Telenovela-Hype

"Verliebt in Berlin": Oft kopiert, aber bis heute unerreicht

von Frank Rauscher

Die letzte Folge der Telenovela "Verliebt in Berlin" ist vor genau zehn Jahren, am 12. Oktober 2007, ausgestrahlt worden. Zeit, sich an einen Hype zu erinnern, der so schnell wohl nicht wieder erreicht wird.

Vermutlich werden einige jetzt die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Aber für viele Zuschauer ist die Erinnerung an diese Zeit Nostalgie pur: Telenovelas galten einmal als der letzte Schrei in der deutschen Fernsehbranche. Doch erst mussten lateinamerikanische Produktionen wie "Die Sklavin Isaura" (1976), "Das Recht zu lieben" (1987) oder "Die Leihmutter" (1992) abtreten, dann verschwanden auch die neueren deutschen Telenovelas, allen voran "Bianca – Wege zum Glück" (2004 bis 2005, ZDF) mit Tanja Wedhorn und Patrik Fichte als Traumpaar sowie "Verliebt in Berlin" (2005 bis 2007, SAT.1) mit der wunderbaren Alexandra Neldel als Zahnspangen-gequältes Moppelchen Lisa Plenske, wieder von der Bildfläche. Der Vorhang für deutschlands berühmteste und wichtigste Telenovela fiel am 12. Oktober 2007 – vor genau zehn Jahren. Höchste Zeit, sich an einen gewaltigen Hype zu erinnern und an ein Stück Fernsehkult, das immer noch seine Fans hat: "Verliebt in Berlin" wird zurzeit auf SAT.1 Gold und auf SAT.1 Emotions umfassend wiederholt.

Am Ende ging es relativ schnell und unspektakulär dahin. Die zweite Staffel der einst sensationell erfolgreichen SAT.1-Telenovela "Verliebt in Berlin" verabschiedete sich an jenem 12. Oktober 2007 mit einer "normalen" Folge, aber immerhin standesgemäß von der Bildfläche: mit einer Hochzeit, bei der sich Hannah (Laura Osswald) und Bruno (Tim Sander) ewige Treue schworen. Das Ende der ersten "ViB"-Staffel war im September 2006 noch mit einem 90-minütigen Spielfilm zelebriert worden. Unglaubliche 38,6 Prozent der 14- bis 49-jährigen Zuschauer hatten damals Lisas "Ja-Wort" mitverfolgt. Einzelne Folgen erreichen eine Quote jenseits der 40 Prozent. "Verliebt in Berlin" ging nach solchen Höhenflügen und einem gewaltigen Medien-Bohei natürlich weiter – allerdings nach der ersten Staffel ohne das liebgewonnene Landei, das sich zum schönen Schwan gemausert und durch seine liebenswürdige Art die Herzen der Zuschauer erobert hatte.

Alexandra Neldel, die später als "Wanderhure" bei SAT.1 nochmals TV-Geschichte schreiben sollte, war einer der ganz großen TV-Stars jener Zeit. Der Telenovela war die heute 41-Jährige aber schnell entwachsen. Auf sie warteten andere Aufgaben – wenngleich ihr Name heute mehr als jeder andere für die große Zeit der deutschen Telenovelas steht.

Abschied von Neldel ein herber Verlust

Ihre Geschichte macht deutlich, wie eng der Erfolg der TV-Romane an der Besetzung der Titelrolle gekoppelt war. Nach ihrem Ausscheiden sollte Lisas bis dato unbekannte Halbbruder Bruno ins Rampenlicht rücken. Doch die Zuschauer verloren das Interesse. Der Abschied von Alexandra Neldel entpuppte sich als zu herber Verlust für die Erfolgs-Telenovela aus der Berliner Modeszene. Er konnte trotz diverser Bemühungen der Macher nicht kompensiert werden. Die 645. und letzte Folge der sogar mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Serie "Verliebt in Berlin" sollte zugleich den Anfang vom Ende des Telenovela-Booms markieren.

Ihren Anfang hatte die Erfolgsstory einst nicht bei den Privaten, sondern im ZDF genommen. Am 1. November 2004 lief mit "Bianca – Wege zum Glück" die erste deutsche Telenovela im Nachmittagsprogramm des Zweiten an. Es ging es um eine unschuldig verurteilte Brandstifterin und Vatermörderin (Tanja Wedhorn), die nach ihrer Entlassung einen Neuanfang in Sachen Leben und Liebe sucht. Selbstredend war auch die wahre Schuldige nicht fern, denn jede Telenovela braucht ihren bösen Antagonisten. "Bianca" war mit durchschnittlich zwei Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von gut 16 Prozent für das Zweite ein Erfolg aus dem Stand heraus. Unter anderem wurde "Bianca" sowohl in den USA als auch in Russland nachproduziert – auch "Verliebt in Berlin" und ganz besonders "Sturm der Liebe" sollten sich später als veritable Exportschlager erweisen.

Doch was war so aufregend an Telenovelas im Gegensatz zu den bereits länger etablierten Daily Soaps? Telenovela – vor 15 Jahren hatten höchstens ein paar TV-Junkies etwas mit dem Wort anzufangen gewusst. Doch seit "Bianca" wusste es jedes Kind: "Telenovela" heißt auf Deutsch "Fernsehroman". Das aus Lateinamerika stammende Genre hebt sich von der Daily Soap durch ein bereits feststehendes Ende ab. Meist wird eine Aschenputtel- oder Schneewittchen-Geschichte erzählt, rund 200 Folgen sollte das Ganze schon haben.

Nur eine große Liebesgeschichte

Das in Deutschland bekannteste Vorbild heißt "Die Sklavin Isaura", eine brasilianische Telenovela, die in den 80er-Jahren erfolgreich war. Der Durchbruch kam für die Telenovela hierzulande erst, als sich die TV-Macher an Eigenproduktionen und aktuelle Stoffe wagten. Der Zuschauer konnte Bezüge zum eigenen Alltag herstellen, oder wenigstens halbwegs realistische Träume konstruieren, sich mit den Darstellern identifizieren und – vielleicht das Entscheidende – sofort wieder einsteigen, wenn er mal ein paar Folgen verpasst hat. Denn im Gegensatz zur Soap, wo es oft verwirrende Parallel-Stränge gibt, wird in der Telenovela nur eine große Liebesgeschichte erzählt. Simpel genug, um sie nachmittags beim Bügeln oder eben später beim Abendbrot konsumieren zu können. Bei den Dailys geht es hingegen immer um ein größeres Ensemble, bei dem sich unterschiedliche Figuren in den Vordergrund spielen.

Doch mit der Trennschärfe nahmen es die produzierenden Sender von Anfang an nicht so genau. Sofern der Quotenerfolg dies nahelegte, wurden Telenovelas schon mal – meist mit neuen Protagonisten – ins gefühlt Unendliche verlängert. Aus seinem Auftakterfolg machte das ZDF vier weitere Staffeln "Wege zum Glück", mit neuem Personal (unter anderem Susanne Gärtner und Gisa Zach). Und weil's gerade so schön war, wurde mit "Tessa – Leben für die Liebe" (Oktober 2005 bis Mai 2006) gleich noch ein weiteres, allerdings von Anfang an wenig ziemlich erfolgloses Format ins Rennen geschickt – mit Eva-Maria Grein von Friedl in der Hauptrolle. Der Erfolg ließ irgendwann auch für "Biancas" Nachfolgerinnen nach, weswegen der Sender 2008 mit "Alisa – Folge deinem Herzen" ein frisches Geschichtennetz mit neuem Handlungsort und veränderten Grundkoordinaten aufspannte.

Weil die Telenovela mit Theresa Scholze in der Hauptrolle die Quotenerwartungen allerdings verfehlte, fand 2010 der fliegende Wechsel zum Nachfolgeprodukt "Hanna – Folge deinem Herzen" statt. Als auch für diese Telenovela die Quoten immer weiter absackten und die von Luise Bähr gespielte Hanna ausgediehnt hatte, ließen sich die Mainzer Telenovela-Liebhaber davon noch nicht entmutigen. Der nächste Versuch hörte auf den Namen "Lena – Liebe meines Lebens". Die Serie mit Jessica Ginkel als Titelheldin lief im Juni 2011 zum letzten Mal. Es folgte der letzte Versuch des ZDF. Er hieß in Anlehnung an alte Erfolge "Wege zum Glück – Spuren im Sand" – die Resonanz war verheerend. Das Format wurde nach wenigen Monaten vorzeitig vom Sender genommen.

Unzählige Formate sind gescheitert

Auch die ARD versuchte schon früh auf den Telenovela-Zug aufzuspringen. Doch weder "Das Geheimnis meines Vaters" mit Anna Voy Kunith (August bis November 2006) noch "Sophie – Braut wider Willen" (November 2005 bis März 2006) mit Yvonne Catterfeld war Erfolg beschieden. Besser lief es in der zweiten Hälfte der Nullerjahre zunächst für die Privaten. Neben "Verliebt in Berlin" machte auch "Schmetterlinge im Bauch" (mit Alissa Jung) zumindest anfangs ordentlich Quote. Bei Weitem nachhaltiger ist aber die Erinnerung an "Anna und die Liebe". Von Mai 2008 bis März 2012 hatte die prominente Hauptdarstellerin Jeanette Biedermann dieses Format geprägt.

Abgesehen davon gab es noch einige Versuche, die sämtlich scheiterten – wohl auch, weil sie auf dem Papier anderen, erfolgreichen Telenovelas täuschend ähnlich sahen. Wer erinnert sich schon noch an den ProSieben-Superflop "Lotta in Love" (mit Janin Reinhardt), dessen letzte Folgen 2006 morgens um 5 Uhr ausgestrahlt wurden!

Wie eigentlich immer bei Fernseh-Erfolgen ging der Hype irgendwann am Hype zugrunde. Was lange angesagt war, war auf einmal uncool geworden. Der Grund liegt auf der Hand: Es wurde viel zu viel und immer liebloser am Reißbrett produziert. Der ganz große Telenovela-Goldrausch in Deutschland scheint längst beendet. Auch wenn es noch "Überlebende" gibt ...

Zwei Überlebende

Übrig geblieben vom Hype sind zwei ARD-Serien, die man heute gar nicht mehr ohne Weiteres mit dem Label "Telenovela" in Verbindung bringen würde. Neben "Sturm der Liebe" (seit 2005, Montag bis Freitag, 15.10 Uhr) halten die Fans auch dem Dauerbrenner "Rote Rosen" (Montag bis Freitag, 14.10 Uhr) die Treue. Seit 2006 wird im beschaulichen Lüneburg gedreht, im September stand wieder einmal ein Jubiläum ins Haus: Im Ersten lief die 2500. Folge des TV-Romans. Die beliebten ARD-Telenovelas wurden erst kürzlich um jeweils 400 Folgen verlängert.

"Beide Formate erreichen bereits seit über einem Jahrzehnt unter der Woche ein Millionenpublikum im Ersten, aber auch in den Wiederholungen in den Dritten Programmen sind sie erfolgreich", lobte zu diesem Anlass Christoph Hauser, ARD-Koordinator Tages- und Familienprogramm.

Im ersten Halbjahr 2017 erreichte "Rote Rosen" laut ARD durchschnittlich 1,52 Millionen Zuschauer, "Sturm der Liebe" wollten 1,86 Millionen Zuschauer sehen – das entspricht einem Marktanteil von 14,7 Prozent beziehungsweise 15,5 Prozent. Nein, ein neuer Hype scheint nicht zu drohen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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