Lesbische Datingshow

"Princess Charming": Wie das Format bei der lesbisch-queeren Community ankommt

von Maximilian Haase
Irina Schlauch war 2021 die erste "Princess Charming". Sie suchte in der Datingshow von TVNOW (heute RTL+) und VOX ihre Traumfrau.
BILDERGALERIE
Irina Schlauch war 2021 die erste "Princess Charming". Sie suchte in der Datingshow von TVNOW (heute RTL+) und VOX ihre Traumfrau.  Fotoquelle: TVNOW / René Lohse

"Princess Charming" ist die weltweit erste lesbische Datingshow. Doch wie kommt das Format eigentlich bei der lesbisch-queeren Community an? Wir haben nachgefragt.

Selten findet man im deutschen Fernsehen Formate, die auch global gesehen Vorreiter sind. Eine der Ausnahmen ist "Princess Charming", die weltweit erste Datingshow, in der lesbische Frauen im Mittelpunkt stehen. Nach dem enormen Erfolg des schwulen Pendants "Prince Charming", dessen erste Staffel 2020 gar den Grimme-Preis erhielt, wagte sich die RTL-Gruppe diesen Sommer vorerst nur im TVNOW-Stream an die weibliche gleichgeschlechtliche Liebe. Fünf Monate später laufen die zehn Episoden, in denen 20 Teilnehmerinnen auf Kreta um das Herz von "Princess" Irina Schlauch buhlen, auch bei VOX im Free-TV (immer freitags, um 22.15 Uhr). Doch wie kommt die Show eigentlich bei der lesbisch-queeren Community an? Werden die Lebenswelten homosexueller Frauen angemessen repräsentiert? Und kann ein solches Format zur Aufklärung beitragen? Stephanie Kuhnen, Journalistin und Fachbeirätin für den Berliner LesbenRing e.V., gibt Auskunft.

prisma: "Princess Charming" erhielt vielerorts positive Kritiken, wurde als einfühlsam und klug gelobt. Hat es die Sendung geschafft, lesbisch-queere Lebenswelten zu repräsentieren?

Stephanie Kuhnen: Ja, zumindest einige, die in das Format einer Dating-Show passen. Lesbische Lebensrealitäten sind natürlich nicht nur "junge Frauen suchen die große Liebe". Zu diesen Realitäten gehören auch das Leben in Partnerschaft und Familie, unterschiedliche Lebensphasen und andere Möglichkeiten. Die Show zeigt davon letztlich nur einen kleinen Ausschnitt. Dennoch ist es gelungen, in einem Format im Mainstream, in dem es mehrheitlich um Heterosexualität geht, homosexuelles Leben auf Augenhöhe an die Seite zu stellen. Diese Augenhöhe ist tatsächlich neu und wird von einem großen Publikum gut angenommen.

prisma: Was sorgt Ihrer Ansicht nach zum Erfolg des Formats auch bei einem Massenpublikum?

Kuhnen: Es muss gesagt werden, dass zu dem Erfolg der ersten Staffel maßgeblich der Cast beigetragen hat. Jede Einzelne hat sich erfolgreich bemüht, ein möglichst authentisches Bild von der Diversität lesbischen Lebens zu zeigen und durchaus auch gezeigt, dass ein heterosexuelles Plot-Schema nicht 1:1 in ein lesbisches übertragbar ist. Und genau diese Abweichungen haben die Staffel so spannend und unterhaltsam gemacht. Zudem nutzen ja auch viele aus dem Cast ihre Popularität weiterhin, um für mehr Akzeptanz in der Gesellschaft zu werben, und sind bei den vielen CSDs in Deutschland aufgetreten. Da ist ein Unterhaltungsformat auch positiv politisch genutzt worden.

prisma: Weil es Klischees vermieden hat?

Kuhnen: Besonders "Princess Charming" ist es gelungen, mit Erwartungen auch zu brechen: Weibliche Homosexualität und Bisexualität werden eben nicht als defizitär, erklärungsbedürftig oder tragisch dargestellt, sondern als selbstverständlich, erfüllend und selbstbewusst. Dies glückt natürlich auch über das große verbindende Thema Liebe, das auch für heterosexuelle Menschen, die in ihrem Alltag wenig Berührung mit dem Thema LSBTIQ haben, Identifikationsmöglichkeiten gibt. Glück und Liebe sind niedrigschwellig nachvollziehbar.

prisma: Kann so ein Format Ihrer Ansicht nach helfen, lesbische Frauen im TV sichtbarer zu machen?

Kuhnen: Sichtbarkeit war nicht wirklich das Problem lesbischer Frauen, eher welche Repräsentationen bisher dominierend waren. Selbst der Begriff "lesbisch" oder "Lesbe" war vor allem durch die Pornografie sichtbar. Im Fernsehen wurden lesbische Figuren über viele Jahre vor allem problematisiert, wenn nicht sogar als kontrastierende Abgrenzungsfigur zu einer heterosexuellen Liebesgeschichte gezeigt: als dämonische Verführerin oder biografischer Irrweg, dem kein Glück möglich ist. Dies ändert sich seit einigen Jahren allmählich. Eine große Rolle spielten dabei vor allem Fernsehserien. Mit "Princess Charming" ist in der positiven Repräsentation von lesbischen Frauen ein neuer Meilenstein gelegt. Wie dieser sich weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten.

prisma: In der letzten Zeit gab es zahlreiche LSBTIQ-Formate. Hat sich dahingehend im TV viel getan?

Kuhnen: Es hat sich sehr viel getan. Insgesamt ist das eine erfreuliche Entwicklung. Entscheidend dabei ist jedoch immer, welche Funktion den Protagonistinnen in ihrer Repräsentation zukommt. Aber genauso wie die Neben-Figur des "schrillen, schwulen besten Freundes" allmählich als völlig überholt gilt, ist die Figur der "tragischen" oder "sinistren" Lesbe mittlerweile uninteressant. Man muss auch Heterosexualität nicht mehr in Abgrenzung zu Homosexualität erzählen. Mittlerweile gibt es eine Fülle von Serien, vor allem auf den Streaming-Portalen, die eine große Bandbreite von positiv erzählten queeren Figuren bieten und die sich nicht ausschließlich an ein LSBTIQ-Publikum richten. Da kommt der Mainstream in der Realität an.

prisma: Welche negativen Seiten sehen Sie in derlei Datingformaten? Wo werden Vorurteile vielleicht reproduziert oder entstehen falsche Eindrücke?

Kuhnen: Es besteht immer die Gefahr, dass eine Form der Darstellung zu einer Norm wird. Genauso wie bei heterosexuellen Menschen, suchen nicht alle queeren Menschen ihr Glück in "der einen großen Liebe" oder finden eine Liebesbeziehung als ultimatives Lebensziel. Für nicht-heterosexuelle Menschen geht es vor allem darum, ein diskriminierungsfreies Leben zu führen. Davon sind wir auch in Deutschland noch weit entfernt, trotz Ehegleichstellung und gesamtgesellschaftlichen Fortschritten. Letztlich sind queere Menschen genauso vielfältig wie heterosexuelle Menschen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass eine einzige Darstellung zu einer allgemeingültigen Formel wird. Letztlich ist es noch ein langer Weg zur Diversität, aber die erste Staffel von "Princess Charming" ist schon ein guter Schritt in diese Richtung.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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