Wahrscheinlich jeder hat es schon einmal erlebt, wenn auf der Straße Wut und angestaute Aggressionen ungebremst hervorbrechen. Wüste Beschimpfungen, abfällige Gesten und provokante Fahrmanöver gehören leider zum Verkehrsalltag – münden, anders als im nun startenden Actionthriller "Unhinged – Außer Kontrolle", zum Glück aber eher selten in einen verheerenden Amoklauf.
Weil die wie so oft zeitlich schlecht organisierte Rachel (Caren Pistorius) auf dem Weg zur Schule ihres Sohnes Kyle (Gabriel Bateman) ihren Vordermann an einer grünen Ampel ungeduldig anhupt und überholt, gerät sie im Handumdrehen in Teufels Küche. Am Steuer des anderen Wagens sitzt nämlich ein höchst ungemütlicher Zeitgenosse (Russell Crowe), der vor nichts zurückschreckt, um seinen Frustrationen freien Lauf zu lassen. Wild entschlossen heftet er sich an die Fersen der frisch geschiedenen jungen Frau und zieht alsbald auch ihre Freunde und Verwandten in den privaten Kleinkrieg hinein.
Dass mit der Figur des Amokfahrers nicht gut Kirschen essen ist, verraten Regisseur Derrick Borte ("American Dreamer") und Drehbuchautor Carl Ellsworth ("Red Dawn") schon in der ersten Szene des Films. Ohne mit der Wimper zu zucken, tötet der namenlose Bartträger hier seine Ex-Gattin und ihren neuen Partner und steckt das Haus in Brand. Der in seiner plötzlichen Gewalteskalation ungemein erschütternde Einstieg gibt unmissverständlich die Richtung vor.
Auch wenn die anschließende Titelsequenz eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Verrohung der Menschen auf den Straßen suggeriert, konzentriert sich "Unhinged – Außer Kontrolle" einzig und allein auf den Rundumschlag eines Mannes, der seine Umwelt für sein eigenes Scheitern und seine deprimierende Lebenslage verantwortlich macht.
Der einfach gestrickte Reißer arbeitet seine Charaktere nur dürftig aus und schafft es vor allem deshalb, den Zuschauer zum Mitfiebern zu animieren, weil die Rollen klar verteilt sind. Rachel mag unzuverlässig zu sein, steht aber eindeutig auf der guten Seite, während ihr Widersacher als ultrabrutaler, seelisch instabiler Berserker inszeniert wird. Der erstaunlich aufgedunsene Oscar-Preisträger Russell Crowe (prämiert für seine Darbietung in "Gladiator") verleiht diesem Wirrkopf eine wahrhaft bedrohliche Aura, kann seine eindimensional angelegte Rolle allerdings nicht auf eine höhere Stufe heben.
Die größtenteils handgefertigten Actionpassagen, die stets von nervöser Musik begleitet werden, treiben den Puls ein ums andere Mal nach oben. Viel zu oft würgen Ungereimtheiten jedoch die Spannung ab. Wie leicht der zu allem bereite Verfolger aus Rachels Handy alle nur erdenklichen Informationen über sein Opfer zieht, ist beispielsweise absolut unglaubwürdig. In diversen Szenen wirft das Verhalten der bedrängten Protagonistin Fragen auf. Und ähnlich wundersam ist die Handlungsfähigkeit, die sich der Bösewicht trotz mehrerer Verletzungen bewahrt. Von einem B-Movie wie diesem darf man freilich keinen ausgeprägten Realismus verlangen. Wiederholt treibt es der Film aber so weit, dass einen die logischen Brüche regelrecht anspringen.
In das grobschlächtige Bild fügt sich der schon nach rund 70 Minuten beginnende Showdown bestens ein. Erwartungsgemäß muss sich Rachel auf der Zielgeraden ihrem Gegner und seinem barbarischen Vorgehen anpassen, statt ihren Verstand einzusetzen.
"Unhinged – Außer Kontrolle" hat sicherlich seine effektiv-nervenaufreibenden Momente. Wer sehen will, wie sich aus einer Konfrontation im Straßenverkehr ein ambitionierteres Katz-und-Maus-Spiel entwickelt, sollte sich allerdings lieber Roger Michells Thriller-Drama "Spurwechsel" aus dem Jahr 2002 vornehmen, in dem Samuel L. Jackson und Ben Affleck nach einem Unfall aneinandergeraten.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH