Sozialmärchen im Ersten

"Schöne heile Welt": Richy Müller entdeckt sein gutes Herz

von Hans Czerny

Ein griesgrämiger Hartz IV-Empfänger nimmt einen Flüchtlings-Jungen unter seine Fittiche – schon bald erlangt er seine Lebensfreude zurück. Doch die Idylle ist bedroht...

ARD
Schöne heile Welt
Komödie • 20.02.2019 • 20:15 Uhr

Arbeiten gehen? Davon hält Willi (Richy Müller) nicht viel. Seit der Elektromeister seinen Job verloren hat, macht er sich einen schönen Lenz – auf Kosten des Staats. Denn er kennt alle Tricks und Schlupflöcher, mit denen er sich über Wasser halten kann. Gefrustet von seinem Dasein hat er sich über die Jahre in einen selbstgerechten Menschenfeind entwickelt. Doch unter der harten Schale steckt ein weicher Kern. Als der junge afrikanische Flüchtling "Franz" (N'Tarila Kouka) in sein Leben tritt, wird Willis Alltag gehörig auf den Kopf gestellt. "Schöne heile Welt", die Geschichte einer wundersamen Wandlung, ist fast so schön wie die Weihnachtsgeschichte bei Charles Dickens. Die ARD zeigt den Film wenige Monate nach dessen TV-Premiere bei ARTE nun zur besten Sendezeit.

Ein rechter Chauvinist und Rassist ist er, dieser Willi – liebenswert ist auf den ersten Blick so gar nichts an ihm. Doch das täuscht. Hauptdarsteller Richy Müller lässt die guten Seiten seiner Figur immer wieder durchschimmern, seine Charakterentwicklung ist zu jeder Zeit glaubhaft – ein Verdienst des Stuttgarter "Tatort"-Kommissars. Denn die rüpelhafte Art des verhärmten Hartz-IV-Empfängers ist lediglich Fassade, ein Schutzschild, um sich der Welt und all ihrer unschönen Seiten zu entziehen. Als Willi den beiden Afrikanerinnen Ucheanna (Claudia Mongumu) und Gimbya (Jeanne Déprez) illegalerweise die Wohnung einer verstorbenen Nachbarin "vermietet", nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Denn zusammen mit den beiden Frauen zieht auch Ucheannas Sohn mit ein. Weil Willi den Jungen nicht versteht, nennt er ihn kurzerhand Franz. Anfänglich spannt er ihn nur für seine persönlichen Zwecke ein, doch Willi schließt Franz immer mehr ins Herz und wird zu seinem Ersatz-Papa. Auch die Kommunikation gelingt – wortlos oder über ein paar Brocken Deutsch, die der Junge mit französischem Akzent wiedergibt: "Chinesenscheißdreck" ist einer der Begriffe, die er von Willi lernt, als sich der ehemaliger Elektriker wieder mal über Elektroprodukte "made in China" echauffiert. Sogar das Schlittschuhlaufen bringt ihm der eislaufkundige Griesgram bei, so wie er es einst bei seinem eigenen Sohn getan hat. Zu diesem hat Willi allerdings seit Jahren keinen Kontakt mehr. Und das macht ihm schwer zu schaffen ...

Auch wenn "Schöne heile Welt" ein tragikomisches Sozialmärchen ist – die harte Lebenswirklichkeit von Menschen am Rande der Gesellschaft wird nicht ausgespart: Gewalt und Missbrauch bedrohen die Idylle. Regisseur und Autor Gernot Krää wartet mit einem großartigen Drehbuch auf, das die Figuren immer wieder vor haushohe Probleme stellt. Auch wenn der Exkurs in fantastische Gefilde und der kitschige Unterton gen Ende fragwürdig sein mögen, dem ehemaligen Fassbinder-Assistenten und mehrfachen Kinderfilm-Preisträger Krää ist mit "Schöne heile Welt" noch einmal ein gesellschaftskritischer, hochaktueller Film gelungen, der ganz unverkrampft beweist: Manchmal benötigt man nur einen Schubs in die richtige Richtung, um Ängste und Vorurteile zu überwinden.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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