Ramos-Song und Co.

Diese Satiriker stecken hinter den Youtube-Videos von Wumms

von Eric Leimann

Dennis Kaupp und Jesko Friedrich arbeiten normalerweise beim NDR-Satiremagazin "extra 3". Mit ihren Songs und Internet-Clips über Fußball-Megastars wurden die leidgeprüften Fans des VfB Stuttgart beziehungsweise des HSV überraschend zu YouTube-Megastars.

Tippt man in Suchmaschinen Ronaldo, Messi, Neymar oder Sané ein, kommt als zweiter Vorschlag hinter den jeweiligen Namen der Fußball-Megastars der Begriff "Song". Es muss sich also um ein sehr populäres Phänomen handeln. Verantwortlich für die ziemlich witzigen Satire-Clips, die sämtlich auf schamlos geklauten, umgetexteten Pophits beruhen, sind Dennis Kaupp und Jesko Friedrich. Die Grimme-Preisträger arbeiten normalerweise für die Redaktion des NDR-Satiremagazins "extra 3". Mit ihren Fußballparodien wurden die Männer jenseits der 40 nun zu Internet-Stars.

Dennis' und Jeskos Fußball-Songs unter der Rubrik "Wumms" sowie ihre ebenfalls dem runden Leder verpflichtete anarchische Cartoon-Show "Monsters of Kreisklasse" produzieren sie eigentlich für funk, das Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Beide Sendungen führen mit Abstand die Liste der meist geklickten Formate des jungen, öffentlich-rechtlichen Streamingdienstes an. Für "Monsters of Kreisklasse" haben sie gerade den Civis-Medienpreis in der Kategorie "Fußball und Integration" gewonnen. Ihr erfolgreichster Clip, der Ramos-Song, erreichte bei YouTube fast 30 Millionen Klicks.

prisma: Sie singen Songs über Fußballer, die auf ziemlich bekannten Pop-Hits basieren. Wann ist die Idee mit den Fußball-Songs entstanden?

Jesko: Das war im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2014. Damals gab es zwei Ausgaben einer satirische Fußballschau mit Micky Beisenherz auf NDR. Für dieses Format produzierten wir die ersten satirischen Fußballclips. Die Sendung war kurzlebig, aber "Wumms" blieb im Netz bestehen. Richtig durch die Decke ging dann der "Rambo Ramos"-Song. Vielleicht, weil alle nach dem üblen Foul gegen Salah einen Riesenbrass auf den hatten. Es war der richtige Song zur richtigen Zeit. Mittlerweile geht der Clip auf die 30 Millionen Klicks zu.

prisma: Sie verdienen kein Geld damit. Fühlt man sich trotzdem als YouTube-Star?

Dennis: Ja, ein bisschen. Auch wenn wir als Herren mittleren Alters, die beim NDR arbeiten, anfangs mit dieser Rolle gefremdelt haben. Aber es ist auch toll. Man ist plötzlich Teil der Popkultur. Wir bekommen React-Videos von Kids aus der ganzen Welt, die unsere Songs singen. Wir sind da so reingerutscht. Man bezeichnet uns tatsächlich als YouTuber (lacht), was ich seltsam finde, weil das in unserem Konzept nie vorgesehen war. Neben den Fußball-Songs gibt es noch unsere animierte Fußball-Show "Monsters of Kreisklasse". Die geht im Netz auch ziemlich durch die Decke, vor allem bei jungen und ganz jungen Fans.

prisma: Und das mit Formaten, die vom öffentlich-rechtlich Rundfunk kommen ...

Jesko: Ja, das ist toll. Wir sind mit 190 Millionen Klicks das mit Abstand erfolgreichste Format auf funk. Wir machen, wenn man die "extra 3"-Lieder dazu nimmt, etwa alle zwei Wochen einen neuen Song. Die Leute warten schon auf den nächsten Clip, das macht natürlich Spaß.

prisma: Wie lange lassen sich die Fußball-Songs fortsetzen?

Dennis: Wir werden in Zukunft ein bisschen haushalten müssen. So viele internationale Stars gibt es nicht mehr, die wir noch nicht besungen haben. Natürlich machen wir auch Songs über Mannschaften. Eintracht Frankfurt haben wir gerade gehuldigt. Wir haben auch einen Song über den BVB und über die saisonale Dauerkrise von Schalke 04 gemacht. Vor allem der FC Bayern bietet immer wieder wunderbares Material für Satire. Trotzdem ist dieses Konzept natürlich endlich.

Jesko: Ja, das Ende ist in Sicht. Irgendwann haben wir die großen Vereine alle durch. Ich weiß nicht, ob wir noch Songs über Bochum, Paderborn und Bielefeld machen werden (lacht).

prisma: Welche Fußball-Hymnen kommen noch auf jeden Fall?

Dennis: Von den großen Stars fehlen uns noch Mbappé und Ibrahimovic. Auf letzteren habe ich auf jeden Fall total Bock – spätestens zum Karriereende, das ja nicht mehr fern ist. Der Mann muss einfach gewürdigt werden.

prisma: Wie gehen Sie vor, wenn Sie einen neuen Song über einen Spieler oder einen Verein planen?

Jesko: Der erste Schritt ist, das passende Lied zu finden. Der Song muss stehen, bevor wir in die Bilder-Recherche gehen. Schön ist es immer, wenn etwas gleich klingt. Bei "extra 3" haben wir meist ältere Songs, denn der Zuschauer dort ist tendenziell 60 Jahre alt. Bei "Wumms" arbeiten wir mit aktuelleren Hits. Den Sané-Song haben wir auf "High Hopes" von Panic! At The Disco geschrieben. Das hat super gepasst, aber da sagen auch schon mal Ältere: Warum habt ihr nicht von Udo Jürgens "Aber bitte mit Sahne" genommen (lacht). Musik ist eben auch eine Generationsfrage. Andererseits ist es faszinierend, dass sich bei unseren Fußballsongs und Videos tatsächlich zwei oder drei Generationen treffen und darüber ins Gespräch kommen.

Dennis: Um darauf zurückzukommen, wie die Songs entstehen – da ist Gleichklang eine super Hilfe. Das Lied über Neymar haben wir auf "Hey Ya!" von Outkast getextet. Der Song über Lionel Messi beruht auf "Happy" von Pharrell Williams. Aus Taylor Swifts "Shake it Off" wird "Was ist mit Schalke los?". Das passt einfach und ist dann ein guter kreativer Start.

prisma: Wie finden Sie die richtigen Bilder zum Song?

Jesko: Da sind YouTube und die sozialen Medien eine riesige Fundgrube. Man findet dort unendlich viele skurrile Szenen und Sprüche, die wir auch gerne in die Reime des Songs einbauen. Natürlich sind auch "Fails", also Missgeschicken, die wir im Internet gefunden haben, eine Spezialität unserer Songs. Im Netz findet man dazu endlose viel Material – aber man muss die Perlen identifizieren. Manchmal ist der einzelne "Fail" gar nicht so lustig, aber im neuen Zusammenhang des Songs einfach perfekt. Solche kleinen Szenen gilt es zu finden.

prisma: Ein Video ist oft nur ein bis anderthalb Minuten lang. Wie viel Zeit brauchen Sie für einen Song?

Dennis: Die Bildrecherche und das Texten dauern etwa zwei Tage. Danach geht es ins Studio, wo ich alle Stimmen singe. Bei Messi und Neymar waren es bis zu vier Stimmen. Danach folgt der Schnitt, der dauert etwa acht Stunden. Die Playbacks werden von Uwe Frenzel hergestellt, das ist der Bassist von Texas Lightning, unser musikalischer Partner und ein sehr guter Freund. Es spielt alle Instrumente – mit viel Liebe. Und unser Produzent Markus Baier mischt und mastert das Ganze dann zu purem Gold.

prisma: Hat sich schon mal ein Fußballstar über Ihre Videos beschwert?

Dennis: Wir haben mal einen Uli Hoeneß-Song für "extra 3" gemacht, damals zur Steueraffäre. Darüber hat sich nicht Uli Hoeneß beschwert, aber einige Münchner Medien. Die haben uns gefragt, wie wir es wagen können, Uli Hoeneß so zu beleidigen. Ich fand es damals interessant, wer sich da zum Anwalt gegen Satire machte. Von den Stars selbst, die wir besingen oder persiflieren, kam noch nie eine Beschwerde.

prisma: Es würde wahrscheinlich auch keinen Sinn machen, sich gegen populäre Satire und Comedy zu beschweren. Man kann dabei nur verlieren – oder?

Dennis: Nein, bisher hat sich nur Erdogan, über den wir noch vor Böhmermann einen Song gemacht haben, über unsere Satire beschwert und versucht, sie zu verhindern. Aber er hat ja auch eine besondere Einstellung gegenüber demokratischen oder presserechtlichen Prinzipien. Normalerweise gibt sich kein Star die Blöße, auf unsere Sachen zu reagieren. Aber so ein Leroy Sané kriegt natürlich mit, dass es da diesen Song über ihn gibt.

prisma: Wie ist das mit den Bildrechten? Ist das heikel?

Dennis: Fußballstars sind Figuren des öffentlichen Lebens, da darf man als Satiriker und Journalist etwas mehr. Ungemütlich wird es nur, wenn wir Spielszenen zeigen wollen, die von den Rechteinhabern mit Löwenklauen verteidigt werden. Deshalb verzichten wir weitgehend auf solche Szenen. Andererseits teilen die Spieler mittlerweile unglaublich viele Szenen aus ihrem Leben über soziale Medien. Sie teilen sie freiwillig mit der ganzen Welt, weshalb es meiner Meinung nach absurd wäre, wenn man gegen unsere Verwendung solcher Szenen vorgehen würde.

Jesko: Wir gelten rechtlich als "Gesamtkunstwerk", weil wir die Bilder in einen anderen Kontext stellen und so ein neues Kunstwerk schaffen. Dies ist zumindest die Meinung unserer Juristen. Wir berufen uns auf Paragraf 24 des Urheberrechts, der die Ausnahmen der in Paragraf 23 geregelten Bildrechte benennt. Parodien werden ausdrücklich von diesem Paragrafen gedeckt.

prisma: Bekommen Sie vom eigenen Starruhm etwas mit?

Dennis: Bislang nicht. Uns als Person oder unsere Gesichter kennt ja fast keiner, was auch seine Vorteile hat. Natürlich ist es unglaublich, wenn du ein paar Tage an etwas gearbeitet hast, dann lässt du es raus – und es ist innerhalb kürzester Zeit Platz eins bei den YouTube-Trends. Meine Stimme kennen nun Millionen von Leuten, aber sie wissen nicht, dass ich das bin. Schön ist auch, wenn Kids auf der Straße oder auch Ältere Sprüche aus unseren Videos zitieren und sie so zum geflügelten Wort werden. Wenn man das im Alltag mitbekommt, dann weiß man, wofür man gearbeitet hat. Diese Momente reichen uns eigentlich als Belohnung und Ruhm.

prisma: Kann man Ihre Kunst irgendwann live sehen?

Jesko: Ja, tatsächlich. Das haben wir vor. Im November 2019 planen wir, mit "Wumms" auf Tour zu gehen. Da werden wir dann voraussichtlich Songs aufführen, aber auch andere Sachen machen. Das wird eine Mischung aus Konzert, Videos und Stand-up. Dazu gibt es "Monsters of Kreisklasse live". Wir zeigen die Filme werden unsere projizierten Charaktere selbst sprechen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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