"Der Tote in der Brandung"

"Der Lissabon-Krimi": Ein Fado für den Schurken

Wie eine Epidemie breiten sich die Fremdenverkehrskrimis quer durch Europa aus, immer donnerstags im Ersten. Betroffen sind – neben dem Venedig der Donna Leon – etwa Istanbul, Barcelona, Kroatien, Bozen, Zürich, kürzlich noch Urbino und neuerdings Kehl am Rhein, bald auch Amsterdam, Athen ist schon wieder Geschichte. Damit es nicht allzu amtlich (und aufwendig) zugeht, werden gerne ehemalige Staatsanwälte oder Anwälte ohne Zulassung als mehr oder weniger kauzige Ermittler genommen. Dabei können auch schon mal die Städte wie die Hemden gewechselt werden. So wird Hannes Jaenicke, jüngst noch in Urbino tätig, demnächst in Amsterdam zu sehen sein. Jetzt aber erst mal: Lissabon mit Jürgen Tarrach als ausgemustertem Staatsanwalt und Vidina Popov als junge Roma mit erstklassigem Staatsexamen.

ARD
Der Lissabon-Krimi: Der Tote in der Brandung
Kriminalfilm • 05.04.2018 • 20:15 Uhr

Am Tejo zu Lissabon sitzen die Angler und die Schachspieler wie sonst nur am Bosporus, auch die gewaltigen Brücken gleichen sich aufs Haar. Immer wieder werden von der Regie (Sibylle Tafel) Lissabon-Draufsichten unvermittelt zwischen die Szenen geschnitten. Teils, um auch dem Letzten unter den Zuschauern klarzumachen, wo wir sind, teils auch, um Handlungsrisse zu überkleistern. Der ARD-Programmdirektor Volker Herres sieht derlei, wenn überhaupt, allerdings anders: "Die Ermittler führen die Zuschauer nicht nur souverän durch den Fall, sondern zugleich auch durch die Schönheit und Besonderheit ihrer Gegend", so schwärmt er vom viralen Serienkrimi im Ersten.

Jürgen Tarrach als Eduardo Silva und seine wunderbare junge Kollegin Vidina Popov als Marcia Amaya hätten sicher das Zeug dazu, uns ein aberwitziges portugiesisches Krimimärchen vorzugaukeln. Warum sollte Tarrach kein schwitzender, ein wenig bauchiger und aus der Bahn geworfener früherer Staatsanwalt in Lissabon sein, und warum Vidina Popov nicht dessen hilfreich listige Assistentin? – "Riechen Sie das nicht?", sagt sie, kurz bevor eine mit falschen Krebsmedikamenten gefüllte Lagerhalle nach einer Gasexplosion in die Luft fliegt, und rettet damit ihrem Meister das Leben. Der kann sich, jetzt armer Rechtsanwalt, nicht einmal eine richtige Wohnung leisten, sondern muss in einer schäbigen, allerdings mit schöner Aussicht gesegneten Pension in der Stadt am Tejo leben.

Selbstverständlich dringen die beiden, wie im Trivialkrimi üblich, ganz ohne Durchsuchungsbefehl gerne in fremde Wohnungen ein und lauern dann mit eingezogenem Bauch hinter den heimlich geöffneten Türen. Die junge Gehilfin hat da vom alten Hasen noch viel zu lernen – ihre ohnehin überzeugend braunen Augen werden in diesen Momenten stets noch ein bisschen größer. Leider haben die Autoren (Kai-Uwe Hasenheit, Patrick Brunken) den beiden aber eine recht klischeehafte Vita verpasst. Eduardos Frau sei bei einem von ihm selbst verschuldeten Unfall verstorben, Marcia wiederum sei früh zur Waise geworden und habe doch ein Superstaatsexamen gemacht, zumal als Roma, so lassen sie uns wissen.

Warum aber musste der Tote, den man angeblich im Tejo versenkte, der dann aber doch zwischen bizarren Fremdenverkehrsfelsen an der Atlantikküste liegt, eigentlich sterben? – Es geht um Medikamentenschmuggel und betrügerischen Handel, das verrät der Film sehr früh – und hat danach große Mühe, wenigstens ein Quäntchen Spannung zu erhalten. Dass zum Finale allerdings ausgerechnet der oberste Schurke von der wohlbeleibten Fadosängerin einen so schönen Song serviert bekommt, ist ebenso ungerecht wie die Tatsache, dass ausgerechnet ihm Eduardo das Leben rettet. Der Vater eines Medikamentenopfers muss hingegen sterben. Der Ermittler hat also hier nicht so souverän durch den Fall geführt, wie von Herres behauptet. Aber er hat ja, falls die Quote stimmt, künftig noch viel Zeit, um sich zu bewähren. Der zweite "Lissabon-Krimi" folgt am 12. April im Ersten.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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