"Jobmaschine" für deutsche Filmschaffende

Strategiewandel bei RTL: Wie der Sender sein Publikum binden will

von Eric Leimann

RTL setzt mit einer "Serienoffensive" auf eine neue Strategie. Mit Formaten wie "Bad Cop", "Sankt Maik" oder "Lifelines" sollen TV-Zuschauer langfristig an den Sender gebunden werden. Als Vorbild taugt die Serie "Der Lehrer", die zunächst mäßig gestartet ist, mittlerweile aber solide Quoten erzielt.

Es ist noch nicht lange her, da schien sich RTL vom Genre Fiction weitgehend verabschiedet zu haben. Außer einem Eventfilm pro Jahr und dem Action-Dauerbrenner "Alarm für Cobra 11" fand sich kaum noch etwas Inszeniertes im Programm, sieht man von "Scripted Reality"-Fake-Dokus, ab. Seit der stets distinguiert wirkende Medienmanager Frank Hoffmann die Controllerin Anke Schäferkordt als Geschäftsführer des größten deutschen Privatsenders ablöste, hat sich diese Strategie jedoch klar verändert. Fiction, vor allem im Serienformat, wird in Zukunft mehr und mehr das RTL-Programm bestimmen. Am Montagabend stellten die Kölner TV-Macher fünf neuen Serien in Hamburg vor. Bei neun weiteren Stoffen hat man sich bereits für eine Produktion entschieden. Das klingt nicht nur üppig, sondern ist es auch. Was genau passiert da bei RTL? Und wer soll das alles sehen? Der Versuch einer Erklärung.

Geklatscht wurde viel am Montagabend in der "Trend Küche" nahe des Hamburger Fischmarkts. Unter der durchaus ironischen Moderation Jan Köppens applaudierte man Schauspielern, aber auch Autoren und anderen Fernsehmachern für das, was RTL leicht martialisch als "Serienoffensive" bezeichnet. Bereits am kommenden Donnerstag, 21. September (21.15 Uhr), startet "Bad Cop – Kriminell gut" mit David Rott. Der ehemalige Darsteller des jungen Udo Jürgens im Biopic "Der Mann mit dem Fagott" spielt einen Kriminellen, der nach dem Tod seines Zwillingsbruders, eines Kripo-Beamten mit Familie, dessen Rolle übernimmt. Die Kriminalkomödie lebt vor allem von ihrem gut aufgelegten Hauptdarsteller und Action-reichen Hamburg-Bildern. Eine Qualitätsserie, die Furore machen wird, ist "Bad Cop" jedoch mit Sicherheit nicht.

Das Ziel, am Abend nach der Emmy-Verleihung in Los Angeles mit ähnlichen Qualitäts-Leuchttürmen des Genres Serie auf sich aufmerksam zu machen, dürfte RTL nie im Sinn gehabt haben, als man sich beim Privatsender für besagte Offensive entschied. Dies kann man dem Unternehmen auch nicht verdenken, schließlich scheitern sämtliche anspruchsvollen Serien seit Jahren im deutschen Free-TV an schlechten Einschaltquoten. Gerade RTL machte mit dem hochgelobten und mit Preisen überschütteten "Deutschland 83" schmerzliche eigene Erfahrungen. Die zweite Staffel der Agenten-Story, "Deutschland 86" heißt sie, wanderte deshalb zu Amazon Prime, wo sie 2018 zu sehen sein wird.

Nein, bei RTL geht es darum, mit Serien auf eine Art und Weise zu unterhalten, die man für fast schon überholt hielt. Die sich aber wirtschaftlich zu rechnen scheint: Serienfernsehen mit klar abgegrenzten Episoden, scharf geschnittenen Plots und eher traditionellen Helden, die dem Publikum sofort verständlich sind.

Vier weitere Serien starten 2018

Was genau kommt also? 2018, ein genaueres Datum war von den RTL-Verantwortlichen nicht zu erfahren, starten nach "Bad Cop" vier weitere Serien, von denen Trailer gezeigt werden. Dabei wirkt "Sankt Maik" wie eine zweite Version von "Bad Cop", weil von einem Trickbetrüger (Daniel Donskoy) erzählt wird, der in das Leben eines katholischen Pfarrers übernimmt. Die Camouflage-Komödie (Autorin: Vivien Hoppe, "Der Lehrer") macht keinen schlechten Eindruck, vor allem wenn man das überzogen clowneske, an Peter Sellers erinnernde Spiel von Newcomer-Hauptdarsteller Daniel Donskoy mag.

Noch ein weiteres Format setzt auf Helden, die sich in einem "falschen Leben" beweisen müssen. "Jenny – echt gerecht" mit Musikerin und Schauspielerin Birte Hanusrichter taucht in das Leben einer alleinerziehenden Mutter aus einfachen Verhältnissen ein, die sich einen Job als Anwaltsgehilfin ergaunert. Die Serie der Autorinnen Sabrina M. Roessel und Sabine Leipert ("Alarm für Cobra 11") stellt den Gegensatz von Recht und Gerechtigkeitsempfinden in den Vordergrund – neben dem Interesse der Hauptfigur für ihren Chef (August Wittgenstein), so dass man von einem Versuch sprechen darf, noch einmal so etwas wie "Danni Lowinski" zu versuchen.

Ebenso für ein eher weibliches Publikum gedacht ist die eher konventionell wirkende Medical-Dramedy "Lifelines" (Buch: Annica Heine). Jan Hartmann ("Sturm der Liebe") spielt einen ehemaligen Truppenarzt, der seinen neuen Job in einer Kölner Klinik antritt. Dort trifft er auf eine neue Kollegin, die gleichzeitig seine alte Liebe ist (Susan Hoecke).

Schließlich gab es noch Bilder von "Beck is Back" zu sehen. Die ebefalls komödiantische Krimiserie erzählt von einem vierfachen Vater und Hausmann (Bert Tischendorf), der, nachdem seine Frau fremd gegangen ist, den späten Berufseinstieg als Pflichtverteidiger wagt. Seine Fälle löst Hannes Beck, so der Rollenname, mit Haushaltshilfe Jasmina (Andreja Schneider), die in ihrem Heimatland Kroatien einst als Richterin arbeitete.

Die angenehm wurstige Krimikomödie von Autor, Comedian und Produzent Tommy Wosch schafft immerhin ein Spiel mit unkonventionellen Charakterkonstellationen, was man von der vorgestellten Sitcom "Beste Schwestern" (Autor: Mark Werner) mit Mirja Boes und Sina Tkotsch wohl nicht erwarten kann. Das Comedy-Produkt erzählt von einer großen Schwester (Boes), die bereits früh eine Art Mutterrolle für das verspielte Nesthäkchen (Tkotsch) ausfüllen musste und aus der ungewollten Rolle im Erwachsenenalter nicht mehr rauskommt. Ebenfalls im Sitcom-Segment ist die bereits im Januar 2017 gestartete Serie "Magda macht das schon" angesiedelt, von der nun Staffel zwei vorgestellt wurde. Die Episoden um eine patente polnische Altenpflegerin (Verena Altenberger), die das Leben einer überlasteten Familie organisiert, bekam nicht nur gute Kritiken, sondern holte auch starke Quoten.

"Der Lehrer" mit Hendrik Duryn als Vorbild

Es wäre RTL sicher recht, wenn dies nach "Bad Cop" am Donnerstagabend 2018 auch dem ein oder anderen neu vorgestellten Format gelänge. Klar dürfte sein, dass sich RTL mit seiner neuen, "auf Strecke" geplanten Programmstrategie Marken aufbauen will, die ein ausreichend großes Publikum langfristig binden. Als Vorbild könnte die Serie "Der Lehrer" mit Hendrik Duryn fungieren, die 2009 mit mäßigen Quoten startete, sich aber über die Jahre zu einem sehr soliden Publikumsmagneten entwickelte. Vielleicht, so könnte die Strategie des Senders lauten, muss man Serie nicht neu erfinden und auch keine hochkomplexen, ambivalenten Charaktere erschaffen – wie in den sogenannten Qualitätsserien – um im privaten Free TV zu reüssieren. Eher könnte es darum gehen, auf erwartbar launige Marken mit angenehmen "Alltagsbegleitern" zu setzen.

Jetzt schon von der RTL-Serienoffensive begeistert sind die deutschen Produzenten, Drehbuchautoren, Schauspieler und das technische-kreative Filmpersonal im Hintergrund. "Wir wollen das Thema Serie bei RTL durchaus nachhaltig angehen", verriet RTL-Fictionchef Philipp Steffens am Ende der Präsentation in Hamburg. "Wir haben in diesem Jahr über 100 Drehbücher in Auftrag gegeben. Fünf weitere Stunden-Serien und vier Sitcoms sind neben den heute präsentierten Formaten in Vorbereitung." Der Sender RTL, den man in Sachen Fiction über Jahre belächelte, scheint sich derzeit zumindest in Sachen Quantität zu einer wahren Jobmaschine für deutsche Filmschaffende zu entwickeln. Ob das auch dem Zuschauer bei seiner Freizeitgestaltung hilft, bleibt abzuwarten.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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