Einmal bitte alles

KINOSTART: 20.07.2017 • Komödie • Deutschland (2017) • 85 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Einmal bitte alles
Produktionsdatum
2017
Produktionsland
Deutschland
Laufzeit
85 Minuten

Filmkritik

Nichts machen ist zu wenig
Von Andreas Fischer

Zwischen Vegan-Nazis und Spießer-Klausis: Die Münchner Dauerpraktikantin Isi sucht ihren Platz im Leben und will in einem unterhaltsamen und sensiblen Porträt der Generation Y "Einmal bitte alles".

"Ois easy", sagt man in München, wenn's läuft. Aber easy ist bei Isi gar nichts. Sie lebt mit ihrer besten Freundin Lotte in einer WG in München, mag einerseits ihre Freiheit, hätte aber auch nichts gegen einen regulären Job. Mit ihren 27 Jahren kann sie ja nicht ewig Praktikantin bleiben. "Theoretisch habe ich noch das ganze Leben vor mir", findet sich Isi irgendwo im Niemandsland zwischen Hoffen und Bangen wieder, das zum typischen Habitat für die Generation Y geworden ist. Groß sind dort die Träume, aber genauso groß sind die Sorgen der Mittzwanziger, die sich einerseits mit aller Macht selbst verwirklichen wollen, anderseits aber ein großes Bedürfnis nach Sicherheit haben. "Einmal bitte alles" hat Regisseurin Helena Hufnagel ihr Kinodebüt genannt, einen trefflicheren Titel hätte sie ihrer von einfühlsamer Komik getragenen Beschreibung des Lebensgefühls einer ganzen Generation nicht geben können.

Obwohl Isi, wunderbar glaubwürdig von Luise Heyer gespielt, ihr Diplom in der Tasche hat, muss sie sich, wie bei den Millenials üblich, von Praktikum zu Praktikum hangeln. Wenn sich die Illustratorin irgendwo bewirbt, ist sie entweder überqualifiziert oder hat zu wenig Berufserfahrung. Die Chance, sich als Kaffeeträgerin für höhere Aufgaben zu empfehlen, ist allerdings gering. Dafür fehlt Isi die Bereitschaft zu buckeln.

Sie träumt lieber von der Veröffentlichung ihrer eigenen Graphic Novel zu Motiven aus F. Scott Fitzgeralds "Die Schönen und Verdammten": Weil die jungen Leute vor 100 Jahren schon die gleichen Probleme wie heute hatten. "Sie können was gut und haben keine Chance", wie Isi dem Ur-Münchner Klausi (Maximilian Schafroth) erklärt. Obwohl sie niemals zu einem alten Gammler wie Klausi werden wollte, ist sie bei ihm eingezogen. Mit ihrer besten Freundin Lotte (Jytte-Merle Böhrnsen) hat sie nämlich plötzlich nicht mehr viel gemeinsam.

Vor kurzem hatten sie sich noch gemeinsam geärgert, dass es einfacher sei, schwanger zu werden, als einen Job zu bekommen. Und dann hat Lotte kurze Zeit später einen Job bei einem hippen Vegan-Magazin, ist verliebt in einen Italiener und guter Hoffnung. Ois easy ist es zwar auch bei Lotte nicht lange, aber ihr neues, schickes Leben reicht erst mal aus, um Isi in eine mittlere Sinnkrise zu stürzen.

Muss man mithalten, wenn alle plötzlich Erfolg haben und sich in die Leistungsgesellschaft integrieren? Oder kann man auch weiterhin auf der Couch rumgammeln, sich abends die Birne zulöten und bei Facebook Dinge posten, die einem am nächsten Morgen leidtun? Auch wenn ihrem Film etwas mehr Spannung und etwas mehr Dramatik gutgetan hätten, macht Helena Hufnagel Isis grundsätzlichen Lebenskonflikt sehr gut nachvollziehbar.

Die Kinodebütantin ist eine wunderbare, weil empathische Beobachterin, die ihre Szenen wirklichkeitsnah gestalten kann. Was nicht zuletzt daran liegt, dass "Einmal bitte alles" nicht, wie andere Filme über diese Altersgruppe es üblicherweise tun, im von Hipstern annektierten Berlin spielt, sondern in München. Subtile Gesten und unscheinbare Nebensätze reichen aus, um Isis Probleme zu illustrieren. Wo will sie hin? Wo kann sie wohnen? Wie lange muss sie sich noch von Glückskeksen ernähren? Was soll das ganze Gelaber über veganen Wein?

Nichts hängt an der großen Glocke, und gerade deshalb kann man teilhaben an Isis Leben, in dem zwischen all ihren Gefühlsausbrüchen, zwischen tiefer Verzweiflung und unbändigem Jubel, immer Platz ist für den Witz, den man braucht, um irgendwie durch den chaotischen Alltag zu kommen. Isi wird ihren Weg aus dem Chaos finden. Ein bisschen aufräumen im Leben, das findet sie irgendwann gar nicht mal so schlecht. Sie bekommt zwar immer noch nicht "Einmal bitte alles", aber sie weiß, dass ois easy sein kann, wenn man ein paar Kompromisse eingeht.

Quelle: teleschau – der mediendienst

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