Moderatorin von "The Biggest Loser"

Christine Theiss: "Menschen schicken mir Vorher-Nachher-Bilder"

von Sarah Kohlberger

In der SAT.1-Show "The Biggest Loser" versuchen übergewichtige Kandidaten, ihr Gewicht zu reduzieren. Die Moderatorin Dr. Christine Theiss verrät, worauf es beim Abnehmen ankommt – und wie sie selbst bei ihrem Idealgewicht bleibt.

Seit 2009 nehmen übergewichtige Kandidaten bei der SAT.1-Abnehm-Show "The Biggest Loser" teil, um mithilfe von Profis ihr Gewicht zu verringern. Auch in diesem Jahr geht es den ungeliebten Pfunden wieder an den Kragen: Ab Sonntag, 5. Januar, 16.30 Uhr, und danach immer sonntags, 17.30 Uhr, verhelfen die beiden Trainer Ramin Abtin und Petra Arvela den Teilnehmern zu ihrem neuen Traumgewicht. Moderiert wird die Sendung seit 2012 von Dr. Christine Theiss. Die 39-Jährige startete ihre Karriere als Profikickboxerin und gewann 23-mal den Weltmeistertitel. 2013 beendete sie ihre Profisportkarriere und widmete sich anderen Projekten. Im Interview verrät die Mutter einer Tochter, warum es sie vor ihrem 40. Geburtstag graut.

prisma: Was bedeutet für Sie der Begriff "schön"?

Dr. Christine Theiss: Das klassische Schönheitsideal wechselt alle paar Jahre, aber im Großen und Ganzen gelten Menschen mit relativ symmetrischen Gesichtszügen als schön, wo alles ungefähr im Normbereich ist. Aber das ist nur die äußere Schönheit. Ich kenne viele Menschen, die auf den ersten Blick nicht schön sind. Auf den zweiten dann aber schon, weil sie eine unglaublich positive Energie versprühen. Das ist tausendmal wichtiger. Ein schöner Mensch in einer Hülle ist für mich nicht schön, sondern adrett.

prisma: In "The Biggest Loser" geht es weniger um Schönheit, sondern in erster Linie ums Abnehmen. Was fasziniert die Zuschauer daran?

Theiss: Die Zuschauer merken, dass unsere Kandidaten echt und ihre Geschichten nicht gescripted sind. Sie sehen, dass sie ihr Gewicht tatsächlich verlieren, wir können sie schließlich nicht durch eine Zaubertür schieben, aus der sie schlank herauskommen. Da stecken harte Arbeit und Verzicht dahinter, begleitet von echten Emotionen und Kampfgeist. Außerdem motiviert es extrem viele Leute vor dem Fernseher, selbst aktiv zu werden.

prisma: Bekommen Sie das mit, dass Zuschauer durch die Sendung selbst zum Abnehmen motiviert werden?

Theiss: Ja, regelmäßig. Die Menschen schreiben mir und schicken Vorher-Nachher-Bilder von sich, manchmal mit Gewichtsabnahmen von bis zu 50 Kilo. Das sind schöne Ergebnisse, denn es sind ganz normale Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie es machen sollen und sich uns anvertrauen.

prisma: Was macht die Sendung für Sie persönlich so spannend?

Theiss: Ich liebe es, zu sehen, wie unsere Kandidaten Dinge schaffen, die sie sich selbst nie zugetraut hätten. Wie sie bärenstarke, sportliche Leistungen erbringen, und plötzlich zäh werden ohne Ende. Und ich finde es großartig, dass sie es schaffen, ihr Leben komplett umzukrempeln.

prisma: In den USA hat der Ernährungswissenschaftler Kevin Hall festgestellt, dass viele Teilnehmer von "The Biggest Loser" nach ein paar Jahren wieder genauso viel wogen wie vor der Show. Nach dem recht schnellen Abnehmen hat sich der Stoffwechsel verlangsamt, der Grundumsatz gesenkt und sich nicht wieder normalisiert, aber der Appetit sich verstärkt. Ist nach diesem Wissen eine Teilnahme an "The Biggest Loser" zu empfehlen?

Theiss: Das ist kein Problem von "The Biggest Loser", sondern grundsätzlich das Problem einer Gewichtsabnahme. Wir geben unseren Kandidaten ganz klare Ratschläge, wie sie den Körper langsam wieder daran gewöhnen und die Rationen steigern. Wir versuchen, unseren Kandidaten beizubringen: "Bei allem Ehrgeiz, den ihr habt, bitte nicht hungern." Beim Abnehmen muss man sein Leben komplett ändern. Wenn man nur bis zu einem gewissen Punkt arbeitet und danach wieder so weitermacht wie zuvor, dann wird das nicht funktionieren.

prisma: Was kann man dann tun?

Theiss: Dieser Ratschlag kommt bei unseren Kandidaten zu spät, aber der beste und einfachste Weg abzunehmen ist, nicht dick zu werden. Es ist immer schwieriger, Gewicht zu verlieren und zu halten, als es gar nicht erst draufzukriegen. Prävention ist das entscheidende Stichwort. Bei Diäten kann sich der bekannte Jojo-Effekt einstellen. Deswegen versuchen wir, unsere Kandidaten genau auf diese Situation vorzubereiten und ihnen zu sagen: "Euer Kampf beginnt eigentlich erst nach dem Ende von 'The Biggest Loser."

prisma: Schaffen es die ehemaligen Teilnehmer, ihr Gewicht zu halten?

Theiss: Ich bin mit vielen Teilnehmern in Kontakt. Es gibt Kandidaten, die schaffen das, und es gibt welche, die es nicht schaffen. Für mich ist tatsächlich nicht die Zahl entscheidend, sondern dass die Kandidaten Sport treiben, sich bewegen und für sich selbst wieder ein selbstbestimmtes Leben führen können. Es ist ein absolutes Highlight, wenn ein Kandidat zu mir kommt und sagt: "Chrissi, ich konnte heute früh meinen Schuh zubinden." Mir geht's darum, dass unsere Kandidaten sich am Ende in ihrer Haut wieder wohlfühlen, dass sie wie jeder andere Mensch am Leben teilnehmen können und im Idealfall nicht mehr blöd angeschaut werden.

prisma: Der Autor Tommy Tomlinson erklärte mal, dass Diäten gut sind, wenn man zehn Kilo zu viel hat. Bei 100 Kilo aber müsse man sich fragen, welches Loch man in seinem Leben mit Essen stopfe. Stimmen Sie dem zu?

Theiss: Ja, definitiv. Kein Mensch ist gerne übergewichtig. Und die wenigsten sind übergewichtig, weil sie nur essen, sondern meistens steckt noch viel mehr dahinter. Genau das versuchen wir in der Sendung herauszufinden. Manche Kandidaten sind schnell offen, manche sperren sich, aber wenn es erst mal raus ist, ist das für die Teilnehmer ein unglaublicher Befreiungsschlag und auch oft der Moment, wo es dann plötzlich funktioniert.

prisma: Bei "The Biggest Loser" beschäftigen sich die Kandidaten über Wochen fast mit nichts anderem als mit der Reduzierung ihres Gewichts. Wie können Menschen in einem "normalen" Alltag abnehmen, die nicht so viel Zeit haben?

Theiss: Bei uns herrschen Idealbedingungen, das stimmt. Aber auch unsere Kandidaten sind nur zehn Wochen bei uns im Camp und müssen danach bis zum Finale alleine klarkommen. Sie werden weiterhin von unseren Trainern betreut, aber natürlich nicht mehr rund um die Uhr. Uns ist bewusst, dass das für die Menschen daheim so nicht eins zu eins machbar ist. In der Sendung und online verraten wir viele Tipps, wie die Kandidaten und Zuschauer das zu Hause am besten schaffen.

prisma: Wenn Sie schon von Tipps sprechen: Haben Sie Motivationstipps nach dem oft kulinarisch vielfältigen Weihnachtstrubel?

Theiss: Das ist jetzt eigentlich schon zu spät. (lacht) Aber tatsächlich bin ich der Meinung, was schnell drauf ist, ist auch schnell wieder runter. Man muss sich nur sofort darum kümmern. Am Anfang braucht man eine ehrliche Bilanz: Wo stehe ich? Wo will ich hin? Was esse ich? Am besten ist es, alles aufzuschreiben. Dann muss man sich realistische Ziele setzen.

prisma: Was wären denn realistische Ziele?

Theiss: Für einen erwachsenen Mann ein Kilo in der Woche, für eine Frau 500 Gramm. Am Anfang werden es mehr sein, zwischendurch wird es stagnieren, das ist völlig normal. Man darf nicht immer an die große Zahl denken, sondern an kleine Schritte. Den Sport am besten im Kalender vermerken. Und natürlich sich bewusst die Zeit für Sport und Essen nehmen. Es ist zwar ein Trend, aber eigentlich ist Intervall-Fasten nicht so doof. Das ist deutlich sinnvoller als Diäten, bei denen man in den Hungermodus kommt und auf Dinge verzichtet.

prisma: Was ist Ihrer Meinung nach wichtiger beim Abnehmen: Sport oder Ernährung?

Theiss: Ich persönlich halte beides für total wichtig. Es gibt aber Menschen, bei denen spielt die Ernährungskomponente eine größere Rolle, und es gibt welche, bei denen spielt die sportliche Komponente eine größere Rolle. Jeder muss für sich selbst herausfinden, welcher Typ er ist.

prisma: Und welcher sind Sie?

Theiss: Ich laufe einfach länger und fokussierter, dann ist das Meiste schon wieder weg. Ich bin eher der, der es über den Stoffwechsel und den Sport macht. Aber beides zusammen ist das Ideale.

prisma: Auf was achten Sie besonders in Ihrer Ernährung?

Theiss: Ich sage immer: "Die Dosis macht das Gift." Ich esse nicht eine Tafel Schokolade auf einmal, sondern eine Rippe. Bei Chips kann ich das nicht: Wenn die Packung offen ist, ist sie weg, also kaufe ich sie nicht. Ansonsten esse ich viel Obst und Gemüse. Ich koche in der Regel selber oder gehe essen, aber es gibt niemals Fast Food oder Tiefkühlkost. Ich trinke meistens Wasser, weil ich keinen Bock habe, auf ein Essen zu verzichten, weil meine Kalorien wegen einer Fanta voll sind. Ich nehme wenig Fleisch zu mir, und wenn, dann hochwertiges Bio-Fleisch. Eine gesunde Mischung ist am besten. Wenn man sehr konsequent auf etwas verzichtet, wird der Körper das mit sehr viel Vehemenz zurückfordern.

prisma: Sie waren sieben Jahre lang Profikickboxerin. Vermissen Sie es, im Ring zu stehen?

Theiss: Nein. Es war ein extremer Aufwand, auf dem Niveau zu kämpfen. Ich habe alles geholt, was man gewinnen konnte, bin Rekordhalterin und habe 23 WM-Titel. Ich habe auf dem Höhepunkt meiner Karriere aufgehört, und das wollte ich auch so. Wenn ich mir meine Tochter anschaue, dann denke ich mir: "Ja, alles richtig gemacht." Ich vermisse nichts und bin in Frieden gegangen. Es war der perfekte Zeitpunkt.

prisma: Machen Sie in Ihrer Freizeit noch Kickboxen?

Theiss: So selten, dass es schon fast nicht mehr zählt. (lacht)

prisma: Mit welchem Sport halten Sie sich momentan fit?

Theiss: Die meiste Zeit gehe ich Laufen und verbinde das mit Krafttraining. Außerdem mache ich so gut wie jeden Tag Planks, also Unterarmstütz, in verschiedenen Varianten. Das reicht!

prisma: Gibt es eine Sportart, mit der Sie überhaupt nichts anfangen können?

Theiss: Tatsächlich habe ich kein Gespür für Sport, bei dem noch etwas anderes dazwischengeschaltet ist, wie Tennis zum Beispiel. Wenn noch ein Ball dabei ist, reizt mich das überhaupt nicht. Ich mag lieber Sportarten, wo ich selber aktiv bin, wie Skifahren oder Klettern.

prisma: Auf Instagram posten Sie fleißig Tierbilder von Ihren beiden Boxern und Ihrem Kater Apollo, den Sie auf der Straße gefunden haben ...

Theiss: Ja, die Leute wollen das sehen. Ich werde jeden Tag angeschrieben. (lacht)

prisma: Warum sind Haustiere so wichtig, besonders für kleine Kinder?

Theiss: Ich halte es für ganz wichtig, dass Kinder mit Tieren aufwachsen, um die sie sich in einem begrenzten Rahmen kümmern müssen. Ich merke, dass meine Tochter sehr viel Empathie empfindet und immer achtgibt. Sie geht zum Beispiel auch gerne mit unserem Hund Gassi. Ich bin natürlich immer dabei, aber die Initiative geht von ihr aus, und sie war auch diejenige, die sofort gesagt hat, dass wir den Kater nicht mehr hergeben. Ein Leben mit Tieren ist wichtig für die Persönlichkeitsbildung. Man lernt, auch auf andere Dinge zu achten, nicht nur auf sich selbst.

prisma: Wie war das bei Ihnen?

Theiss: Ich habe auch schon sehr früh als Kind angefangen, die komplette Verantwortung für einen Hund zu übernehmen. Ich kann mir vorstellen, dass das bei meiner Tochter irgendwann genauso sein wird. Ich bin sehr froh, dass wir ihr diese Möglichkeit bieten können.

prisma: Hatte Ihre Tochter Cosima nie Angst vor Ihren beiden doch recht großen Hunden, Osito und Hermes?

Theiss: Eigentlich nicht. Wir mussten ihr nur beibringen, dass sie das Tier respektiert und dass auch ein Tier seine Grenzen hat. Osito ist ein alter Hund, der am Anfang tatsächlich ein bisschen brummelig war. Aber seit dem Tag, an dem unsere alte Hündin gestorben ist, darf Cosima alles mit ihm machen. Das war sehr interessant, wie sich mit dem Tod eines Hundes innerhalb des Rudels sozusagen das Gefühl geändert hat. Und Hermes kennt sie, seitdem er drei Wochen alt ist. Mit ihm können Kinder alles machen, er hat eine Reizschwelle, die ist irgendwo am Mond oben. (lacht)

prisma: Sie sind auch für den Arbeiter-Samariter-Bund als Hundeführerin in der Rettungshundestaffel tätig ...

Theiss: Ja. Neben unserer Hauptaufgabe, nämlich der ehrenamtlichen Suche nach vermissten Menschen, übernehmen wir auch andere Aufgaben. Wir gehen beispielsweise mit unserer Hundestaffel in Kindergärten und erklären Kindern, worauf sie bei Hunden achten müssen. Wo kann man Hunde streicheln? Wie nähert man sich ihnen? Wie verhält man sich, wenn ein Hund angerannt kommt? Aber natürlich liegt die Verantwortung auch bei den Hundebesitzern, ihre Hunde entsprechend zu erziehen. Das ist keine Einbahnstraße.

prisma: Sie haben Medizin studiert und sind promovierte Ärztin. Warum hat es Sie dann aber doch in die Profisportler-Karriere gezogen?

Theiss: Ich bin kurz vor Ende des Studiums Weltmeisterin geworden. Mein damaliger Trainer Mladen Steko und ich haben gemerkt, dass das eigentlich nicht das Ende ist, wie ursprünglich gedacht, sondern dass da gerade erst etwas beginnt. Da haben wir beschlossen, es mit einer Profilaufbahn zu probieren. Meine Bedingung war, dass ich auch Geld verdiene, weil ich nicht 13 Semester Medizin studiere und dann von Luft und Liebe in München lebe. Dazu ist die Stadt zu teuer. (lacht) Aber er hat es wirklich geschafft, Sponsoren zu finden, die so viel gezahlt haben, wie ich als Assistenzärztin verdient hätte. Daraus wurde eine Erfolgsgeschichte, mit der wir eigentlich nicht gerechnet hatten.

prisma: Können Sie manchmal Ihr Wissen vom Studium in "The Biggest Loser" anwenden?

Theiss: Ja, man kann manches durchaus einschätzen. Ist es etwas Ernstes, oder doch nur Muskelkater? Auch wenn ich jetzt nicht als Ärztin tätig bin, war es ein fantastisches Studium mit unglaublich tollem Wissen. Man hat ein ganz anderes Verständnis für den Körper, für den Menschen und es hat mir auch während meiner Profisportkarriere immer wieder geholfen, mich selbst und meinen Körper einzuschätzen. Ich würde in meinem Leben alles genauso machen wie bisher.

prisma: Sie werden im Februar 40 Jahre alt. Erschreckt Sie die Zahl manchmal?

Theiss: Ich finde sie ganz gruselig. (lacht) Seit meinem 39. Geburtstag graut es mir vor diesem vierzigsten. Deswegen haue ich mit meinem Mann und meiner Tochter ab, mache ein ruhiges verlängertes Wochenende und hoffe, dass keiner daran denkt, dass ich 40 geworden bin. Wenn dann der Tag vorbei ist, werde ich merken, dass ich immer noch lebe, dass sich alles ganz genauso anfühlt, und dass das Leben weitergeht. Aber bis dahin graut es mich, ja.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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