Jean-Lous Trintignant wird als Sohn eines Industriellen in der Provence geboren. Ursprünglich will er Rennfahrer werden, denn während seiner Schulzeit auf dem Gymnasium in Avignon sind schnelle Autos seine Passion. Offenbar steckte ihm diese Leidenschaft im Blute, denn sein Onkel, Maurice Trintignant, wurde 1954 Sieger des berüchtigten 24-Stunden-Rennens von Le Mans.
Mit zwanzig Jahren geht Jean-Louis nach Paris, um Jura zu studieren. Doch bald entschließt er sich, Schauspieler zu werden. "Ich war das Opfer meiner fast krankhaften Schüchternheit," motiviert er später diesen Schritt. "Um sie zu verlieren, wählte ich diesen Beruf. Ich hoffte, dadurch würde etwas in mir 'locker werden'." Bei Charles Dullin und Tanja Balachowa nimmt er Unterricht. Er beginnt als der jugendliche Held in klassischen und modernen Stücken. 1951 erster Auftritt mit der "Compagnie Raymond Hermantier" in Jean Mogins "Chacun selon sa faim", danach als Mortimer in Schillers "Maria Stuart". Schon ein Jahr später spielt er an der "Comédie St. Etienne" den Macbeth. 1953 ist er bei einer Tournee durch die französische Provinz mit "Britannicus" und "Don Juan" dabei. Anschließend die erste größere Rolle in Paris: "Responsabilité limitée" von Robert Hossein.
1955 wird auch der Film auf den jungen Schauspieler aufmerksam. Zunächst dreht er den Kurzfilm "Pechiney" unter Marcel Ichac, dann "TKX antwortet nicht" (1955) von Christian-Jacque, in "Das Gesetz der Straße" (1955) von Ralph Habib ist Jean Gabin sein Gegenspieler. Roger Vadims Film "... und immer lockt das Weib" (1956), in dem er den schüchtern-verkrampften Ehemann von Brigitte Bardot spielt, macht Trintignant in Frankreich zum Star.
Eine Militärzeit von 30 Monaten folgt. Vom Dienst in Algerien zurück, schlägt ihm der Regisseur Maurice Jaquemont vor, den Hamlet zu spielen. Jean-Lous lehnt zunächst ab, er fühlt sich der schwierigen Rolle noch nicht gewachsen. Jaquemont lässt aber nicht locker und probiert ein volles Jahr mit ihm. Resultat: von Publikum und Presse enthusiastisch aufgenommene Vorstellungen im "Théatre des Champs-Elysées". Dieser Erfolg ist zugleich ein Abschied von der Bühne - für lange Zeit: Der Film kann auf Trintignants markante Züge und seine starke Präsenz nicht mehr verzichten. Seit Claude Lelouchs Film "Ein Mann und eine Frau" im Jahre 1966 als Partner von Anouk Aimée spielt er einen gehemmten Witwer, der sich nur sehr schwer aus seinem emotionalen Versteck befreien kann. Jetzt zählt er zu den meistgefragten Charakterschauspielern in Frankreich und Italien.
Dabei sieht man ihn vor allem in gesellschaftskritischen Filmen und Politthrillern, in denen er wortkarg mit ironischem Understatement und sparsamen Gesten agiert. Er beherrscht das schauspielerische Repertoire der Figuren des film noir. 1968 erhält er in Berlin den Schauspielerpreis für die Hauptrolle in Alain Robbe-Grillets "Der Mann, der lügt", 1969 wird er für seinen unbequemen Untersuchungsrichter in Costa-Gavras Polit-Thriller "Z - Anatomie eines politischen Mordes" als bester Schauspieler auf dem Filmfestival in Cannes ausgezeichnet. Und in Eric Rohmers Zyklus "Sechs moralische Geschichten" ist er in "Meine Nacht bei Maud" (1969) der praktizierende Katholik, der versucht, in seinem Leben Reinheitsbegriff und Abstinenz zu verwirklichen. Eine Studentin alias Marie-Christine Barrault wird für ihn zum Inbegriff der Reinheit. Er heiratet sie und erfährt nach fünf Jahren "heiliger Ehe", dass die Idealvorstellung ein Trugschluss war. Am Ende sind die Menschen zwar am gleichen Standort wie am Anfang, doch ihre Erfahrungen haben sie doch verändert.
Sein homosexueller Faschist in Bertoluccis "Der große Irrtum" (1969) ist einer seiner aufregendsten und irritierendsten Auftritte. Zyniker und obsessive Verbrecher sind seine bevorzugten Rollen. Nach Filmen mit so bedeutenden Regisseuren wie Abel Gance, Georges Franju, Jacques Demy, Claude Chabrol, Bernardo Bertolucci, Luigi Comencini und Ettore Scola steht Trintignant im letzten Film von François Truffaut "Auf Liebe und Tod" (1983) vor der Kamera. Die beiden Künstler begegneten sich allerdings schon einmal am Set: 1964 spielte Trintignant als Partner von Jeanne Moreau die Hauptrolle in Jean-Louis Richards Film "Mata Hari - Agent H. 21" den Truffaut produziert und mit Richard zusammen auch geschrieben hat.
In "Auf Liebe und Tod" spielt Trintignant einen Immobilienhändler, der in den Verdacht gerät, den Geliebten seiner Frau ermordet zu haben. Seine Sekretärin Barbara Becker alias Fanny Ardant verliebt sich in ihn und geht für ihn auf Fährtensuche. Was sie entdeckt, treibt den Krimi einem überraschenden Finale zu. Bereits 1968 lernt man einen ganz anderen Trintignant kennen: er ist Silence, der große Schweiger, der im (italienischen) wilden Westen gegen das Böse kämpft, aber seine Wut, Trauer, seinen Protest und die Verzweiflung nicht hinausschreien kann. Doch am Ende verfehlt er seine Mission. Der schmierig sadistische Kopfgeldjäger Loco alias Klaus Kinski schießt ihn nieder. "Leichen pflastern seinen Weg" ist einer der drei besten Filme von Sergio Corbucci. Die Geschichte vom Guten, der in die Hölle geht und dort umkommt, widmet der Regisseur "dem Andenken an Martin Luther King, Che Guevara und Bob Kennedy.
Jean-Louis Trintignant war kurz mit der Schauspielerin Stéphane Audran verheiratet und heiratete 1960 Nadine Marquand, die er als Scriptgirl kennenlernte. Bei ihr, der späteren Regisseurin Nadine Trintignant, spielte er mehrfach. Auch selbst Regie geführt hat Trintignant in Filmen wie "Un journée bien remplie" (1972) und "Le maitrenageur" (1978).