Janne (Aenne Schwarz) mit ihrem Freund Piet (Andreas Doehler) - wird ihr Neustart noch klappen können?
Nach einer Party wird Janne vergewaltigt - und macht einfach weiter, wie bisher.

Alles ist gut

KINOSTART: 27.09.2018 • Drama • D (2018) • 94 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Alles ist gut
Produktionsdatum
2018
Produktionsland
D
Laufzeit
94 Minuten

Filmkritik

Fehlgeschlagener Versuch
Von Claudia Nitsche

Eine junge Frau wird bei einem Klassentreffen vergewaltigt. Doch die Rolle des Opfers will sie nicht einnehmen und führt ihr Leben unbeirrt fort.

Wenn jemand "Alles ist gut" sagt, liegt der Verdacht nahe, dass nichts gut ist. Gar nichts. So ist es auch im gleichnamigen Drama von Eva Trobisch. Janne zieht nach einer Vergewaltigung niemanden ins Vertrauen, lebt ihr Leben weiter, inklusive neuem Job. Dass die junge Frau ebendort ihrem Peiniger begegnet, scheint Ironie des Schicksals zu sein. Regisseurin und Autorin Trobisch schickt ihre Protagonistin auf eine selbstgewählte, einsame Reise – und lässt sie dabei zu einem unbeschriebenen Blatt verkümmern.

Janne (Aenne Schwarz) und Piet (Andreas Döhler) wollen neu anfangen. Sie reißen Tapeten von den Wänden. Janne scheint zu den schweigsameren Frauen zu gehören und Piet ist, wenn auch nicht unsympathisch, doch kaum nahbar. Sie sind wohl seit einigen Jahren ein Paar, haben beruflich gemeinsame Sache gemacht und sind in der Insolvenz gelandet. Dennoch wirken sie relativ zuversichtlich und können sich noch gut leiden. Sie renovieren ein Haus in Niederbayern, wollen auf dem Land neu starten. Doch dann kommt dieses Klassentreffen.

Janne trinkt mehr, als sie redet, Spaß hat sie eigentlich nur mit Martin (Hans Löw), einem biederen, aber lustigen Kerl. Es kommt gar nicht eins zum anderen, fast wirkt das, was nach der Party geschieht, wie ein Missgeschick, ein Versehen. Doch es war eine glasklare Vergewaltigung, die dennoch einfach passierte. Janne ist mehr genervt als entsetzt, will kein großes Ding draus machen. Und diese Haltung wird sie allen Widerständen zum Trotz durchhalten.

Zunächst scheint die Vergewaltigung wichtiger Bestandteil, was den weiteren Verlauf angeht: Wie passierte es? Hätte sie früher "Nein" sagen müssen? Waren sie beide zu betrunken? Doch am Tatbestand gibt es nichts zu rütteln. Beiden Beteiligten ist klar, was geschehen ist. Janne findet Martins Gebaren zwar lange Zeit nur albern, doch dann holt sich der scheinbar harmlose Typ, was er möchte. Die Frau schmeißt ihn raus, geht zu Bett und macht mit ihrem Leben weiter, als sei nichts gewesen. Kurz blicken wir in ihr Gesicht, doch am nächsten Morgen hat sie einen Termin und keine Zeit für Kleinigkeiten und Schwächen.

Auch ihre Mutter (Lina Wendel) zieht Janne nicht ins Vertrauen. Wo manövriert sie sich da rein und warum? Sie wird jeder Frage ausweichen, jede helfende Hand ausschlagen. Sie will kein Opfer sein, stürzt sich lieber in die Arbeit, in neue Aufgaben. Doch Regisseurin Trobisch konfrontiert ihre Protagonistin, die den Job als Lektorin annimmt, mit jenem Martin in ihrer neuen Berufswelt. Martin ist ein netter Kerl, schuldbewusst und bereit, Konsequenzen zu tragen. Doch die kleine, zarte Frau lässt ihn gegen Wände laufen.

Mit ihrem (Ver-)Schweigen zerstört die Frau ihre Gegenwart konsequent selbst. Damit hat niemand die Chance, Verantwortung zu übernehmen oder über Schuld zu sprechen, geschweige denn an Lösungen zu denken. Auch wenn es die womöglich nicht gibt, verschenkt das Drama sein Potenzial, da es in keine Richtung geht, sondern sich nur treiben lässt.

Trobisch hat den Film um ihre Hauptdarstellerin herumgeschrieben – und dabei gleichsam ihre Seiten leer gelassen. Es fällt schwer, als Zuschauer Halt zu finden. Janne ist zu keinem Zeitpunkt greifbar, ihr Verhalten unverständlich. Alles, was passiert, ist freundlich und oberflächlich, zwei Begriffe, die nicht angemessen sind. Vielleicht passt "Alles ist gut" in die "MeToo"-Debatte, es ist ganz sicher ein Film, über den man noch nächtelang diskutieren kann.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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