Edmond Rostand (Thomas Solivérès) wandelt durch die Straßen von Paris.
In drei Wochen geht der "Vorhang auf für Cyrano": Doch vorher muss das Stück erst noch geschrieben werden. Das kann ja heiter werden ...

Vorhang auf für Cyrano

KINOSTART: 21.03.2019 • Historienfilm • FR (2019) • 113 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Edmond
Produktionsdatum
2019
Produktionsland
FR
Laufzeit
113 Minuten

Filmkritik

Die Macht der Worte
Von Andreas Fischer

"Vorhang auf für Cyrano" erzählt als lustvolle Komödie, wie Frankreichs beliebtestes Theaterstück entstanden ist. Schön, dass der Film dabei ziemlich häufig über die Stränge schlägt.

Am Anfang ist das Wort. Das will aber niemand hören, damals im Paris des Jahres 1895. Was der Theaterautor Edmond Rostand der Schauspieldiva Sarah Bernhardt in den Mund legte, mag noch so poetisch sein: Das Publikum ist gnadenlos. Es ist nicht die Zeit für Verse, das Stück floppt, der junge Mann hat keine Zukunft auf den Bühnen der Stadt und sitzt zunehmend vor Blättern, die einfach leer bleiben. Das Selbstbewusstsein mag ramponiert sein, Rostand aber ist ein Typ, der nicht nur die Worte liebt, sondern auch das Theater und der tief im Herzen mit unerschütterlichem Optimismus gesegnet ist. Mögen die Zweifel auch noch so groß sein. Also schreibt er doch wieder, und irgendwann geht der "Vorhang für Cyrano" auf

Wie Rostand, von Thomas Solivérès mit umwerfendem Charme gespielt, ist auch sein neuer Held ein Meister des Wortes: Alexis Michalik erzählt in seinem Regiedebüt die Entstehungsgeschichte von "Cyrano de Bergerac", des beliebtesten und erfolgreichsten Stücks auf Frankreichs Bühnen. Es ist eine fiktive, reichlich idealisierte Geschichte – und eine sehr vergnügliche. Aber wo, wenn nicht im Kino – oder im Theater -, darf die Fantasie der Wirklichkeit enteilen?

Zumal die Wirklichkeit das Genie zu oft verkennt. Wie Rostand könnte auch Regisseur Alexis Michalik lange Verse darüber schreiben. Er hatte die erste Idee für den Film, als er "Shakespeare in Love" sah, er schrieb ein Drehbuch, bekam aber kein Geld für die Produktion. Erst als seine Geschichte als Bühnenstück reüssierte, öffneten sich die Produzentenportemonnaies. Dass das Theater das Kino ermöglicht, ist eine schöne Pointe: Als "Cyrano de Bergerac" 1897 uraufgeführt wurde, machten die bewegten Bilder ihre ersten Gehversuche in öffentlichen Aufführungen.

Die Popstars dieser Zeit aber waren die Theaterleute, die Schauspieler, die Autoren, die Intendanten. Auch Rostand, damals nicht einmal 30 Jahre alt, hat trotz seines letzten Flops einen guten Ruf und soll dem beliebten Schauspieler Constant Coquelin (Olivier Gourmet) eine Komödie auf den Leib schreiben. Ein Stück in drei Wochen auf die Bühne bringen, wenn man nicht einmal eine Idee hat? Dafür braucht man eine Menge Schneid. Und den hat Rostand, obwohl man es ihm in seinem Milchgesicht nicht ansieht.

Der junge Autor aber wächst über sich hinaus, weil er die Worte liebt und das Theater, wo sich Affektiertheit und Hingabe die Hand geben. Rostand improvisiert und findet seine Inspiration in seinem Alltag, in dem er der hübschen Kostümschneiderin Jeanne (Lucie Boujenah) betörende Liebesbriefe im Namen seines gutaussehenden, aber nicht besonders geistreichen Freundes Léo (Tom Leeb) schreibt.

Zuversicht, Liebe und eine Muse: "Vorhang auf für Cyrano" zeigt, was die Kunst braucht, um zu entstehen, und dass sie sich auch von windigen Produzenten, unfähigen Schauspielern und defekten Falltüren nicht aufhalten lässt. Glatt geht hier gar nichts, aber das ist auch gar nicht wichtig. So wird ziemlich viel ziemlich schnell geredet in diesem heiteren Stück, das altmodisch inszeniert sein mag und, etwa wenn Anton Tschechow im Bordell auftaucht, immer wieder lustvoll über die Stränge schlägt. Das kann man der Komödie freilich nicht übelnehmen, weil sie das Herz am rechten Fleck trägt.

Man sitzt fiebernd davor, hält den Atem an, lacht sich ins Fäustchen oder schwelgt in Träumen. So schön kann das Theater sein, und so schön kann das Kino sein. Beide bekommen den Film, den sie verdient haben: Alexis Michalik schenkt den Worten große Bilder und beglückt die Bilder mit großen Worten, was in der famosen Schlussszene der Premiere gipfelt, in der sich Theater und Kino gemeinsam von der Wirklichkeit entkoppeln.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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