So schrieb auch die New York Times zu Chows US-Debüt in "The Replacement Killers - Die Ersatzkiller(1998): "Er vereinigt den verwegenen Charme eines Clark Gable, die Sensibilität eines Montgomery Clift und die coole zerstörerische Kraft eines Clint Eastwood." Die Kombination ist es, die Chow so einzigartig macht. Mira Sorvino, die an der Seite von Chow Yun-Fat in "The Replacement Killers" spielte, sagt: "Er ist der Fred Astaire des Actionfilms. Während Gene Kelly einen sehr maskulinen Stil des Tanzes bevorzugte, vermischte Fred Männlichkeit mit unvergleichlicher Eleganz. Chow Yun-Fat hat diese Art der Eleganz ebenfalls."
In seiner Heimat wurde Chow im Lauf seiner knapp 30-jährigen Karriere mit Preisen überhäuft. Seine Vielseitigkeit erlaubt es ihm, sich in allen Genres - von Actionthrillern über Slapstickkomödien hin zu Tragödien - zu Hause zu fühlen. Er ist wahrhaft "ein Held der 1000 Gesichter", der sich seine Popularität bei Millionen Fans auf der ganzen Welt mit einem ganz besonderen Talent erarbeiten konnte: die Fäbigkeit, selbst in den härtesten Actionrollen innere Anspannung und Introvertiertheit zu transportieren. Ein Kritiker schrieb: "Selbst wenn er einen seiner Gegner mit einem Fleischermesser an einen Tisch nagelt, strahlt er noch Verletzlichkeit aus."
Trotz seiner vielfältigen Talente wird Chow auf immer und ewig in einem Atemzug mit John Woo genannt werden. Mit Hilfe seines Lieblingsschauspielers war es ihm Mitte der Achtzigerjahre gelungen, auf einzigartige Weise die Tiefe bewegender Melodramen mit der hyperkinetischen Energie atemberaubend choreografierter Gewaltballette zu kombinieren, was ihn zum führenden Actionregisseur werden ließ. Chow wurde für Woo vor der Kamera, was Toshiro Mifune für Akira Kurosawa oder Alain Delon für Jean-Pierre Melville war. In seiner Arbeit mit Woo und anderen Actionexperten wie Ringo Lam, Tsui Hark oder Wong Jing gelang es Chow Yun-Fat, das Genre des "Hongkong Noir" zu definieren und dabei seine eigene Version des Gangsters als tragischen Helden zu etablieren, wie es in den Vierzigerjahren im amerikanischen Film James Cagney und Humphrey Bogart getan hatten.
"Ich suchte nach einem modernen Ritter", erinnert sich John Woo, der Chow vor dem Dreh ihres ersten gemeinsamen Films "A Better Tomorrow" (1986) Alain Delons eiskalte Performance in "Der eiskalte Engel", 1967) vorspielte. "Der Hongkong-Film brauchte einfach Erneuerung, einen neuen Helden. Das Publikum hungerte nach jemandem, dem Freundschaft, Familie und Ehre etwas bedeuten. Und Chow Yun-Fat steht auch in seinem wahren Leben für diese Dinge." Gemeinsam revolutionierten Woo und Chow die Filmindustrie in Hongkong. Kam man einst an Kung-Fu-Filmen mit ihren scheinbar losgelöst von der Erde frei schwebenden Kriegern nicht vorbei, so verlegten die beiden das "heroic bloodshed", seine moralischen Implikationen und Ehrenkodizes in die Gangsterwelt der Gegenwart und vertauschten die Schwerter mit Automatikwaffen.
"John Woo schenkte mir stets Helden, die in der Grauzone ´zwischen Gut und Schlecht angelegt waren", sagt Chow Yun-Fat. "Der Böse mit dem guten Herzen - das ist der Schlüssel zu Dramatik und Emotion." Ein amerikanischer Kritiker schrieb: "Der typische Chow-Held lebt zwischen Verbrechen und Gesetz, findet dort seine Werte - Freundschaft, Loyalität, Erlösung - und stirbt auch für sie." "A Better Tomorrow" und seine beiden Fortsetzungen (1988, 1989) wurden ebenso zum popkulturellen Phänomen wie "Blast Killer" (1989), "Killer Target" (1991) und "Hardboiled" (1992), die weiteren Filme Woos mit seinem Alter ego. Sie begründeten auch den sagenhaften Ruf des Hongkong-Films im Westen. So ist es kein Wunder, dass nach John Woo und Jackie Chan auch Chow Yun-Fat dem Ruf Hollywoods folgte. 1995 nahm er mit "Never Die", einer John-Woo-Produktion, seinen Abschied von Hongkong.
Gleich mit seinem US-Debüt "The Replacement Killers" erregte Chow Yun-Fat staunendes Aufsehen: Trotz der entsetzten Einwände des Studios absolvierte er die Hälfte der Stunts selbst. Um zu zeigen, daß er es ernst meinte, schraubte Chow auch gleich seinen Hongkong-Rekord für am meisten abgefeuerte Schüsse in einer einzigen Szene von 300 (in "Hard Boiled") auf 500 hoch. Mittlerweile teilt sich Chow seine Zeit zwischen Hollywood und Kowloon City auf. In Kowloon geht er immer noch jeden Morgen auf den Markt, um Fisch und Gemüse zu kaufen. Dort wird er erkannt, aber dennoch von seinen Fans in Frieden gelassen. "Sie behandeln mich wie einen Freund", sagt er, "und nicht wie einen Filmstar." So sieht er sich auch selbst. "Es ist ein ganz normaler Job", gestand er dem US Magazine. "Und ich bin ein ganz normaler Typ."
In den späten Fünfzigerjahren verbrachte Chow Yun-Fat seine Kindheit in einem Fischerdorf auf der Insel Lama in Hongkong. Im Alter von zehn Jahren zog er um in die Stadt. Mit 17 verließ er die Schule, um sich mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen. Auf den Rat eines Freundes schrieb er sich in einen Schauspielkurs des TVB, dem mächtigsten Fernsehsender Hongkongs, ein. Ein Jahr später machte er seinen Abschluss und ließ sich von TVB als Vertragsschauspieler verpflichten. Mit seiner Intelligenz, gutem Aussehen, Fleiß und schauspielerischem Können gelang Chow in nur wenigen Jahren der Sprung zum Hauptdarsteller. 1976 machte ihn die 128teilige TV-Serie "Hotel" zu einem der Top-Fernsehstars der Kronkolonie. Mit der Serie "The Bund", in der er einen Gangster im Shanghai der Dreißierjahre spielte, löste er 1981 einen noch größeren Wirbel aus. Mit dieser Rolle wurde sein Name in fast allen südostasiatischen Ländern zum Begriff.
Seit 1977 steht Chow auch in Spielfilmen vor der Kamera, obwohl er selbst zugibt, daß seine frühen Arbeiten nicht der Rede wert sind. Sein Durchbruch kam erst 1982, als ihn die New-Wave-Regisseurin Ann Hui in "The Story of a Wu-Viet" besetzte. Zu einer Zeit, als billige Kung-Fu-Filmchen den Markt beherrschten, wurde Ann Huis Drama zum Meilenstein für den Hongkong-Film, weil er als erster "ernster" Film gilt, der sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum Anklang fand. Fortan feierte man Chow als Filmstar, und jedes neue Projekt von ihm wurde mit Spannung erwartet. Obendrein hatte Chow Glück, dass er mit einer Abfolge von guten Rollen in guten Filmen gesegnet war. Ein Höhepunkt war Leong Po-Chihs "Hong Kong 1941", für den er 1985 beim Asia Pacific Film Festival in Tokio als bester Schauspieler und in Taiwan mit einem Golden Horse Award ausgezeichnet wurde.
1986 stand er in zwölf Filmen vor der Kamera - ein Rekord für einen Hauptdarsteller. Der wichtigste und erfolgreichste war John Woos "Der City-Wolf", der bei seiner Veröffentlichung Kinogeschichte schrieb. Die Gangsterballade brach alle Kassenrekorde in Hongkong, Taiwan, Singapur, Malaysia, Thailand, Indonesien, Südkorea und Chinatowns in der ganzen Welt und machte Chow Yun-Fat zum Superstar. Erstmals gewann er den Preis als bester Schauspieler bei den Hong Kong Academy Awards. Der Film entwickelte sich zum Phänomen: Wo immer Chow auf der Leinwand auftrat, wurde er von einem rasenden Publikum mit Applaus und begeisterten Rufen begrüßt. Junge Männer begannen, die gleichen Sonnenbrillen und langen Ubermäntel wie ihr neues Filmidol zu tragen. Für sie war Chow ein Held.
In den kommenden Jahren folgte Hit auf Hit. Chow spielte in Stanley Kwans "Love Unto Waste" (1986), Tony Aus "Dream Lovers", Mabel Cheungs "An Autumn's Tale" (1987), Ringo Lams "City on Fire" (1987) und "Full Contact" (1990), Johnny Tos "All about Ah Long" (1989), Tsui Harks "Love & Death in Saigon", John Woos "Blast Killer" (1989), "Killer Target" (1991) und "Hardboiled" (1992). Für "City on Fire" und "All about Ah Long" strich der Schauspieler zwei weitere Auszeichnungen bei den Hong Kong Academy Awards ein. Unter der Regie von James Foley spielte er 1999 zusammen mit Mark Wahlberg in dem Action-Streifen "Corruptor", mit Jodie Foster in Andy Tennants Historien-Drama "Anna und der König", "Bulletproof Monk - Der kugelsichere Mönch" (2003), "Waiting Alone" (2004), "The Postmodern Life of My Aunt", "Der Fluch der goldenen Blume" (beide 2006), "Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt" (2007), "Die Kinder der Seidenstraße" (2008), "Dragonball Evolution" (2009).