Die Protagonistin des Films Ruth Ellis ist Geschäftsführerin eines anrüchigen Nachtklubs. Sie hat nicht viele Chancen, vernünftige Männerbekanntschaften zu machen. Als sie den ehrgeizigen Rennfahrer aus gutem Haus David Blakely alias Rupert Everett kennenlernt, beginnt eine jener exzessiv brutalen, geradezu orgiastischen Hass-Liebe-Beziehungen und als sich der inzwischen erfolgreiche David von Familie und Freunden überzeugen lässt, dass dieses Verhältnis nur seinem guten Ruf schadet, lässt er Ruth einfach fallen, worauf sie ihn kaltblütig umbringt. Vor Gericht hat sie keine Chance: Die nicht mehr ganz frische platinblonde Frau aus den Slums wird hingerichtet, an ihr wird am 13. Juni 1955 das letzte Todesurteil in Großbritannien vollstreckt, erst 14 Jahre später erfolgt die definitive Abschaffung der Todesstrafe. Miranda Richardson spielt das routiniert, emotionslos. Diese Frau kostet alles aus: Liebe, Hass, Erniedrigung, Gewalt. Das ist kein Plädoyer gegen die Todesstrafe, sondern das Psychogramm einer Frau und ein schonungsloses Porträt einer Gesellschaft, die sich um Ursache und Wirkung nicht kümmert und Menschen einfach vernichtet.
Für die undankbare Nebenrolle der betrogenen Ehefrau von Jeromy Irons - sie machte ungewöhnlich viel daraus - in Louis Malles "Verhängnis" (1992) wird sie für den Oscar nominiert und Neil Jordan besetzt sie als irische Terroristin Jude in "Crying Game" (1992). Das ist wieder eine ganz große Rolle für Miranda: Eine attraktive Blondine schleppt auf dem Rummelplatz einen trunkenen Schwarzen ab, doch das amouröse Geplänkel erweist sich als tödlicher Ernst: das Flittchen ist in Wirklichkeit knallharte IRA-Kämpferin, die den harmlosen Jody in die Falle lockt. Eine eiskalte Frau!
Sie ist eine der zuverlässigen, vielseitigen Schauspielerinnen im britischen Kino. Wieder bei Mike Newell ist sie neben Joan Plowright, Josie Lawrence und Polly Walker eine der vier Frauen, die in "Verzauberter April" (1992) vor ihren Ehemännern in ein italienisches Castello fliehen. In dem von Brian Gilbert leider recht klischeehaft inszenierten Film "Tom & Viv" (1994) spielt sie die unglückselige Geliebte und Ehefrau des Dichters T. S. Elliott alias Willem Dafoe. In Robert Altmans "Kansas City" (1996) ist sie die von Jennifer Jason Leigh entführte Politikergattin Carolyn Stilton. Als Sarah Maloney schreibt sie ein Buch über Mary Swann, die auf der Farm ihres Ehemanns erschlagen aufgefunden wurde. Regisseurin Anna Benson Gyles verfilmte das Buch ("Das Geheimnis der Mary Swann") 1995 mit Richardson in der Hauptrolle.
Weitere Filme mit Miranda Richardson: "Das Reich der Sonne" (1987), "Century" (1993), "Vaterland" (1994), "Die Nacht und der Augenblick" (1994), "Saint-Ex" (1996), "Jahre der Zärtlichkeit" (1996), "The Apostle" (1997), "St. Ives - Alles aus Liebe" (1997), "Merlin" (1998), "Alice im Wunderland (1999), "Die Akte Romero" (1999), "Sleepy Hollow" (1999) und "Chicken Run - Hennen rennen" (2000, Sprecherin), "Get Carter - Die Wahrheit tut weh" (2000), "Snow White" (2000), "The Hours", "Spider" (beide 2002), "Der Prinz und ich", "Das Phantom der Oper" (beide 2004), "Harry Potter und der Feuerkelch" (2005), "Paris, je t'aime" (2006), "Die Gebrüder Weihnachtsmann", "Der Feind in dir" (beide 2007), "Young Victoria" (2009), "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1", "We Want Sex" (beide 2010), "Die Tore der Welt", "Parade's End - Der letzte Gentleman" (beide 2012).