Wo Regisseure sich auf Werktreue beriefen, blieb das Ergebnis kurioserweise uninspiriert wie in Rainer Boldts "Geschichtenerzähler" (1990): Ein Kriminalschriftsteller spricht ständig davon, seine Frau zu ermorden. Vom Haus gegenüber wird das Paar von einer einsamen Frau im Rollstuhl beobachtet. Sie leidet, wenn sie sich lieben, gerät in Ekstase, wenn sie streiten. Die beiden Frauen werden zu Komplizinnen, der Mann zum Mörder. Doch dann steht die Geschichte Kopf: die Frau von gegenüber ist die Siegerin - zumindest dem Anschein nach. Der Film verfehlt den grimmig-sarkastischen Unterton der Vorlage, weil er zu behäbig ist und weil der Voyeurin die Ausstrahlung fehlt.
Die Ausstrahlung der Protagonistin gerade ist es, die Claude Millers Film "Süßer Wahn" (1977) auszeichnet. Da begehrt ein kleiner Büroangestellter eine verheiratete Frau, die er schon als Kind liebte. Er schreibt ihr Briefe, stellt ihr nach und bleibt auch dann noch erfolglos, als ihr Ehemann einen tödlichen Unfall erleidet. Nicht dem glücklos Liebenden, Gérard Dépardieu, gehört die Szene, sondern der Frau, Dominique Lafont. Interessant ist in beiden Fällen, daß bei der Autorin, bei der meist Männer die Helden sind (man hat ihr das auch oftmals vorgeworfen), hier die Frauen aktiv sind.
Die besten Highsmith-Verfilmungen entfernen sich jedoch sehr weit von der Vorlage: Alfred Hitchcocks "Verschwörung im Nordexpress" (1951), René Clements "Nur die Sonne war Zeuge" (1959) und Wim Wenders' "Der amerikanische Freund" (1976). Und hier sind wieder Männer die Protagonisten. Zu Hitchcocks liebsten eigenen Filmen zählte "Ein Fremder im Zug": Auf der Reise von Washington nach New York trifft Tennisstar Guy den geschwätzigen Bruno. Bruno, der sich als Psychopath entpuppt, weiß aus der Klatschpresse um die privaten Probleme des symphatischen jungen Mannes: Der versteht sich seit langem nicht mehr mit seiner Frau und möchte die Senatorentochter Anne Morton heiraten. Doch Guys Frau will das aus Geldgier vereiteln: sie willigt nicht, wie anfangs zugesagt, in die Scheidung ein. Bruno, der gerne seinen Vater loswäre, schlägt Guy einen teuflischen Plan vor: Mord "über Kreuz". Ohne weiteres setzt er kurz darauf seinen Teil in die Tat um: Er tötet Guys Frau und erwartet nun ganz selbstverständlich von Guy, dass er Brunos Vater killen soll. Natürlich hat er dafür gesorgt, daß sein "Vertragspartner" nicht so ohne weiteres loskommt. "Die Geschichte ist reichlich albern und macht viel Mühe", schrieb der Drehbuchautor ungnädig. Es war kein geringerer als Raymond Chandler. "Warum ich so etwas überhaupt tue? Weil man es leid wird, immer nein zu sagen."
Patricia Highsmith war über derlei erhaben, sie hielt ohnehin von diesen Filmen nicht viel, und wenn sie sich einmal freundlicher äußerte, so war das, wie sie selbst einmal gestand, pure Höflichkeit. Das Missverständnis von Filmemachern gegenüber den Highsmith-Stoffen lag meist darin, dass sie im Grunde keine Kriminalautorin war. Doch da es bei ihr regelmäßig um Mord geht, denkt jeder beim Drehbuchschreiben an Krimi. Tom Ripley, der Prototyp des symphastischen Verbrechers, war der Protagonist in zwei der besten Highsmith-Filme "Nur die Sonne war Zeuge" und "Der amerikanische Freund": 1959 spielte ihn Alain Delon bei René Clement und 18 Jahre später Dennis Hopper bei Wim Wenders. 1999 verfilmte auch Anthony Minghella den Stoff in "Der talentierte Mr. Ripley" mit Matt Damon in der Hauptrolle.
Der reiche Nichtstuer Philipp benutzt den mittellosen Nichtstuer Tom als Objekt seiner makabren Späße. Philipp lässt Tom erkennen, wie sehr er ihn verachtet und treibt das muntere Spielchen so weit, bis Tom zum Messer greift. Bei Clement steht das Verbrechen im Vordergrund, "Nur die Sonne war Zeuge" ist ein Thriller; bei Wim Wenders dominiert Atmosphäre. Ist Alain Delon bei aller Sympathie schon ein kalter Gauner, so hat sein alter ego bei Wim Wenders Mitleid mit dem Mann, der hier auf tödliche Weise reingelegt wird. Bruno Ganz spielt den Hamburger Rahmenmacher Jonathan, der als Auftragskiller gedungen wird. Bei Wenders ist Tom Ripley ein einsamer Wanderer zwischen den großen Städten, ein Heimatloser, der eigentlich nirgendwo hingehört, ein dubioser Kunsthändler mit Kontakten zur Mafia - wie eine Weiterentwicklung des "Easy Rider".
Weitere Filme nach Motiven von Patricia Highsmith: "Der Mörder" (1962) von "Claude-Autamnt Lara", "Die gläserne Zelle" (1977) und "Ediths Tagebuch" (1986, beide von Hans W. Geissendörfer), "Stille Wasser" mit Isabelle Huppert und Jean-Louis Trintignant (1981, Regie: Michel Deville), "Der Schrei der Eule" (1987, Regie: Claude Chabrol), "Mr. Ripley und die Kunst des Tötens" (2005), "Die zwei Gesichter des Januars" (2014) sowie zahlreiche Fernsehfilme.
Foto: © Simone Sassen