Ob als Die Glenn Miller Story unter Anthony Manns Regie und als Lindbergh bei Billy Wilder. Beide, der Komponist und der Flieger, waren Vorbilder für ihn, den konservativen Amerikaner, für den Disziplin viel bedeutet. Von eherner Disziplin war er stets geprägt, das galt für seine streng moralische Lebensauffassung ebenso wie für die Filmarbeit. Zu Recht und zu Unrecht wird er in der Filmgeschichte als einer der großen Western-Stars gefeiert. Zu Recht, denn er hat mit einer Reihe von Figuren aus der amerikanischen Siedlerzeit das Bild des Genres mitgeprägt; zu Unrecht, weil Stewart im gleichen Maße auch immer Charakterdarsteller war. Schwierig erscheint es indes seine schönsten und typischsten Rollen festzulegen, denn er war ein ausgesprochen vielseitiger Schauspieler.
Sicher war James Stewart einer der besten Hitchcock-Helden, denn sein persönliches Image deckte sich mit dem des Protagonisten, der immer wieder in eine nur dem Zuschauer bekannte Falle stolpert: Ob im "Der Mann, der zu viel wusste", dem "Das Fenster zum Hof", "Cocktail für eine Leiche" oder in "Vertigo" - die Rollen waren ihm auf den Leib geschrieben; er ist der ahnungslose Familienvater, dem bei einer Sightseeing Tour in Marokko eine Leiche zu Füßen fällt, der Journalist, der mit gebrochenem Bein ans Zimmer gefesselt, seine Nachbarschaft entdeckt und zufällig Augenzeuge eines Mordes ist, der Psychologieprofessor, der entsetzt feststellt, wie wörtlich seine Schüler eine von ihm vertretene Hypothese ernst genommen haben und der ahnungslose Mann, der von einer schönen Frau betört, auf einen Psycho-Trip gerät.
James Stewart hat die großen Zeiten des amerikanischen Kinos mitgeprägt und mitgetragen, doch das junge Kino sagte ihm selten noch zu. Er hat oft gesagt, dass er sich ins Privatleben zurückziehen wolle, doch auch im hohen Alter stand er immer wieder vor der Kamera und er hätte weitergemacht, "wenn mir der Tod keinen Strich durch die Rechnung macht, als Großvater und alter, schrulliger Sonderling" - setzte er augenzwinkernd hinzu.
Stewart: Oh, ich finde es eigentlich ganz gut, dass der amerikanische Film allmählich wieder zu dem Typus zurückgekehrt ist wie er in den Dreißigerjahren oder sogar davor existierte. Heute findet eine Art von Kino statt, das in den Straßen von New York, Boston und Chicago entsteht. Aber die technischen Probleme sind da so groß und gewaltig, dass man eher wieder dazu neigt, die Straßen und Plätze und Szenerien im Studio in Hollywood aufzubauen, als an Originalschauplätzen zu drehen. Das hat durchaus auch Vorteile. Und ich muss sagen, dass sich meine persönliche Hoffnung bestätigt hat, die darauf gerichtet war, dass sich das Kino wieder mehr zur Phantasie und zum Escapismus hin entwickelt, als sich ewig im Realismus zu bewegen. Für mich lag eigentlich das größte Problem des amerikanischen Films darin, dass es an Vielfalt, an Variationsbreite fehlte. Es gibt immer so viel Hintergrund, so viel Bedacht auf Wirklichkeit, auf Authenzität, dass man darüber die Phantasie zu kurz kommen ließ und es zu einer Armut, zu einer Krankheit an Story, an Handlung kam. Sehen Sie, die Leute, die dem Alltag entfliehen wollen, die zu Hause mit der Existenz, mit den täglichen Sorgen und Nöten zu kämpfen haben und am Bildschirm Tag für Tag mit Hunger, Elend, Armut, Krieg und Katastrophen in der Welt konfrontiert werden, die gehen ins Kino und finden da die gleiche grausame Wirklichkeit wieder. Und glauben Sie, dass sie sich dann entspannen können? Ich glaube an den Unterhaltungsfilm, und der nimmt in unserer Zeit wieder zu, weil er erfolgreicher ist als Tendenzfilme. Und das ist gut so.
Frage: Sie waren "Glenn Miller", der Flieger "Lindbergh", waren bei Lubitsch der kleine Verkäufer vom "Laden um die Ecke" und der "Mann aus Laramie" im Western von Anthony Mann. Was waren Sie im Verlauf Ihrer Karriere am liebsten?
Stewart: Ohne lang nachzudenken: der Charakter in Frank Capras "Ist das Leben nicht schön?"
Frage: Warum?
Stewart: Ich liebe die Charaktere, die Capra entwickelte und gerade diese eine Person ganz besonders. Es war auch Frank Capras Lieblingsfilm. Ich las es in seinem Buch und war überrascht. Mag sein, dass das eine sentimentale Erinnerung ist."
Frage: James Stewart war einer der großen Stars wie Gary Cooper, Clark Gable und Humphrey Bogart. Gibt es für Sie heute in unserer Zeit noch Stars?
Stewart: Nun, Leute wie Dustin Hoffman sind sicher Stars, auch Clint Eastwood und Burt Reynolds. Es sind andere Zeiten und natürlich sind die Identifikationsfiguren andere. Natürlich widmet man heute den Stars nicht so viel Beachtung wie in den Zeiten der großen Studios. Da arbeitete ja alles daran, Stars zu erschaffen. So kreierten beispielsweise die Metro Goldwyn Mayer Jean Harlow und Joan Crawford, und es gab die einen Stars, die nur Glamour oder Typen waren und die anderen, die wirkliche Schauspieler waren. Oft vermischte sich das, oder es wurde ein guter Typ plötzlich zum Schauspieler zum Charakterdarsteller wie mancher B-Picture-Star. So war Duke (John Wayne) anfangs nur ein guter Typ und John Ford machte ihn zum Schauspieler.
Frage: Sehen Sie heute noch viele Filme? Gehen Sie ins Kino?
Stewart: Ich gehe nicht mehr oft ins Kino, sehe selten Filme. Ich habe keine große Beziehung zum Kino von heute. Ich sehe gerne den Burt Reynolds, weil er eine gute Art von Humor hat und Clint Eastwood, weil ich sein Gefühl für Action schätze.
Frage: Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass der Militärdienst aus Ihnen einen besseren Zivilisten gemacht hat. Wie ist das zu verstehen?
Stewart: Ich glaube das wirklich. Für mich persönlich war das eine wichtige Schule, eine Schule der Disziplin. Und Disziplin finde ich sehr wichtig. Ich habe 27 Jahre bei der Armee gedient, da habe ich den Wert von Disziplin kennengelernt und im täglichen Leben kommt es einem immer wieder zugute, wenn man es verstanden hat, Disziplin zu praktizieren.
Frage: Glauben Sie, dass es für junge Menschen heute wichtig ist, militärische Disziplin zu lernen?
Stewart: Oh ja, ich halte das für eine wichtige Voraussetzung, mit dem täglichen Leben fertig zu werden. Und nirgendwo wird man so konsequent mit der Disziplin konfrontiert wie beim Militär.
Frage: Nun ist ja im Namen dieser militärischen Disziplin viel Unheil in der Weltgeschichte angerichtet worden, denkt man nur an den Zweiten Weltkrieg, an Hitler, an Vietnam ...
Stewart: Ja, man darf das aber nicht in einen Topf werfen. Disziplin und militärische Schulung sind ja nicht unbedingt verantwortlich für all diese Dinge.
Frage: Sie haben mit der fast gleichaltrigen Bette Davis den Film "Am Ende des Weges" gedreht und Sie sind die Arbeit immer noch nicht müde geworden - auch wenn es gelegentlich hieß, Sie würden sich ins Privatleben zurückziehen?
Stewart: Man sagt das immer und ich habe es ja auch eigentlich getan, doch als Schauspieler, der noch denken und sprechen und spielen kann - und auch noch gefragt wird, bleibt man aktiv. Vorgestern habe ich die Helden gespielt, gestern die Väter, heute bin ich der Großvater oder Urgroßvater - warum nicht? - solange mir der Tod keinen Strich durch die Rechnung macht.
Das Gespräch führte Heiko R. Blum (1935-2011).
Weitere Filme mit James Stewart:
Außerdem hatte Stewart neben seiner Rolle Professor in "The Jimmy Stewart Show" (1971) und als Anwalt Billy Jim Hawkins auch Gastauftritte in den TV-Serien "Arthur Godfrey And His Friends" (1949). "General Electric Theater" (1955), "Startime" (1959), "Password" (1964), "The Jack Benny Programm" (1964), "Parkinson" (1971), "Wogan" (1982) und "My Secret Identity" (1991).
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