Was würde passieren, wenn in ganz Europa wochenlang der Strom ausfällt? Die Joyn-Serie "Blackout" spielt mit diesem Gedankenexperiment. Kann die Produktion an den Erfolg von Marc Elsbergs Romanvorlage anknüpfen?
2021 als Krisenjahr zu bezeichnen, ist nicht zu weit hergeholt. Die Corona-Pandemie verhindert weiterhin eine vollständige Rückkehr zur Normalität. Eine verheerende Flutkatastrophe machte im Juli Dörfer und Städte in Westdeutschland dem Erdboden gleich. Dazu wüteten in Südeuropa Waldbrände, wie man sie lange nicht gesehen hatte, und in Afghanistan übernahmen nach dem Truppenabzug von Soldaten aus aller Welt die Taliban in Windeseile die Kontrolle. Nicht auszudenken, welche Folgen ein wochenlanger Stromausfall in ganz Europa hätte. Dieses Gedankenexperiment wagt ab 14. Oktober die sechsteilige Joyn-Serie "Blackout" (verfügbar bei JoynPLUS+, 2022 bei SAT.1).
Was erst einmal wie Utopie klingt, wurde in Spanien und Westfrankreich im Juli Realität – zumindest für einige Stunden saßen Hunderttausende Haushalte im Dunkeln. Schon davor, im Januar, war Europa haarscharf an einem Blackout vorbeigeschrammt. Ein Frequenzabfall löste einen Dominoeffekt aus, der laut Bundesnetzagentur eine "schwerwiegende Störung" darstellte. Weil die Stromversorger rasch eingriffen, konnte ein Blackout allerdings verhindert werden.
So glimpflich kommen die Protagonisten in "Blackout" nicht davon. Effektvoll beginnt die Serie – wie könnte es auch anders sein – im Dunkeln. Pierre Manzano (Moritz Bleibtreu) kurvt mit seinem Sportwagen an einem kalten Novemberabend eine Straße entlang, im Hintergrund ist die nächtliche Skyline von Bozen zu sehen. Anderswo vergnügen sich Menschen in einem Freizeitpark. Doch dann geht alles ganz schnell: Die Lichter gehen aus, ausgefallene Ampeln verwickeln Pierre in eine schlimme Karambolage, und die Passagiere der Achterbahn stecken kopfüber in einem Looping fest.
Auch Frauke Michelsen (Marie Leuenberger), Beamtin des Innenministeriums, findet sich im Chaos wieder. Am Bahnhof wollte sie ihre zwei kleinen Töchter abholen. Während die Mädchen irgendwo im Nirgendwo gestrandet sind, versucht ihre Mutter, sie verzweifelt zu erreichen – aber wo kein Strom, da auch kein Mobilfunknetz.
Derweil ist Pierre unbeschadet in seine Wohnung zurückgekehrt und versucht dem Grund für den Stromausfall auf den Grund zu gehen. Bei der Untersuchung eines digital angetriebenen Stromzählers in seiner Wohnung erwartet den einstigen Hacker eine böse Überraschung: ein Code, den Pierre vor Jahren programmiert hat, scheint für den Stromkollaps verantwortlich zu sein. Pierre ist sich sicher, es handelt sich um einen gezielten Anschlag. Doch bei den Behörden glaubt ihm niemand, schlimmer noch: Die Ermittler um Jürgen Hartlandt (Heiner Lauterbach) nehmen Manzano ins Visier.
"Blackout", die Romanvorlage zur Joyn-Serie von Marc Elsberg, avancierte 2012 zum Bestseller. Eindrücklich verdeutlichte der Thriller, wie abhängig die moderne Zivilisation von der Stromversorgung ist. Ohne Strom laufen keine Benzinpumpen an Tankstellen, eine Wasserversorgung ist nicht mehr möglich, Krankenhäuser geraten in Extremsituationen – man könnte die Liste lange fortführen.
Extremsituationen werden erzählt, nicht gezeigt
In der Mini-Serie verzichten die Erfolgsproduzenten Max Wiedemann und Quirin Berg ("4 Blocks", "Dark") zunächst auf plakative Szenen. Einzig der Ausfall der Heizungen in den Besprechungsräumen der Einsatzzentrale und Schlangen vor Wasserhydranten zeugen von dem Wahnsinn, der sich in Europa Bahn bricht. Rebellierende Massen, Plünderungen oder dramatisch inszenierte Notfälle in Intensivstationen sparen die Regisseure Lancelot von Naso, der mit Kai-Uwe Hasenheit auch das Drehbuch liefert, und Oliver Rihs in den Auftaktfolgen, die der Presse zur Sichtung zur Verfügung standen, aus.
Solche Extremsituationen werden einzig am runden Tisch der eilig zusammengeschusterten Krisenrunde thematisiert. Von piekfeinen Anzugträgern geschildert, verlieren die drohenden Szenarien jedoch an Wirkkraft. Noch dazu, weil sich viele der Politiker eher um ihre berufliche Zukunft denn um die Lage in Europa zu sorgen scheinen.
Um der Geschichte eine persönliche Note zu verleihen, droht Frauke Michaelsen zwischen dem Einsatz in der Krisenzentrale und der Sorge um ihre verschwundenen Kinder zerrissen zu werden. Und Pierre Manzano? Der ist redlich darum bemüht, nicht als Bauernopfer für die Krise missbraucht zu werden. Gleichzeitig scheint er ein Geheimnis zu verbergen, das dank Rückblenden Stück für Stück aufgelöst wird.
So ist die hochkarätige besetzte Serie "Blackout" – zum Cast gehören auch Jessica Schwarz, Herbert Knaup und Francis Fulton-Smith – zunächst mehr ein klassisch erzählter Krimi denn ein Thriller, der die existenziellen Auswirkungen eines großflächigen Stromausfalls zu beleuchten weiß. Nach dem Start auf Joyn ist für das kommende Jahr auch eine Free-TV-Ausstrahlung von "Blackout" bei SAT.1 geplant.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH