Die Widrigkeiten in Freuds Leben haben sich zur persönlichen Katastrophe verdichtet - im letzten Augenblick gelingt dem Entdecker der Psychoanalyse die Flucht vor den Nazis aus Wien. In London nun verbringt der 82-Jährige sein letztes Lebensjahr - den drohenden Weltkrieg ebenso vor Augen wie den eigenen Tod. Schwer ist er von seiner Krankheit gezeichnet, 33 Operationen in 15 Jahren konnten den Krebs nicht besiegen. Äußerlich folgt er bis zuletzt einem geregelten Tagesablauf. Wie in Wien empfängt er beinahe täglich Patienten und vergisst nie, die Uhr auf seinem Schreibtisch aufzuziehen. "Aber meine Welt ist eine kleine Insel des Schmerzes, schwimmend auf einem Ozean der Indifferenz", so bilanziert Freud selbst seine Situation. Lohnt es sich da noch zu leben? Und wofür? In diese deprimierte Stimmung tritt die bezaubernde 16-jährige Enkelin Eva, die ihn drei Monate vor seinem Tod besucht und ihn in ihrer unverstellten Lebendigkeit an all das erinnert, was Freud selbst einst "Fühlung mit dem Leben aufnehmen" nannte. Im Gespräch mit Eva rückt das Leben noch einmal ganz nahe an den vom Tode Gezeichneten: die bis an die Grenzen schmerzhaften Traumata der eigenen Biografie. Der jugendliche Ehrgeiz, der ihn antrieb, gegen alle Widerstände eine Theorie zu entwickeln, die es erstmals wagte, in die Seele der Menschen zu blicken. Die Erinnerung an das Versäumte wird wach, an die verpassten Gelegenheiten und an die unstillbare Sehnsucht zu entdecken. Es ist eine große Erkenntnis, für die Eva ihm die Augen öffnet: "Jede Richtung des Lebens, welche die Liebe zum Mittelpunkt nimmt, alle Befriedigung aus dem Lieben und Geliebtwerden nimmt, kommt dem Ziel der Glückserfüllung näher als jede andere Methode!" Der Kontrast zwischen dieser späten Einsicht und dem gesellschaftlichen Geschehen in diesem Moment könnte dramatischer nicht sein: Liebe, Humanität und Demut werden vom Sturm des Krieges hinweggefegt. Am 22. August 1939 verlässt Eva den Großvater, am 1. September marschieren die Soldaten Hitlers in Polen ein, und am 23. September stirbt Sigmund Freud, dessen schlimme Befürchtungen über die Selbstzerstörungskräfte des Menschen sich erfüllen.