Serie bei Sky Atlantic

"Kidding": Jim Carrey kann auch ernst

von Annekatrin Liebisch

Berührt, ohne rührselig zu sein: "Kidding" mit Jim Carrey ist großes Kino in Serienform. Staffel zwei ist schon bestellt.

Schrill, laut und gern ein bisschen vulgär waren die Charaktere, die Jim Carrey Mitte der 90er-Jahre berühmt machten: Man erinnere sich zurück an "Ace Ventura - Ein tierischer Detektiv", "Die Maske" oder Lloyd Christmas, den schlecht frisierten Chaoten aus "Dumm und dümmer". Ganz hinter sich gelassen hat Jim Carrey seine Slapstick-Karriere zwar nicht, siehe etwa die "Dumm und Dümmer"-Fortsetzung "Dumm und Dümmehr" im Jahr 2014. Doch in den vergangenen Jahren stellte der inzwischen 56-Jährige immer wieder eindrucksvoll unter Beweis, dass er auch ganz anders kann: Leise, melancholisch, berührend. Auch in der US-Serie "Kidding", die Sky Atlantic ab 3. Dezember ausstrahlt, zeigt sich Carrey einmal mehr von seiner besten, seiner ernsten Seite – in Zusammenarbeit mit dem Regisseur, der den Witzbold schon einmal zu schauspielerischen Bestleistungen ermutigte.

Noch nie habe sich Jim Carrey so aufrichtig, so verletzlich gezeigt, staunten die Kritiker 2004, als "Vergiss mein nicht!" in die Kinos kam. Zwar war es Carreys Filmpartnerin Kate Winslet, die letztlich eine Oscarnominierung erhielt. Doch von da an wussten sowohl die Branche als auch das Publikum, wozu der Komiker in der Lage sein kann, wenn man ihn lässt. Der Mann, der ihn damals ließ, war der Franzose Michel Gondry. Ein Musikvideo-Regisseur, dessen Ideenreichtum und Verspieltheit keine Grenzen zu kennen scheint, der Träume auf die Leinwand bringt. Und der mit ganz kleinen Mitteln ganz große Gefühle zu wecken weiß. Genau der richtige also, um dem Fernsehpublikum nun die Geschichte von Jeff Pickles zu erzählen.

Jeff Pickles (Jim Carrey) wird dem Zuschauer als Institution des amerikanischen Kinderfernsehens vorgestellt. Ein vertrauenerweckender Mann mit seltsamer Frisur, dem Millionen Kinder zuhören, wenn er mit Puppen und einer bunt beklebten Ukulele die Welt erklärt. Der so bekannt und beliebt ist, dass nicht einmal Kriminelle es übers Herz bringen, ihn zu beklauen. Und der leider innerlich ziemlich kaputt ist.

Allerdings nicht auf die Weise, die man an dieser Stelle erwarten würde: Jeff wird nicht zum Zyniker, Tablettensüchtigen oder gar Schlimmerem, sobald die Kamera nicht mehr läuft. Tatsächlich ist er so hilfsbereit, freundlich und umsichtig, dass er beispielsweise beim Gassi gehen Wasser auf die Stelle kippt, an der sein Hund das Bein gehoben hat, um zu verhindern, dass der Rasen dort kaputtgeht. Aber Jeffs Leben ist aus der Bahn geraten, als vor einem Jahr einer seiner Zwillingssöhne bei einem Autounfall starb. Und nun, als er merkt, dass seine getrennte Frau Jill (Judy Greer) einen Freund hat, droht es weiter zu entgleisen. Zumal sich Jeffs eigener Vater und Produzent (Frank Langella) schon proaktiv darauf vorbereitet, dass Jeff bald mental nicht mehr in der Lage sein könnte, seine Sendung zu moderieren.

Serienautor Dave Holstein skizziert eindrucksvoll das Dilemma, in dem sich Jeff befindet: Er will den Tod seines Sohnes auf seine Weise verarbeiten, endlich damit abschließen und so vielleicht seine ganze Familie retten. Er weiß sogar schon, was er dafür tun müsste. Doch er darf nicht. Weil er, wie ihn sein Vater nicht müde wird zu erinnern, nicht nur fast geschiedener Ehemann und trauernder Vater ist, sondern auch eine Medienpersönlichkeit, eine Marke, an der viele Jobs und noch mehr Millionenverträge hängen.

Und das Publikum sitzt gebannt da und wartet, was Jeff wohl tun wird. Denn obwohl der Querdenker – zumindest in den ersten Folgen, die der Presse vorab zur Verfügung gestellt wurden -, sein grundgutes, naives Wesen beibehält, wird es immer öfter von kleinen Akten der Rebellion durchbrochen. So wie Michel Gondry, der sechs der zehn Folgen drehte, auch immer wieder die verspielte, träumerische Atmosphäre mit kurzen, unerwarteten Momenten von Sex oder Zerstörung aufrüttelt. Was einem das Gefühl gibt, dass in Jeffs kleiner, nicht mehr heiler Welt einfach alles passieren könnte.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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