Man muss die Wirklichkeit aushalten können, wenn man sich "Good Time" ansehen will. Der dreckige Gangster-Thriller schert sich so gar nicht um Konventionen, kennt keine Helden und lässt erst recht keine Gaunerromantik zu. Im Gegenteil. Die Filmemacher Ben und Joshua Safdie treiben in ihrem Heist-Movie ein von "Twilight"-Star Robert Pattinson angeführtes grandioses Underdog-Ensemble durch eine New Yorker Nacht, die immer finsterer, immer dreckiger und immer hoffnungsloser wird.
Am Ende dieser Nacht ist man wieder an den Anfang zurückgekehrt. Bei einem Psychologen, der sich um den geistig behinderten Nick (Ben Safdie) kümmert und ihn in einen Kurs zur seelischen Erbauung steckt. Nick ist völlig fremd dort, so wie allen alles fremd ist in diesem Film über die Distanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, der aber auch ein Film ist über die Nähe einer Bruderliebe und wie weit man dafür gehen würde.
Nicks Bruder heißt Connie (Robert Pattinson), ein kleines, aber selbstbewusstes Gaunerlicht, in gewisser Weise "street smart" und findig, aber auch völlig überfordert von eigenen Dilettantismus. Er überredet Nick zu einem Banküberfall. Mit Masken und handschriftlichen Zetteln rauben sie eine Tasche voll Geld. Alles scheint glatt zu gehen, würde da nicht irgendwann eine Farbbombe explodieren und Nick geschnappt werden.
Was folgt, ist eine fiebrige Tour de Force, eine Nacht, in der Connie von einer Fehlentscheidung zur nächsten hastet. Angetrieben vom brillanten und extrem aggressiven Soundtrack von Daniel Lopatin (Oneohtrix Point Never) will er seinen Bruder aus dem Knast holen und muss im Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei immer neue Auswege aus immer neuen Sackgassen finden.
Die Stadt ist ein Zustand
New York ist ein Labyrinth der Gehetzten, in dem sich Brutalität, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit an jeder Abzweigung potenzieren. Es ist großartig zu sehen, wie Robert Pattinson, der ehedem umschwärmte Vampir, immer blutleerer wird, wie seine Energie verloren geht, wie er Connie mit unmöglichem Bärtchen und blondierten Haaren dem Verfall preisgibt, den auch kurze Hoffnungsschimmer nicht aufhalten können.
Nichts ist glanzvoll im Big Apple der Safdie-Brüder, die Stadt ist ein Zustand. Laut, verschwitzt, verschlagen. Die Kamera reduziert die Räume, bis sie nur noch aus Körpern und Gesichtern bestehen. Das natürliche Zusammenspiel von Licht und Farben bringt eine zusätzliche fiebrige Nähe zu den Versagern, die sich hier durch ihr perspektivloses Leben schlagen. Man könnte an dieser Stelle die Fantasie der Filmemacher bewundern, fährt aber besser, wenn man ihren Sinn für die Realität lobt.
"Warum bist du immer so ein Arschloch?", wird Connie irgendwann von einem Zufallskomplizen gefragt. Seine Antwort ist eine Rede zum "State of the Union", eine wüste Beschimpfung all jener "Versager" und Sozialschmarotzer, die der Gesellschaft absolut nichts nutzen, denen eine gute Zeit einfach nicht vergönnt ist. Ein verbaler Spiegel, in den Connie da schaut.
Quelle: teleschau – der Mediendienst