So gut kann Kitsch sein: Ein Dutzend Traumschiffer haben in der gaga-grandiosen Musicalverfilmung "Ich war noch niemals in New York" für jede Lebenslage den passenden Udo-Jürgens-Song parat.
Die ersten 20 Minuten muss man erstmal überstehen: Da hetzt eine unerträgliche TV-Tussi durch die Szenen, da werden fantastische Lieder verplempert und unzählige Figuren hektisch eingeführt, die sich alle mal mehr, mal weniger freiwillig auf einem Kreuzfahrtschiff wiederfinden. Das alles sieht aus und klingt nach Schlagerfestival auf Drogen, und man stellt sich bildlich vor, wie sich Udo Jürgens im Grabe umdreht. Doch irgendwann fährt der Dampfer ab, und dann kommt "Ich war noch niemals in New York" in ruhigere Fahrwasser und nimmt trotzdem Fahrt auf. Dann singt man mit, schunkelt, klatscht, ist selig und beschwingt: "Einmal verrückt sein und aus allen Zwängen flieh'n", das klappt mit der Verfilmung des Udo-Jürgens-Musicals ganz hervorragend.
Das liegt auch daran, dass Regisseur Philipp Stölzl ("Der Medicus") aus der erfolgreichen Vorlage nicht einfach eine bloße Nummernrevue gemacht hat, sondern eine Geschichte erzählt. Die ist in den Umrissen zwar hanebüchen, wird aber mit erstaunlich vielfältigem Leben gefüllt.
Also: Die nervige TV-Tussi heißt Lisa Wartberg (gespielt von Heike Makatsch) und könnte erstens netter zu ihren Mitmenschen sein und zweitens eine Tasse Baldriantee gut gebrauchen. Weil ihre Mutter Maria (Katharina Thalbach) das Gedächtnis verliert und es ausgerechnet in New York wiederfinden will, landet sie mit ihrem Maskenbildner Fred (Michael Ostrowski) unfreiwillig auf einem Traumschiff, auf dem sich diverse andere Typen tummeln, die entweder eine gemeinsame Vergangenheit hatten oder es schon bald miteinander zu tun bekommen.
Dass die Liebe dabei immer eine Rolle spielt, das gehört natürlich dazu zu einem Gute-Laune-Musical. Also wird in einem überkandidelten Reigen aus Missverständnissen und Gefühlsausbrüchen geflirtet und gefeiert, getanzt und gesungen, man verliert sich und findet sich wieder. Am Ende löst sich alles in einem heiteren Flashdance auf. Zwei Stunden sind dann vorbei, in denen die Welt im Kitsch ersoff. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Zumal die Lieder von Udo Jürgens über jeden Zweifel erhaben sind.
Philipp Stölzl inszeniert "Ich war noch niemals in New York" mit viel Schmackes als einen schwungvollen Rausch aus knallbunten Farben und aberwitzigen Choreografien. Alles ist erlaubt, solange es Spaß macht und mit einem Songzitat belegt werden kann. Und trotzdem, das zeichnet Stölzl als Regisseur mit viel Gespür für die Zwischentöne aus: Er macht die Figuren greifbar. Sei es Lisa, die ihre Attitüden über Bord wirft und sich auf den langweiligen Statistiker Axel (Moritz Bleibtreu) einlässt. Sei es ihre Mutter Maria, die aus ihrer Duckmäuschen-Existenz ausbricht. Sei es Gigolo Otto (Uwe Ochsenknecht), der seines Verführer-Daseins überdrüssig wird. Oder sei es ein großer, megamännlicher Grieche (Pasquale Aleardi), der sich zu seinem wahren Ich bekennt.
Sie alle werden zu Menschen, die für Ängste und Hoffnungen, für Freude und Frust immer den passenden Song parat haben (und zumeist erstaunlich gut singen). Das ist ja das Tolle an den Liedern von Udo Jürgens: Sie sind nicht nur zeitlos, sie sind auch universell, humorvoll und melancholisch, nachdenklich und lebensbejahend. Man kann sich Udo Jürgens dann wieder bildlich vorstellen: Wie er sich vergnügt auf die Schenkel klopft da oben im Himmel. Niemand wusste schließlich besser als er: "Die Welt braucht Lieder!"
Quelle: teleschau – der Mediendienst