"Die Menschen vergessen immer mehr zu lesen", klagt eine Mädchenstimme. Dabei gäbe es in den Büchern beziehungsweise "zwischen den Buchdeckeln" doch so viel zu entdecken: nämlich "Menschen und ihre Geschichten". Die Stimme gehört der neunjährigen Schascha (Yuna Bennett), und die Geschichte, die es hier zu entdecken gibt, das ist ihre eigene und die von Carl Kollhoff (Christoph Maria Herbst).
Kollhoff ist ein menschenscheuer Sonderling, ein abweisender mürrischer alter Kauz – und ein großer Literatur-Liebhaber. Sein Job ist es, ausgewählte Bücher auf Bestellung zu denjenigen zu bringen, die sie – warum auch immer – selbst nicht mehr beschaffen können. So pendelt Kollhoff tagein, tagaus zwischen Bücherladen und Haustüren. Auf einer seiner Touren gesellt sich Schascha zu ihm. Sie nennt ihn den "Buchspazierer", eben weil er immer mit Büchern in seiner altmodischen Ledertasche durch die Straßen spaziert. Kollhoff gibt der jungen Dame zu verstehen, sie möge ihn gefälligst in Ruhe lassen. Aber Schascha, die über mehr Verstand und Herz verfügt als die allermeisten Erwachsenen, lässt sich nicht abschütteln.
"Der Buchspazierer" ist das Kino-Debüt von Regisseur Ngo The Chau (Buch: Andi Rogenhagen), der sich in der Vergangenheit bereits einen Namen als Kameramann gemacht hat. Chau liefert eine gemütlich erzählte Buddy-Komödie mit starker Feelgood-Note. Gleichzeitig muss und will "Der Buchspazierer" natürlich auch eine "warmherzige Hommage an die Literatur" sein.
Dass während der Kino-Vorstellung ein Kind plötzlich aufspringt, aus dem Saal rennt und ruft "Ich will jetzt sofort ein Buch lesen" – schön wär's. Junge Lesemuffel mit einem Film in Bücherwürmer verwandeln, das hat schon mit "Die unendliche Geschichte" und all den schönen Roald-Dahl-Adaptionen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen funktioniert. Aber immerhin, mit "Der Buchspazierer" werden die Kleinen charmant und altersgerecht unterhalten (was ja im heutigen Kino keine Selbstverständlichkeit ist, FSK 6). Und wenn es auch sonst nichts bringt: Dass sie hinterher noch weniger lesen, darf als ausgeschlossen gelten.