaleske freien Lauf lassen darf. Wen wundert es also, dass sich in der Vergangenheit diverse "Tatort"-Folgen mit der fünften Jahreszeit beschäftigten – allen voran natürlich jene aus Köln, zuletzt aber gar die Münchner, die Anfang 2022 mit "Kehraus" ein nachdenkliches Stück Faschings-Film lieferten.
Nun legt auch die Krimi-Konkurrenz nach: Im neuen "Polizeiruf 110" aus Cottbus dreht sich zur Karnevalszeit alles um den Tod eines polnischen Motivwagen-Bauers. Grenzübergreifend ermittelt Kommissar Vincent Ross (André Kaczmarcyk) in "Cottbus Kopflos" gemeinsam mit den neuen Kollegen Alexandra Luschke (Gisa Flake) und Karl Rogov (Frank Leo Schröder).
Darum geht es in "Polizeiruf 110: Cottbus Kopflos"
Fans des deutsch-polnischen Krimis aus der Lausitz dürften die "Neuen" jedoch wohlbekannt sein: Schröder half bereits im letzten Krimi "Der Gott des Bankrotts" aus, während Gisa Flake als Gast-Kommissarin schon vor zwei Jahren im starken "Polizeiruf 110: Hermann" überzeugte. Diesmal, als Teil des erstmals gemeinsam ermittelnden Trios Ross/Luschke/Rogov, legt sich die gebürtige Braunschweigerin ("Wie heißt die, Lusche? – Davon haben wir schon genug") abermals mächtig ins Zeug.
Nicht nur übernimmt sie im Fall des auf mysteriöse Weise in seiner Werkstatt ums Leben gekommenen Jurek Bukol (Sigi Polap) einen Großteil der Ermittlungen – nebenher tanzt die auch als Kabarettistin und Comedienne bekannte Gisa Flake in glitzernden Outfits unterhaltsam über den Bildschirm. Zusammen mit den (echten) "Jazzy Diamonds Cottbus" gibt sie eine Tanzgruppe, die ihren Auftritt beim Karnevalsumzug vorbereitet. Selbstironische Tänzchen zum Einstand als Kommissarin – so etwas wünscht man sich angesichts des Überflusses an traurig-abgehalfterten Ermittlergestalten öfter.
Verbandelt, verschwägert und verstritten
Wobei auch der aktuelle "Polizeiruf" nicht nur feuchtfröhliches Vergnügen ist: Schließlich starb das Opfer bei einem fürchterlichen Feuer, das nebenher auch seinen fertig gebauten Motivwagen zerstörte. Hat der Tod des Mannes etwas mit dessen Arbeit für den – tatsächlich – größten Karnevalsumzug Ostdeutschlands zu tun? Oder doch eher damit, dass sich Bukoi bisweilen mit seinen Mitmenschen in die Haare kriegte? Welche Rolle spielt das Verfahren, bei dem der Pole zwei Jahre vorher strafrechtlich verurteilt wurde? Und was weiß eigentlich seine geschockte Familie, die ihn noch am Abend zu einer Geburtstagsfeier eingeladen hatte, zu der er nicht erschienen war? Fragen über Fragen, bei deren Beantwortung die Ermittler in "Cottbus Kopflos" (Regie: Christoph Schnee; Drehbuch: Axel Hildebrand und Mike Bäuml) nur langsam voranschreiten.
Des Opfers Ex-Frau Petra (Julika Jenkins) verhält sich ebenso suspekt wie seine Kinder Krystina (Pia-Micaela Barucki) und Dawid (Niklas Bruhn). Letzterer führt obendrein noch eine Craft-Beer-Brauerei, die den Zuschlag für den Bierausschank beim Karneval ergattern konnte – was wiederum Getränkehändlerin Janine Küppers (Julia-Maria Köhler) auf die Palme bringt. Deren Gatte Nikolaus Behrend (Christoph Bach) fungiert indes als Geschäftsmann, Lokalpolitiker und Elverrats-Chef in Personalunion – und hatte mit dem späteren Opfer einen nicht unerheblichen Streit am Laufen. "Geht's bei euch noch um die Klärung eines Mordfalls oder wollt ihr mir einfach nur auf den Sack gehen?", fragt der schmierige Typ die Ermittler.
Im übersichtlichen Cottbus scheint jedenfalls jeder mit jedem verbandelt, verschwägert und verstritten – und allesamt hängen irgendwie im allpräsenten Karnevals-Netz fest. So auch die alteingesessene Cottbusserin Luschke, die nicht nur seit 20 Jahren Mitglied im Karnevalsverein ist, sondern auch mit der Tochter des Toten auf der Schule war und auch sonst jeden Befragten kennt und duzt. Zur sichtlichen Verwirrung des Karnevals-Muffels Ross, der von außen mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu auf den Sumpf aus Begünstigungen und Korruption blickt. "Kann das eigentlich ein Problem werden?", fragt Ross seine neue Kollegin mit Blick auf mögliche Befangenheit – "Nee, das ist alles sehr lange her", antwortet Luschke, die immerhin ihre umfassende Lokalkenntnis auszuspielen weiß.
"David Bowie trifft Kosmonautin"
Glücklicherweise verstehen sich die beiden Ermittler Luschke und Ross trotz einiger Sticheleien ("Ich hab schon viel von ihnen gehört" – "Ich hab noch nie von Ihnen gehört") überraschend gut. So tauscht das ungleiche Duo bisweilen gar charmante Worte aus: "Ich lass mich eigentlich ganz gern chauffieren, wenn jemand so gut fährt wie Sie", lobt Ross seine Kollegin. Mit ihrem Chef, dem von Andreas Döhler famos gespielten Dienststellenleiter Oelßner kann der deutsch-polnische Ermittler derweil gar nicht – wobei auch so manches Ressentiment des Polizeichefs gegen das metrosexuelle Auftreten und die polnische Herkunft des Kommissars eine Rolle zu spielen scheint. Erfrischend: Die privaten Vorlieben der beiden Kommissare stehen ausnahmsweise kaum im Zentrum – dafür umso mehr ihre Eigenheiten beim Ermitteln. So befragt Ross etwa in der Regel süffisant lächelnd, während Luschke vorzugsweise bedrohlich schauend herumsteht und auf Verdächtige blickt.
Freud und Leid beim Karneval liegen in diesem sehenswerten "Polizeiruf" nah beieinander: "David Bowie trifft Kosmonautin" beschreibt Ross das Tanzoutfit seiner Kollegin, die sich bei all den Ermittlungen über die immer wieder verpassten Tanzproben ärgert. Warum sie eigentlich tanzt, will er wissen: "Eine Art Kindheitstrauma?" – "Nee, Midlife Crisis". Humorvoll geht das Duo miteinander um, ohne das das Drehbuch ins Quatschige abdriftet. "Ich hab auch mal geglaubt, beim Karneval würde es um Spaß gehen", sagt Luschke an anderer Stelle nachdenklich. Karneval sei ein Geschäft, kritisiert ihr Kollege Ross – "ist doch klar, das dabei manche gierig werden". Eines zeigt "Cottbus Kopflos" jedenfalls: Nach dem Ausstieg des beliebten Duos Lenski/Raczek vor zwei Jahren könnte der Cottbusser "Polizeiruf" nun also endlich ein neues vielversprechendes Ermittlerteam gefunden haben.
Polizeiruf 110: Cottbus Kopflos – So. 12.11. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH