"Lass die Wahrheit niemals einer guten Geschichte im Weg stehen", soll Mark Twain einmal gesagt haben. Und so gedacht haben's mutmaßlich schon sehr viele Menschen. Ein interessanter und unter Umständen durchaus legitimer Leitfaden für die Kunst, aber natürlich keiner für die Welt der Fakten. Wenn Zeitungen die Tatsachen für die gute Geschichte verbiegen, das gab schon oft genug Ärger. Einen besonders spektakulären (wenn auch fiktiven) Fall zeichnet nun Wolfgang Beckers Film "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße", der auf einem gleichnamigen Roman von Maxim Leo basiert.
"Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße", das ist eine prominent besetzte Tragikomödie (Charly Hübner, Christiane Paul, Daniel Brühl, Jürgen Vogel) zwischen Schein und Sein mit starkem zeitgeschichtlichem Unterbau – ein Projekt nicht ganz unähnlich dem Film "Good Bye, Lenin!", mit dem Wolfgang Becker sich 2003 einen Platz in der deutschen Kinogeschichte sicherte. Gleichzeitig steht dieser Film auch für einen Abschied: Wolfgang Becker starb am 12. Dezember 2024 im Alter von 70 Jahren kurz nach Abschluss der Dreharbeiten zu "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße".
Der "Held" dieser Geschichte ist Michael (Charly Hübner), Besitzer einer hoch verschuldeten Videothek. Dort kommt es auch zur schicksalhaften Begegnung mit einem sehr engagierten Journalisten, der Michael im Zentrum einer richtig guten Wende-Geschichte sieht. "Sie sind verantwortlich dafür, dass 127 Menschen vom Osten in den Westen gefahren sind. Sie sind ein Held, nur weiß das keiner und das müssen wir ändern!"
Bald schon sieht man Michaels Gesicht auf der Titelseite des großen Nachrichtenmagazins "Fakt". Er wird von den Medien hochstilisiert zu einem "ostdeutschen Oskar Schindler", erhält Einladungen von TV-Shows und sogar vom Bundespräsidenten. Eine Rede soll er halten. Da ist ihm das alles längst über den Kopf gewachsen. "Ich bin kein Held", versucht Michael sich aus der Sache herauszuwinden, ohne Erfolg. Die Geschichte steht hier von Beginn an klar über der Wahrheit, und am Ende weiß Michael selbst kaum noch, "was wahr ist und was nicht".