1971 drehte Hans-Dieter Grabe den ersten Film über Mendel Szajnfeld, einen Juden aus Polen, der auf Grund gesundheitlicher Spätschäden als Folge der Haft in deutschen Lagern (Konzentrationslager Plaszow, Arbeitslager in Krakau und Tschenstochau) nicht mehr arbeits- und kaum noch lebensfähig war ("Mendel Schainfelds zweite Reise nach Deutschland" am 22. Oktober in 3sat; Grabe kam damals mit seinem Protagonisten überein, für den Titel die deutsche und nicht die polnische Schreibweise zu wählen, um den deutschen Zuschauern die Annäherung an diesen Film nicht durch einen Namen im Titel, von dem die meisten nicht wissen, wie er auszusprechen ist, zu erschweren). 27 Jahre später sahen sich beide wieder. Es entstand "Mendel lebt", Grabes Wiederbegegnung mit einem veränderten Mendel Szajnfeld. Hans-Dieter Grabe: "So wie mir wird es manchem meiner Kollegen gehen: Da waren vor Jahren oder Jahrzehnten Menschen vor unserer Kamera, und wir bekommen sie und das, was sie gesagt haben und wie sie es gesagt haben, einfach nicht mehr aus dem Kopf. Es genügt, dass jemand ein Wort auf eine bestimmte Weise betont, und schon sehen wir "unsere" Person vor uns und hören, wie sie im Film genau dieses Wort auf dieselbe Weise ausspricht. Einer dieser Menschen, die so mein Leben begleiteten, ist Mendel Szajnfeld. 1971 reisten meine Fernsehkollegen und ich mit Mendel Szajnfeld im Zug von Oslo, seinem Wohnort, nach München. Dort wollte er einen medizinischen Gutachter aufsuchen, um mit seiner Hilfe von den deutschen Behörden eine Erhöhung seiner Spätschädenrente zu erreichen. Zum ersten Mal in seinem Leben berichtete der gebrochene Mann über seine Erfahrungen mit den Deutschen - vor uns Deutschen und auf einer Reise nach Deutschland. Damals hätte ich nicht gedacht, dass Mendel Szajnfeld 27 Jahre später noch am Leben sein würde. Im Sommer 1998 fuhr ich nach Oslo, um Mendel Szajnfeld wiederzusehen. Ich hatte eine digitale Videokamera dabei, weil ich unsere Wiederbegegnung ganz direkt festhalten wollte. In seiner kleinen Küche schnitt Mendel Szajnfeld das Brot für uns beide. Nicht mit der Maschine schnitt er es, sondern mit dem Messer, langsam und andächtig und ganz genau, Scheibe für Scheibe. Und vor mir sah ich, wie ihn 1971 die Erinnerung an die Jahre in den Lagern überwältigt hatte: 'Ich habe auch manchmal Gras versucht zu essen. Es war aber nicht dasselbe. Brot, Brot, Brot, mal satt zu werden! Ich hatte Hunger! Das war der einzige Gedanke. Leben, leben!' Der 76-Jährige 1998 vor meiner Kamera hat aber keine Tränen in den Augen. Seine Augen leuchten, als er zu mir sagt: 'Es ist recht herrlich, daran zu denken, dass man essen kann, so viel man Lust hat.'"