Gabriel (Eric Hunter) ist Kriegsheimkehrer aus dem Irak und muss mit den seelischen Folgen klarkommen.
Das Drama "In the Middle of the River" überzeugt mit einer fiebrigen Intensität.

In the Middle of the River

KINOSTART: 16.08.2018 • Drama • D (2018) • 114 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
In the Middle of the River
Produktionsdatum
2018
Produktionsland
D
Laufzeit
114 Minuten

Filmkritik

Ungeschminktes Porträt der amerikanischen Gesellschaft
Von Christopher Diekhaus

Nach dem Irakkrieg will Kriegsheimkehrer Gabriel den Tod seiner Schwester rächen. Das Drama "In the Middle of the River" zeigt schonungslos die Missstände in den USA. Die Handkamera verleiht dem Film eine besondere Intensität.

Noch bevor auf der Leinwand konkrete Bilder zu sehen sind, lässt Filmemacher Damian John Harper ("Los Ángeles") den Zuschauer spüren, dass seine Hauptfigur unter Strom steht. Während die Credits vor schwarzem Hintergrund ablaufen, hört man das hektische Keuchen eines Mannes und vereinzelte Schlaggeräusche. Kurz darauf bekommt das Publikum den jungen Gabriel (Eric Hunter) zu Gesicht, der in der Toilette einer Tankstelle von seiner Wut übermannt wird und vor dem Geschäft schließlich auf den lokalen Drogendealer "Trigger Finger" (Matthew T. Metzler) losgeht, den er als Mörder beschimpft. Schon der fiebrige Einstieg gibt unmissverständlich die Richtung vor. Harpers Protagonist, ein körperlich und seelisch kaputter Heimkehrer aus dem Irakkrieg, scheint von einer unsichtbaren Macht getrieben und will um jeden Preis den mysteriösen Tod seiner Schwester aufklären.

Die deutsch-amerikanische Produktion "In the Middle of the River", der zweite Spielfilm des US-Regisseurs Harper, nimmt den rauen Alltag sozial abseits stehender Menschen in den Blick, die irgendwo im Bundesstaat New Mexico ums Überleben kämpfen. Gabriel ist wild entschlossen, endlich wieder mehr Verantwortung für seine Familie zu übernehmen, und steigert sich in den Gedanken hinein, sein trinkender und schlagender Großvater Laurence (Max Thayer) könnte etwas mit dem Ableben seiner Schwester zu tun haben.

Eigentlich will er den alten Mann erschießen, doch dann verlässt ihn der Mut, was seine rastlose Suche nach Antworten jedoch nicht beendet. Da er vor allem mit sich selbst und seinen inneren Dämonen beschäftigt ist, entgeht dem ehemaligen Soldaten, dass sein jüngerer Bruder Ishmael (Morgan Hill) über seine Freunde mehr und mehr in den allgegenwärtigen Strudel aus Gewalt, Hass und Drogenkonsum schlittert. Auch Gabriels Ex Dana (Nikki Lowe), die eine Vergewaltigung über sich ergehen lassen musste, wird von aggressiven Emotionen gelenkt, schafft es aber, diese im Boxring zu kanalisieren.

Der Film zeigt ein Amerika, das fast nichts gemein hat mit dem oft beschworenen Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Amerika, in dem Rauschmittel das perspektivlose Dasein lindern sollen. In dem an eine Verständigung zwischen den Völkergruppen nicht zu denken ist. In dem Donald Trumps Wahlslogan "Make America Great Again" als Kampfparole gegen Ureinwohner benutzt wird. Und in dem selbst die Familie als sicherer Rückzugsort ausgedient hat. So sehr sich Gabriels Großmutter auch bemüht, ihren Enkeln und Urenkeln Werte zu vermitteln, so hilflos steht sie dem Kreislauf aus Gewalt und Anfeindungen gegenüber.

Harper entwirft das ungeschminkte Bild einer vor Wut berstenden Gesellschaft, einer Gemeinschaft, die diesen Namen nicht mehr verdient, und streift dabei eklatante Missstände, ohne den thematischen Holzhammer auszupacken. Die spezifisch amerikanische Waffengeilheit gerät ebenso ins Visier wie der stiefmütterliche Umgang der US-Regierung mit den traumatisierten Soldaten, denen nach dem Einsatz keine angemessene Unterstützung bei der Wiedereingliederung zuteilwird. Das Obamacare-Gesetz garantiert, dass Gabriel ausreichend Schmerztabletten erhält. Mit seiner verletzten Seele, seinen Panikattacken und seinem unbändigen Zorn bleibt der junge Mann jedoch allein.

Besondere Intensität erreicht "In the Middle of the River" durch die Art und Weise, wie der Regisseur seine Geschichte präsentiert. Von Anfang an heftet sich die fast nie zur Ruhe kommende Handkamera an die Figuren, rückt ihnen in langen Plansequenzen unbarmherzig auf die Pelle und gewährt dem Betrachter keinen größeren Überblick. Unaufhörlich wird man mitgerissen, hineingesogen in das nervöse Treiben und bekommt so einen Eindruck vom aufgewühlten Innenleben des Protagonisten. Dass die Drehbuchrädchen gegen Ende etwas zu geschmiert und schematisch ineinandergreifen, ist bedauerlich, schwächt das vom Kleinen Fernsehspiel des ZDF mitproduzierte Charakter- und Milieuporträt allerdings nur unwesentlich ab.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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