"Mörderische Dorfgemeinschaft"

"Polizeiruf 110" beendet die Krimi-Sommerpause

von Wilfried Geldner

Die Krimi-Sommerpause ist beendet: Am Sonntagabend läuft ein neuer "Polizeiruf" aus Magdeburg. Ein Frauenheld ist verschwunden und ein ganzes Dorf hält zusammen und schweigt.

ARD
Polizeiruf 110: Mörderische Dorfgemeinschaft
Krimi • 11.08.2019 • 20:15 Uhr

Ob das nun eine Ehre ist, der Erste zu sein im neuen Reigen der Sonntagabendkrimis, so mitten im Sommer, sei dahingestellt. Viele sind da noch in den Ferien, Bade- und Grilltemperaturen eher wahrscheinlich. Zudem ist das Ganze auch noch mit einem Abschied verknüpft: Der Film "Mörderische Dorfgemeinschaft" ist der letzte "Polizeiruf 110" mit dem Duo Claudia Michelsen und Matthias Matschke. Letzterer nimmt als Kommissar Köhler von der Kripo Magdeburg seinen Abschied, ohne daraus im Film besonderes Aufhebens zu machen. Claudia Michelsen ermittelt als Doreen Brasch künftig allein. Warum auch nicht: Schon im jetzigen "Polizeiruf" hat sie in ihren Seelen-Verhören die stärksten Szenen.

Es geht um einen Filou, dem eine ganze Dorfgemeinschaft verfällt – Frauen besonders. Juri (Tambet Tuisk), der heimliche Held des Films mit dem östlichen Akzent, der nun verschwunden ist, war einfach anders – er gab den Frauen das Gefühl "Frau zu sein" zurück, wie eine Zeugin es beschreibt. Schade, dass Jurij zu Beginn dieses "Polizeirufs" schon in der Tonne ist – irgendwo zerstückelt und entsorgt. Immerhin darf man ihn, nicht gar so charismatisch, in Rückblenden dann noch ein paarmal erleben. Keine bedeutenden Szenen: Abschiedsszenen, Sex, Streitereien, das war's. Nicht, dass der estnische Schauspieler Tambet Tuisk ("Poll") kein Charisma hätte, aber zum Taugenichts und Teufel, der einen ganzen Ort im Nowhere-Land bei Magdeburg an der Nase herumführt, will er nicht so recht taugen.

Ohnedies sind die fatalen Beziehungen, die der Schattenmann eingegangen ist, vor allem Behauptungen des Dialogs. Mehrfach schildern Betrogene, Verlassene und ums Geld Geprellte Jurijs Taten aus ihrer Sicht. Einzig Jurijs verlassene Verlobte (Katharina Heyer) hat Größe. Sie glaubt an den Entschwundenen auch dann noch, als andere längst den Stab über ihn gebrochen haben. "Er braucht seine Freiheit", behauptet die Brave, während sie alle Jurij Tod und Teufel wünschen.

Der halbe Ort war wohl hinter ihm her – sei es wegen Betrugs, Untreue oder Eifersucht. Höchst verdächtig ist indessen der Vater der Braut. Er lag mit Jurij im Streit, sollte Haus und Hof verlassen. Wenn er so mit der Flinte fuchtelt, denkt man fraglos: Der muss es gewesen sein. Oder doch der arme Bäcker, der Jurij, seinem besten Freund, gar die eigene Bäckerei überschrieben hat, um ihn bei der Bank vor seinen hohen Schulden zu retten?

Es gibt feine melodramatische Dialoge in diesem Film (Drehbuch: Katrin Bühlig, Regie: Philipp Leinemann), etwa wenn Annette, die Verlobte mit dem Kind im Bauch, und Kommissarin Brasch ihre Lebenserfahrung als Waise bereden. Kinder ohne Mütter sind sie beide. Und die Kommissarin hat früher, so sagt sie, zudem "in engen Grenzen" gelebt. Die Grenzen sind immer noch eng, man kommt nicht mehr fort, sagen die aus dem Dorf, die es gerne täten. Gerade diese Enge wird im Film aber nicht wirklich spürbar, sondern nur beschworen.

Dieser "Polizeiruf" hätte das Zeug zu einem spannenden Eastern haben können – als vergebliche Verfolgungsjagd eines Schuldigen, an deren Ende die eigene Demaskierung stünde. Leider belässt er es aber bei einer allzu oberflächlichen Küchenpsychologie, die das Opfer in die Stiefel eines Frauen verzehrenden Don Juans aus östlicheren Gefilden zwingt. Schöne Landschaftsbilder und die stets sprechenden Blicke der Claudia Michelsen ändern daran leider nichts.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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