Eine junge Hutmacherin sucht kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Budapest ihren Bruder: die ungarische Schauspielerin Juli Jakab als Iris Leiter.
Nach seinem Oscar-Erfolg "Son of Saul" drehte Regisseur László Nemes das Drama "Sunset", das kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs spielt.

Sunset

KINOSTART: 13.06.2019 • Drama • HU / FR (2018) • 141 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Napszállta
Produktionsdatum
2018
Produktionsland
HU / FR
Budget
9.900.000 USD
Laufzeit
141 Minuten

Filmkritik

Ein Hutmacherladen in Budapest
Von Wilfried Geldner

Oscar-Preisträger László Nemes ("Son of Saul") folgt in seinem neuen Film einer jungen Frau im Budapest des Jahres 1913: "Sunset" ist ein rätselhaftes Werk voller Symbolik.

Eine junge Frau (Juli Jakab) kommt nach Budapest. Sie betritt einen Hutladen, einen Salon, wie er genannt wird, in dem höchste Kreise verkehren, besonders der Adel. Iris Leiter, die junge Frau, probiert Hüte auf – ausladende, fantastische Modelle, wie sie damals zur Kaiserzeit in Mode waren. Aber in Wahrheit sucht Iris ihren Bruder, wie sich erst nach längerer Zeit herausstellen wird. Zu diesem Zweck dient sich die Modistin dem Besitzer des Hutladens an, auch ohne Lohn solle er sie in seine Dienste nehmen. Daraus entsteht ein doppelbödiges Spiel, das bis zum Ende des nahezu zweieinhalbstündigen Films "Sunset" anhalten wird. Doch der ungarische Regisseur László Nemes kann die Spannung, mit der er seine junge Frau von 1913 begleitet, nicht halten. Ohnehin werden dem Zuschauer von Anfang an verschiedene Lösungen des Hutmacher-Rätsels anheimgestellt.

Nemes schwelgt in dunklen Tönen, die Kamera saugt sich an Kleidern und Hüten fest, die – so wird einmal gesagt – das Böse verbergen. Wie schon in seinem oscarprämierten Auschwitz-Meisterwerk "Son of Saul" wählt Nemes auch hier wieder eine radikal subjektive Perspektive. Er begleitet seine junge Iris und ihre Recherchen, die immer wieder ins Leere laufen. Man rät ihr immer wieder fortzugehen und das Weite zu suchen, ahnt man doch, dass sie irgendwann dem Schicksal ihres Bruders und mehr noch dem wahren Hergang der Ereignisse auf die Schliche kommt. Der Bruder mag in revolutionäre Umtriebe verstrickt gewesen sein; ein Wahnsinniger gibt sich gar als dieser Bruder aus und bedrängt Iris in einer Szene, die einer Vergewaltigung gleicht.

Iris' Eltern hat einmal das Geschäft gehört, das immer noch ihren Namen trägt. Die Eltern kamen bei einem nicht weiter beschriebenen Brand ums Leben, Nutznießer des Unglücks ist der jetzige Besitzer, Herr Brill (Vlad Ivanov), der mit seinem Bart sofort wie der leibhaftige Kaiser Franz Josef wirkt. Mit dem Wiener Hof macht er sehr zweifelhafte Geschäfte, die gar in ein Hutmacherinnen-Casting münden, bei dem die attraktivste Dame einem Prinzen zugeführt wird.

Nicht auszudenken, was aus dem Film geworden wäre, hätte Regisseur Nemes nicht derart starke, authentisch wirkende Frauen wie die ungarischen Schauspielerinnen Juli Jakab als Iris und Evelin Dobos als resolute Geschäftsführerin des Hutladens gehabt. Nemes hatte nach eigener Aussage die Absicht, einen Film über eine Frau zu drehen, die von der Verlorenheit zur Stärke findet, "eine Johanna von Orléans Mitteleuropas". Doch leider verzettelt er sich in vagen zeitgeschichtlichen Andeutungen. Die anarchistischen Umtriebe, die durchaus gefährlich vor der Türe wüten, münden in einer Art Sturm auf ein Budapester Winterpalais. Und am Ende, auch das noch, sieht man Iris gar als Soldatin im Schützengraben.

Der Erste Weltkrieg hat den Verfall der Monarchie und ihre Dekadenz (Sadomaso inklusive!) abgelöst. Die bösen Schimären, sie haben gesiegt. Viel Symbolik und stilistischer Wille. Fließende Kamera, abrupte Schnitte, einander überlappende Geräusche, ausgesuchte Originalmusiken – und immer der suchend subjektive Blick der Kamera, die der Hutmacherin Iris stets wie eine Eule auf der Schulter sitzt. Für ein Porträt des Endes, des "Sonnenuntergangs" des alten Europa zu Beginn des Ersten Weltkriegs, ist das dann aber alles viel zu wenig.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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