Eine Frau mit Bart? Es ist schon etwas dran, wenn "Rosalie" als "aktuelle Ode an Feminismus und Akzeptanz" beworben wird. Heute gibt es in der Hinsicht ja eigentlich nichts mehr, was es nicht gibt. Zu der Zeit, in der diese Geschichte spielt, war das allerdings noch ganz anders, vor allem im Hinblick auf die "Akzeptanz": Das historische Drama "Rosalie" handelt von einer Frau, die sich im späten 19. Jahrhundert dazu entschließt, ihren Bart offen zur Schau zu tragen.
Rosalie Deluc (Nadia Tereszkiewicz) hat seit ihrer Jugend mit starkem Haarwuchs zu kämpfen. Die Stoppeln am Körper kann sie unter der Kleidung verstecken, aber den Bart muss sie regelmäßig rasieren aus Angst, sonst zum Gespött der Leute zu werden. Und natürlich auch, um mögliche Ehemänner nicht zu verschrecken.
Cafébesitzer Abel (Benoît Maigmel) ahnt nichts von Rosalies haarigem Geheimnis, als er die junge Frau heiratet. Doch irgendwann fällt natürlich doch auf, dass seine Gattin in gewisser Weise anders ist als andere Frauen. Als das Paar dann von einem immer größer werdenden Schuldenberg erdrückt zu werden droht, fasst Rosalie einen mutigen Entschluss: Sie will aufhören, sich ständig zu rasieren, und Kapital aus ihrem Bart schlagen.
Menschen ausstellen, die offensichtlich von der "Norm" abweichen, das war im 19. Jahrhundert mal eine große Sache. In "Rosalie" wird es allerdings ein wenig anders gedreht als in den sogenannten "Freak Shows", die in ihrer Abscheulichkeit längst undenkbar sind: Rosalie bedient zwar den Voyeurismus des Publikums, tut es aber zu ihren eigenen Konditionen, und so wird der Bart für sie auch zu einem Symbol der Befreiung und der Selbstermächtigung.
Als Vorbild für "Rosalie" (Regie und Drehbuch: Stéphanie Di Giosto) diente die reale Biografie von Clémentine Delait, einer französischen Barbetreiberin, die kurz nach 1900 als "Femme à Barbe" ("Frau mit Bart") bekannt wurde. Der legendäre P. T. Barnum höchstselbst soll einst versucht haben, Delait für seine Zirkus-Shows anzuwerben – sie lehnte angeblich ab, um ihr eigenes Ding zu machen.