Freche, wagemutige Gören: Nina (Flora Li Thiemann, links) und ihre Freundin Jameelah (Emily Kusche) bieten sich auf dem Straßenstrich an.

Tigermilch

KINOSTART: 17.08.2017 • Komödie • Deutschland (2017) • 106 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Tigermilch
Produktionsdatum
2017
Produktionsland
Deutschland
Laufzeit
106 Minuten
Regie

Filmkritik

Wenn das Leben hart zuschlägt
Von Rupert Sommer

Ein Film, den man keinesfalls als Teeniekomödie missverstehen sollte: Die Romanverfilmung "Tigermilch" erzählt von zwei jungen Berliner Gören, die schneller erwachsen werden, als es ihnen selbst lieb sein kann.

Es ist Sommer in der Stadt. In der Luft liegt der Duft von Freiheit. Und, ja auch, von "Tigermilch". Gemeint ist damit eine auch für so manchen Erwachsenen toxische, für die beiden 14-jährigen Freundinnen Nina (Flora Li Thiemann) und Jameelah (Emily Kusche) eigentlich strikt verbotene, aber eben doch so süßlich-reizvolle Mischung aus Milch, Maracujasaft und Mariacron. Großzügig panschen sie diesen Billig-Cocktail auf der Schultoilette zusammen, streifen sich die frechen, über-knielangen Ringelstrümpfe über und ziehen johlend durch die Straßen Berlins. Auf Männerfang. Auf Abenteuer. Auf einer Reise in eine hitzig-heiße Zeit, an deren Ende so etwas wie ein Älterwerden stehen könnte.

Regisseurin Ute Wieland ("Freche Mädchen", "FC Venus") schrieb selbst das "Tigermilch"-Drehbuch, um das rasante, radikale Romandebüt von Stefanie de Velasco für die Kinoleinwand zu adaptieren. Heraus kommt ein Film, vor dem gewarnt werden muss.

Ein fast tragisch überladener Film

Und diese Warnung müsste eigentlich schon mit dem Lolita-lasziven Filmplakat in poppigen Neon-Graffiti-Farben begonnen werden, das die beiden stark spielenden, aber eben doch blutjungen Hauptdarstellerinnen ziemlich missverständlich aufgekratzt zeigt. "Tigermilch" ist nur für ganz wenige Minuten, die der Verleih aber gerne prominent im Trailer einsetzt, eine Teenie-Sommer-Party-Komödie. Auch wenn die einschlägigen "Wir lassen uns deflorieren"-Pläne, dann doch überraschend verschüchterte erste Küsse, ausschweifenden Tanz- und Alkoholexzesse, aber auch das Posieren im Freibad natürlich nicht fehlen dürfen. Im Kern ist "Tigermilch" ein ernster, tragischer, fast tragisch überladener Film, der davon erzählt, wie der Einbruch der harten Wirklichkeit die Belastbarkeit zweier junger Frauen allgemein, aber auch ihre Freundschaft und Loyalität untereinander auf eine schmerzhaft harte Probe stellt.

Tatsächlich streifen Nini und ihre beste Freundin Jameelah, eine Deutsche mit irakischem Pass, über deren Einbürgerungsantrag entschieden werden soll, nicht nur durch die Großstadt. Meistens bleiben sie doch in ihrem von vielen sozialen Spannungen geprägten Hochhaus-Kiez hängen, in der viel gestritten, geprügelt und gebrüllt wird.

Besonders hoch schlagen die Wellen, wenn die noch viel freiheitsliebendere Jasna (Luna Zimic Mijovic) von ihrem strengen, bosnisch-muslimisch geprägten Bruder Tarik (Alexandru Cirneala) eingefangen wird – angeblich aus Gründen der religiösen Ehrbarkeit. Aber dann stammt Jasnas Geliebter Dragan eben doch aus einer serbischen Familie. Ohne zu ahnen, in welche Situation sie gerade gestolpert sind, werden Nini und Jameelah Augenzeugen eines schrecklichen Verbrechens, das man nicht mehr vergessen kann: Ausgerechnet vom Kinderspielplatz aus, einem Rückzugsort seit frühester Jugend, beobachten sie einen schrecklichen Mord. Mit echt verstandener "Ehre" hat der wenig zu tun.

Selbstbewusst und verletzlich zugleich

Es ist der erste Moment, in der jäh die Härte in den Teenie-Alltag von Pickeln, Pubertät und Provokationen einbricht. Und es wird für Nina und Jameelah nicht der letzte sein. Stefanie de Valasco hat das in ihrem viel beachteten jungen Roman so beschrieben. Heraus kam eine wilde, oft ein wenig wüste Mischung eines typischen Debüt-Textes, der dennoch viele Leser fand. In der Filmversion spürt man die große Routine von Ute Wieland, die sich auf zwei starke junge Darstellerinnen verlassen konnte, die es schaffen, gleichzeitig selbstbewusst und verletzlich zu wirken.

Trotzdem hinterlässt der Stoff einen ähnlich unausgegorenen Eindruck wie der krude "Tigermilch"-Drink: Man kann Nini und Jameelah nicht vorwerfen, dass sie noch nicht wissen, ob sie nun Mädchen oder junge Frauen sein wollen. Der Kinofilm muss sich allerdings schon fragen lassen, wie sehr man unter unbeholfenen Kunstbegriffen wie "Dramödie" oder "Dramedy" die doch sehr gegensätzlichen Spannungen von bitterem Ernst sowie verkaufsförderlicher Albernheit und Teenie-Leichtigkeit strapazieren kann. Insofern muss vor "Tigermilch" gewarnt werden.

Quelle: teleschau – der Mediendienst

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