Höppner (Damian Hardung) und Vera (Lena Wedler) sind ein Paar und ziehen gemeinsam ins Haus von Frieders Großvater.
"Auerhaus" ist die wunderbare Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Bov Bjerg.

Auerhaus

KINOSTART: 05.12.2019 • Drama • D (2019) • 104 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Auerhaus
Produktionsdatum
2019
Produktionsland
D
Laufzeit
104 Minuten

Filmkritik

Auszeit vom Leben
Von Diemuth Schmidt

Neele Leana Vollmar ist eine ausgezeichnete Verfilmung des Bestsellers "Auerhaus" über eine ungewöhnliche WG in der deutschen Provinz gelungen. Dabei kann sie sich auf tolle Jungdarsteller verlassen.

Bitte nicht stören, nur schauen: Im "Auerhaus" werden gerade junge Menschen erwachsen. Mit ihrer ungewöhnlichen WG in der Provinz haben sich mehrere Freunde einen Raum geschaffen, in dem sie zu einem Kampf um das Glück, aber auch um Leben und Tod angetreten sind. Der gleichnamige Bestseller des deutschen Schriftstellers und Kabarettisten Bov Bjerg spielt in den 80er-Jahren und fühlt sich hervorragend ins Lebensgefühl der Protagonisten ein, die sich in einer Aufbruchstimmung befinden und sich nicht in gesellschaftlich vorgegebene Bahnen zwängen lassen wollen. Für all das findet Regisseurin Neele Leana Vollmar in ihrer Verfilmung genau den richtigen Ton und lässt mit außergewöhnlich guten Schauspielern die ungewöhnlichen Figuren auf der Leinwand lebendig werden.

Mit der Bestsellerverfilmung von Jan Weilers "Maria, ihm schmeckt's nicht" feierte Vollmar bereits 2009 einen großen Erfolg. Es folgten die mit vielen Preisen ausgezeichneten Kinderfilme rund um Rico und Oskar sowie zuletzt "Mein Lotta-Leben – Alles Bingo mit Flamingo" – alles Werke, mit denen der Regisseurin der Zugang zu einem jüngeren Publikum gelang. "Auerhaus" inszenierte sie nicht nur, sondern schrieb auch zum ersten Mal das Drehbuch. Die vielschichtigen Themen des Buchs transportiert Vollmar über die bis in die Nebenrollen fein ausgearbeiteten Charaktere, die sich gekonnt die Bälle zuspielen.

Als Erzähler des Films tritt der von Unsicherheiten geplagte Höppner (Damian Hardung, "Club der Roten Bänder") auf. Er besucht in einem entlegenen Winkel Westdeutschlands das "Gymnasium am Stadtrand" und fühlt sich dort wie ausgemusterte Ware. Mit seinem einsamen, sehr erwachsen und weise wirkenden Klassenkameraden Frieder (Max von der Groeben, "Fack Ju Göhte") verbindet ihn eine Zweckbeziehung: Frieder erledigt Höppners Hausaufgaben und hilft ihm so dabei, in der Schule nicht durchzufallen. Höppner lebt vor sich hin, erträgt den ihn immer provozierenden Stiefvater (Milan Peschel) zu Hause bei seiner Mutter, erlebt die erste Liebe und will herausfinden, wie viele Musterungsbescheide für die Bundeswehr zugeschickt werden, bis die Polizei vor der Tür steht. Doch dann reißt Frieders gescheiterter Selbstmordversuch Höppner aus seinem Trott.

Leben und leben lassen

Nach ein paar Monaten darf Frieder aus der örtlichen Psychiatrie wieder zurück ins Leben. Aber auf keinen Fall will er auf den Hof zu seinem Vater. Stattdessen würde er gerne mit Höppner ins leerstehende alte Haus seines Großvaters ziehen. Höppner traut sich aber nicht, allein auf den wahrscheinlich noch immer Lebensmüden aufzupassen, und überredet seine Freundin Vera (Luna Wedler, "Dem Horizont so nah") und die strebsame, aus betuchtem Elternhaus stammende Cäcilia (Newcomerin Devrim Lingnau) mitzukommen.

Den neuen Ort der Selbstverwirklichung nennen sie "Auerhaus" – der Name leitet sich vom falsch verstandenen Madness-Song "Our House" ab, der auf dem feinen 80er-Jahre Soundtrack des Films natürlich nicht fehlen darf. In dem altmodischen Kasten sitzen sie herum, trinken, spielen Federball und essen schon zum Frühstück Tsatsiki. Gerne sausen sie auch mit den Rädern im winterlich kalten Licht über kahle Landstraßen. Es ist eine Existenz ohne Ziel und Zweck, glücklich, solange sie die Welt da draußen aussperren und in ihren vier Wänden bleiben können.

Das Leben ohne Regulatoren einfach fließen zu lassen, dafür braucht es im Auerhaus nicht viel. In einer berührenden Szene setzt sich der den Jugendlichen wohlgesonnene Dorfpolizist (Hans Löw) mit ihnen an den Tisch, merkt dann aber bedauernd, dass er als Erwachsener nicht mehr Teil dieser Welt sein kann. Eine Melancholie, die auch den Zuschauer ergreift, der jedoch um die Vergänglichkeit dieses autonomen Raums weiß und die bald zuschnappende Realitätsfalle schon sieht. Wenn einer grundlos glücklich ist, dann habe er seine Entscheidung schon getroffen, sagt Pauline über Frieder. Jeden anzunehmen, wie er ist, und seinen eigenen Weg gehen zu lassen, so schmerzhaft es auch sein mag, diese Erkenntnis begleitet die Auerhaus-Bewohner in dieser klischeefreien, wunderbaren Coming-of-Age-Story.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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