Wenn Susanna Simon wieder einmal auf dem Flughafen von Alma Ata in Kasachstan landet, dann war's die Sehnsucht ganz allein. Sehnsucht nach Weite und Wildnis und Abenteuer, nach Bergwanderungen im Tien-Schan-Gebirge und nach Schafen und Pferden, den Nationaltieren Kasachstans. Alle drei, vier Jahre macht sich die Kölner Schauspielerin auf in das Land, in dem sie geboren wurde. Dann besucht sie ihre Großeltern, bei denen sie aufwuchs, und die vielen Onkel, die mit den Chinesen jeden Tag Geschäfte von, na ja, eher windiger Natur trieben. Immer in Susannas Gepäck: Videocassetten. Keine schwarz-kopierten Blockbuster aus Hollywood, sondern die jüngsten Filme mit ihr. Der "Tatort" ("Bittere Mandeln", 1999), Literaturverfilmungen, Guildo-Horn-Klamauk ("Waschen, Schneiden, Legen", 1999) und ihr RTL-Skandal-Movie "Die Heilige Hure" (1998) mit Sven Martinek.
Und alles auf Deutsch, versteht sich. Kasachische Untertitel? Gibt's nicht. "Außerdem ist es egal, dass meine Verwandten kein Deutsch verstehen", sagt Susanna Simon, "sie sind auch stolz, wenn sie mich im Fernsehen nur sehen." Wie kam es, dass die 1969 in der fernen Steppen-Republik geborene Tochter einer jüdischen Russin und eines UNO-Computerexperten aus Sachsen zu einem Geheimtipp im deutschen Film wurde? Mit fünf verließ Susanna Simon Kasachstan in Richtung Leipzig. Ihre Eltern hatten in Leningrad zu Ende studiert und holten ihre Tochter von den Großeltern aus Alma Ata. In der DDR dann Schule und Abitur.
1988 Ausbildung an der Ernst Busch Schauspielschule in Berlin. Engagements am Maxim Gorki Theater, am Schiller Theater, an den Münchner Kammerspielen, zuletzt am Deutschen Theater. Dann wurde sie fürs Fernsehen entdeckt, drehte 1999 nach "Winterkind" (1997) zum zweiten Male mit Margarethe von Trotta: die "Jahrestage" (1999) von Uwe Johnson. Das klingt nach anspruchsvoller Unterhaltung. Ist es auch. War zuletzt aber nicht immer so. Stichwort: Guildo Horn und Heinz Becker. Die Klamotten "Waschen, schneiden, legen" und "Tach, Herr Dokter" floppten 1999 deftig. Beide Male mit von der Partie: Susanna Simon. "Ich hätte nicht gedacht, dass der Guildo-Film ein solcher Riesenflop wird", gibt sie zu, "manchmal bekommt man ja während der Arbeit Zweifel. Das war aber überhaupt nicht der Fall. Ich fand mich gut!"
Ihr Motto: "Man muss bei der Auswahl der Filmangebote vorsichtig sein, sich trotzdem eine gewisse Naivität bewahren und ins nächste Abenteuer stürzen." Ab und zu ging Susanna Simon zu dieser Zeit noch mit Guildo Horn ins Müngersdorfer Stadion zum FC. Danach zog es die "Europäerin" mit ihrem Freund, einem Drehbuchautor, wieder Richtung Berlin. Nicht nur wegen ihres Freundes liegt Susanna Simon das Thema "Drehbuchschreiben" am Herzen. Für sie kränkelt der Film momentan vor allem wegen schlechter Drehbücher. Das sei weniger die Schuld der Autoren, vielmehr der Sender-Redakteure und Produzenten, denen der Mut zum Risiko fehlt. Und zum Abenteuer, das Susanna Simon täglich sucht.
Weitere Filme mit Susanna Simon: "Schlagbaum" (1992), Roger Spottiswoodes "Mesmer", "Endloser Anschied" (beide 1994), "Tödlicher Duft" mit Petra Kleinert), "Liebe, Leben, Tod" mit Katharina Thalbach, "Polizeiruf 110 - Lauf oder stirb" (alle 1995), "Die verlorene Tochter" mit Richard Chamberlain, Christoph M. Ohrt, Michael Mendl und Suzanne von Borsody (1996), "Schlank bis in den Tod" mit Nina Kronjäger und Thomas Heinze, "Dein Tod ist die gerechte Strafe" mit Jan Josef Liefers, "Zur Zeit zu zweit" (alle 1997) mit Natalia Wörner und Herbert Knaup), "Rache für mein totes Kind" (Susannas erste Hauptrolle an der Seite von Christoph Waltz und Hansa Czypionka), "Ein rettender Engel" (beide 1998), "Bier - Anschlag auf dem Oktoberfest", "Das verflixte Babyjahr - nie wieder Sex?!", "Paul und Clara - Liebe vergeht nie" mit Uwe Bohm und Katharina Böhm), "Vor Sonnenuntergang" (alle 1999), "Der Verleger" mit Heiner Lauterbach, "Mord im Swingerclub", "Victor der Schutzengel"mit Jochen Horst, "Tatort - Die Möwe" (alle 2000), "Große Liebe wider Willen", "Vittorio - Momente des Glücks", "Flitterwochen im Treppenhaus" (alle 2001), "Freundinnen für immer" (2002), "Schöne Lügen" und "Donna Leon - Venezianisches Finale", "Wunschkinder und andere Zufälle" (alle 2003), "Miss Texas", "Polizeiruf 110 - Heimkehr in den Tod" (beide 2005), "Geküsst wird vor Gericht", "Die Krähen" (2006), "Manatu - Nur die Wahrheit rettet Dich", "Max Minsky und ich", "Die Hitzewelle - Keiner kann entkommen" (alle 2007), "Späte Rache - Eine Familie wehrt sich", "Dr. Molly & Karl" (Serie, beide 2008), "Liebe am Fjord - Sommersturm", "Zurück zum Glück", "Wie ein Licht in der Nacht" (alle 2010), "Idiotentest" (2011).