Frankfurter "Tatort: Dunkelheit"

"Tatort"-Sensation: Neue Ermittler brechen mit uralter Krimi-Tradition

30.09.2025, 18.01 Uhr
Der neue Frankfurt-"Tatort: Dunkelheit" mit Melika Foroutan und Edin Hasanovic setzt neue Akzente in der Krimi-Landschaft. Statt Täter stehen die Opfer im Fokus, und die Ermittler arbeiten akribisch an Altfällen. Ein innovativer Ansatz, der sowohl überrascht als auch berührt.

Melika Foroutan und Edin Hasanovic sind die neuen Frankfurt-Ermittler. Ihr Debüt "Tatort: Dunkelheit" (Sonntag, 5. Oktober, 20.15 Uhr, Das Erste) beschreitet neue Krimi-Wege: Nicht mehr die Täter, sondern die Opfer stehen im Mittelpunkt.

Dies hat damit zu tun, dass die Kommissare akribisch an Altfällen arbeiten und Angehörige aufsuchen, um zu erfahren, was passiert sein könnte. Dabei kommen sie dem Schmerz des Verschwindens lieber Menschen, der Ungewissheit und sinnlosen Gewalt ziemlich nahe. Im Interview erzählt Kult-Schauspielerin Melika Foroutan ("KDD – Kriminaldauerdienst"), wie sie ihren Spielpartner kennenlernte, als dieser zwölf Jahre alt war und warum es schön ist, dass beide Ermittlerrollen wie ihre Darsteller persische beziehungsweise bosnische Wurzeln haben.

Die neue Frankfurter "Tatort"-Ermittlerin Melika Foroutan im Gespräch

prisma: Sie haben mal in einem Interview gesagt, dass sie kein großer Krimi-Fan sind. Dabei sind Sie durch die gefeierte Serie "KDD – Kriminaldauerdienst" bekannt geworden, und nun sind Sie "Tatort"-Kommissarin ...

Melika Foroutan: Dazu kommen weitere Kommissarinnen und Staatsanwältinnen in Deutschland und Österreich, die ich gespielt habe oder noch spiele. Krimi ist eine große Vorliebe, ja fast schon eine Lebensader des deutschsprachigen Publikums. Es gibt insgesamt über 40 Stunden Krimis täglich im deutschen Fernsehen. Das Genre wird gerne gesehen und entsprechend umfangreich produziert. Ich habe die für mich spannendsten Angebote angenommen. Wenn man Krimi kreativ und gesellschaftskritisch interpretiert, kann man darin eine Menge davon erzählen, was gerade los ist im Land. Dafür steht der "Tatort" ja auch.



prisma: Hat man Ihnen die Rolle direkt angeboten, oder mussten Sie sich in einem Casting durchsetzten?

Melika Foroutan: Nein, es war noch mal anders. Es gibt tatsächlich die klassische Ausschreibung, wenn ein Sender wie der Hessische Rundfunk ein neues "Tatort"-Team auf die Beine stellen will. Die wird aufgegriffen von verschiedenen Produktionsfirmen, die sich dann ihre Gedanken machen. Sie entwickeln eine Idee, was und mit wem sie etwas erzählen wollen. Dann geben sie eine klassische Bewerbung ab. Die Firma Sommerhaus, mit der ich schon "Die Kaiserin" für Netflix drehe, hat sich mit dem Konzept Cold Cases und den beiden Ermittler-Rollen, die Edin Hasanovic und ich spielen sollten, durchgesetzt.

prisma: Wissen Sie, wie viele Bewerbungen es gab?

Melika Foroutan: Ich habe gehört, dass wohl 16 Konzepte eingereicht wurden. Unser Konzept, dass wir Cold Cases im Keller bearbeiten, stieß wohl gleich auf großes Interesse. Es ist ja auch eine Idee, die es so beim "Tatort" noch nicht gab.

prisma: Bei Netflix startete vor kurzem die britische Serie "Dept. Q" die das Remake einer dänischen Filmreihe nach Jussi Adler-Olsen ist. Da ermittelt ebenfalls eine Cold Cases-Abteilung im Keller ...

Melika Foroutan: Ich habe nur davon gehört und auch, dass sie wohl parallel mit uns angefangen haben. Diese Keller-Idee hat erst mal nicht viel mit der Realität zu tun. Die Polizei arbeitet an Altfällen, aber das sind in der Regel moderne Abteilungen, die technisch gut ausgestattet sind. Es ist nicht so, dass da in echt eine Frau alleine im Keller sitzt. Es war eine dramaturgische Entscheidung der Produzenten und der beiden Autoren Erol Yesilkaya und Senad Halilbašić, die Bearbeitung von Cold Cases im "Tatort" so zu inszenieren. Das erzeugt eine Stimmung, folgt einer Dramaturgie und ist visuell interessant.

prisma: Wie würden Sie diese Stimmung beschreiben?

Melika Foroutan: Die Figur, die ich spiele, sitzt nicht oben, mit einem offenen und weiten Blick hinaus auf den Horizont. Sie wurde von ihrer Vorgesetzten in einen dunklen Kellerraum versetzt, den sie nicht besonders mag. Sie geht den Fällen mit einer großen Ruhe nach. Aber unterschwellig arbeitet in ihr etwas, das sich zwangsläufig irgendwann nach außen hin bemerkbar machen wird. Ich mochte die Idee vom Keller. Man kann durch Räume viel erzählen, wie zum Beispiel bei einer meiner Lieblingsserien "Mindhunter". Da wird etwas über die Anfänge der Forensik erzählt, und der Keller wird benutzt, um deutlich zu machen, wie neuartig die Methode ist und deshalb noch stiefmütterlich behandelt wird. Dass Psychologie bei Serienmorden eine Rolle spielt, war noch bis in die 60er-Jahre hinein eine ziemlich wilde Idee, über die man kaum nachgedacht hat. Auch das FBI haderte damals noch damit.

Melika Foroutan verrät, wie viele Folgen das neue Konzept verfolgen

prisma: Fiktional sind es oft schratige Menschen, die da im Keller sitzen und in Altfällen wühlen ...

Melika Foroutan (lacht): Anfangs wurde auch bei uns mal drüber nachgedacht, die Ermittler ein wenig schratig zu zeichnen. Ich bin froh, dass wir es nicht gemacht haben. Es wäre zu viel des Guten. Keller und schratig – das ist schon nah am Klischee. Maryam Azadi, meine Figur, ist eher das Gegenteil: Sie ist sozial, menschenfreundlich und kollegial. Unsere Charaktere können sich natürlich im Laufe der Reihe entwickeln. Wir wollten es am Anfang aber nicht überfrachten und uns erst mal auf die Fälle konzentrieren. Auf jene Menschen, denen darin etwas widerfährt.

prisma: Sie bleiben auch in den nächsten Folgen beim Prinzip Altfälle?

Melika Foroutan: Wir haben bisher drei Fälle abgedreht, die dem Konzept treu bleiben. Film zwei läuft bereits am letzten Sonntag im November. Der vierte und fünfte Fall befinden sich in Entwicklung. Wie es aussieht, folgen auch diese Geschichten dem Prinzip Altfälle. Wie es danach weitergeht, wird man sehen. Wir wissen ja gar nicht, ob den Menschen unser Team gefällt. Vielleicht hat man nach zehn Fällen keine Lust mehr auf uns. Daher kann ich nicht sagen, ob das Konzept für immer so bleiben wird. Im Augenblick fühlt es sich erst mal gut, richtig und auch neuartig an.

prisma: Sie haben schon einmal eine Krimireihe mit Edin Hasanovic gedreht. Die preisgekrönte ZDF-Serie "KDD", als er noch sehr jung war ...

Melika Foroutan: Als ich Edin dort kennengelernt habe, war er zwölf Jahre alt. Es war die erste Staffel "KDD". Wir haben vier Jahre gedreht, am Ende war er wahrscheinlich 16 Jahre alt. Er ist vor der Kamera zum Teenager geworden. Heute ist Edin einer der gefragtesten Schauspieler in Deutschland. Es würde mich nicht wundern, wenn er auch bei den anderen Bewerbern um das neue "Tatort"-Konzept des Hessischen Rundfunks auf der Besetzungsliste stand. Daher bin ich froh, dass wir das jetzt zusammen machen dürfen. Edin ist ein wunderbarer Partner und dazu ein sehr lustiger, angenehmer Mensch. Einer, der immer im besten Sinne neugierig ist.

prisma: Zum Lachen gibt es bei Ihnen in der ersten Folge eher wenig ...

Melika Foroutan: Nein, es ist kein lustiger Tatort geworden, sondern ein Film über das Leid, das die Opfer erlebt haben und die Qual des Weitermachens bei den Hinterbliebenen. Aber natürlich darf man beim Drehen solcher Stoffe zwischendurch lachen. Es ist eine nicht zu unterschätzende Qualität, wenn es jemand schafft, in einem deprimierenden Dreh-Moment die richtige Brechung durch einen Witz zu finden. Das kann eine Stimmung so auflockern, dass man sich danach sehr viel besser dem Ernsten widmen kann. Edin schafft zwischenmenschlich eine unfassbar gute Stimmung, weil er klug und emphatisch ist. Ich arbeite wirklich sehr gern mit ihm.

Deshalb hat die neue Frankfurter "Tatort"-Besetzung Migrationshintergrund

prisma: Beide Ermittler haben einen Migrationshintergrund. Sie spielen Figuren, die ihre Wurzeln im Iran und Bosnien haben, so wie auch Sie und Edin Hasanovic. War auch das Teil des Ur-Konzepts?

Melika Foroutan: Ja, so lautete das Konzept. Ich sollte als Iranerin mit einem Bosnier spielen. Teile von Edins und meiner Biografie überschneiden sich mit denen unserer Figuren, auch wenn wir natürlich nicht unsere eigenen Geschichten erzählen. Trotzdem ist die Vorgehensweise, unsere Charaktere ein bisschen ans eigene Leben zu koppeln, eine Erfahrungs-Box, aus der man sich immer wieder bedienen kann. Beim "Tatort" sind wir allerdings nicht die ersten Ermittler mit Migrationshintergrund ...

prisma: Aber gibt es ein Duo mit doppeltem Migrationshintergrund?

Melika Foroutan: Vielleicht sind wir da die Ersten, aber das entspricht im Deutschland des Jahres 2025 der Realität. Es gibt sehr viele Polizeibeamte mit Migrationsgeschichte. In den Groß- und Kleinstädten Deutschlands ist es das gängige Bild und nichts Besonderes mehr, warum sollte es dann im Fernsehen anders sein? Der Hintergrund unserer Figuren, im ersten Fall ist es vor allem Edins Figur, wird erzählt – er steht aber nicht im Zentrum des Falls. Auch diese Art von Normalität finde ich in unserer Zeit wichtig. Vielleicht erfährt man in Zukunft auch ein bisschen mehr über meine Figur.

prisma: Krimis, zumal jene über Serientäter, werden dafür kritisiert, dass Täter viel Aufmerksamkeit erhalten und die Opfer sehr wenig. Bei Ihnen ist das anders. Es gibt sehr berührende Szenen rund um die Angehörigen der Opfer ...

Melika Foroutan: Es liegt in der Natur von Altfällen, dass es Hinterbliebene gibt, die niemals eine Antwort auf ihre Fragen zum Tod geliebter Menschen erhalten haben. Es ist ein belastender Zustand, wenn man nicht weiß, was dem Kind, der Partnerin, den Eltern zugestoßen ist. Stellen Sie sich vor, über fünf, 20 oder sogar 40 Jahre im Ungewissen zu sein. Es ist eine ewige Qual, so zu leben. Das Thema wird auch in den nächsten Fällen bleiben – auch wenn das Leid der Angehörigen immer auf unterschiedliche Weise im Fokus steht.

prisma: Nun sind Sie schon lange Schauspielerin. Fühlt es sich trotzdem wie eine Genugtuung an, als "Tatort"-Kommissarin ausgewählt worden zu sein?

Melika Foroutan: Ich arbeite seit 25 Jahren in diesem Beruf, habe regelmäßig zu tun und bin sehr oft in Projekten tätig, die ich tatsächlich spannend finde. Das ist erst mal ein sehr positives persönliches Fazit nach einem Vierteljahrhundert im Job (lacht). Ich habe großes Glück gehabt, das weiß ich. Man braucht Glück in Berufen, wo es nur wenige Plätze für sehr viele talentierte und qualifizierte Bewerber gibt, und nicht allen wird die gleiche Chance gegeben.

So reagierte Melika Foroutan auf das "Tatort"-Rollenangebot

prisma: Aber fühlt sich "Tatort"-Kommissarin immer noch besonders an?

Melika Foroutan: Als das Angebot kam, rief ich erst mal meine Schwester an. Ich habe ihr das erzählt und gefragt, ob ich es machen soll. Sie hat laut gelacht und sich für mich gefreut. Sie meinte: "Wie cool, das musst du machen, dann sind wir jetzt 'Tatort'."

prisma: Wenn Sie Ihre Schwester fragen mussten, bedeutet das: Sie haben ernsthaft überlegt, das Angebot abzulehnen?

Melika Foroutan: Der Gedanke, es abzulehnen, war nicht besonders stark. Trotzdem: Man denkt ab einem gewissen Alter und mit einer langen Berufserfahrung über alles noch mal anders nach. Es geht auch darum, dass man sich festlegt und eine längere Verpflichtung eingeht. Wenn ich eine neue intensive berufliche Bindung eingehe, dann muss ich mich mit den Menschen zusammensetzen, mit denen ich zusammenlebe, sprich: Ich habe das auch mit meinem Mann und dem Rest der Familie besprochen, weil ich ein großer Familienmensch bin. Am Ende standen viele gute Wünsche und eine große Lust meinerseits. Ich habe bei Sommerhaus, am Set und beim Hessischen Rundfunk gute Menschen um mich herum, die sich für jene Geschichten interessieren, die Edin und ich erzählen wollen. Dazu ist Frankfurt eine tolle Stadt. Ich freue mich auf alles, was kommen wird.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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