Das Attentat auf den Bostoner Marathon im Jahr 2013 ist vielen noch im Gedächtnis – auch außerhalb der USA. Bei dem terroristischen Anschlag kamen drei Menschen ums Leben, 264 wurden verletzt. Zwei Sprengsätze, die in Rucksäcken versteckt waren, explodierten im Bereich der Zielgeraden. Der Film "Stronger", basierend auf der gleichnamigen Autobiografie von Jeff Bauman, erzählt nun sehr intim die Geschichte eines jungen Mannes, der durch die Explosion beide Beine verlor und in der Folge versuchte, ins Leben zurückzukehren.
Jeff Bauman (Jake Gyllenhaal) ist ein sympathischer junger Mann, der am Rande von Boston ein einfaches Leben führt. Als Angestellter bei der Großhandelskette Costco ist er bei seinen Kollegen beliebt und führt eine stetige On-Off-Beziehung zu Erin (Tatiana Maslany), die im April 2013 am Boston-Marathon teilnimmt. Um ihr Herz erneut zu erobern, verspricht Jeff, Erin vom Straßenrand aus anzufeuern. Mit selbstgemalten Plakaten wartet er in der Nähe der Ziellinie auf sie.
Doch was dann passiert, ändert alles. Sprengsätze detonieren und führen zu einer Katastrophe, von der auch Jeff nicht verschont bleibt. Als er im Krankenhaus wieder aufwacht, erfährt er, dass ihm beide Beine amputiert werden mussten. Jeff, seine Familie und auch Erin stehen unter Schock. Vor allem seine Ex-Freundin leidet unter Schuldgefühlen. Als Jeff sich dann auch noch an die Täter erinnert und diese dank seiner Unterstützung gefasst werden können, wird er unfreiwillig zum Helden gemacht.
Das Biopic von Regisseur David Gordon Green beruht auf der wahren Geschichte des echten Jeff Bauman. Green versteht es dabei, die Geschichte des Helden wider Willen sehr persönlich und nah zu erzählen. Insbesondere, wenn Jeff von seiner Mutter Patty (Miranda Richardson) in eine von ihm ungewollte Heldenrolle hineingezwungen wird, wirkt das ehrlich und kommt ohne große Wertung aus. Überhaupt schafft es "Stronger", die Charaktere so zu zeichnen, dass ihr Handeln stets in einen Kontext eingebettet ist. Vielschichtig erzählt Green nicht nur die Geschichte von Jeff, sondern eben auch die der Menschen um ihn herum.
Natürlich liegt der Schwerpunkt in "Stronger" auf Jeff Bauman und seinem beschwerlichen Weg. Jake Gyllenhaal ist dafür die Idealbesetzung. Denn Gyllenhaal versteht es, den Charakter so zu zeichnen, dass der Zuschauer hin- und hergerissen ist zwischen Verständnis, Sympathie und Unverständnis. Jeff ist vielschichtig, vor allem durch seine Beziehungen zu Erin und seiner Familie geprägt. Die Überforderung, die irgendwann ausartet und manchmal beim Kinogänger auf Unverständnis trifft, hallt noch lange nach Filmende nach. Denn "Stronger" schafft es, ein nachvollziehbares Bild eines jungen Manns zu zeichnen, der jäh aus seinem Alltag gerissen wird und versucht, wieder zur Normalität zurückzukehren.
Allerdings kann sich auch diese intime Verfilmung eines Einzelschicksals nicht einer gewissen Überladung an Patriotismus erwehren – ab und an ist der Punkt erreicht, an dem man augenrollend im Kino sitzt. Aber das gehört wohl dazu, wenn man die Geschichte von Bauman und vor allem die der amerikanischen Gesellschaft verstehen möchte. Gerade jene Momente, in denen Jeff von seiner Familie und dem Heldenraubbau der amerikanischen Gesellschaft überfordert ist, machen "Stronger" sehenswert. Und natürlich Jake Gyllenhaals Performance, die einmal mehr beweist, dass er gerade in den zerbrechlichsten Momenten eine unglaubliche Authentizität gewinnt.
Quelle: teleschau – der Mediendienst