1994 hielt die Demokratie erstmals Einzug in Südafrika. Das Land mußte sein eigenes demokratisches Modell entwickeln, eine Aufgabe, die die neue Regierung zusammen mit der gesamten Bevölkerung meistern möchte. Voraussetzung dafür war die Aussöhnung der von Jahrzehnten der Apartheid zutiefst gespaltenen und gezeichneten Bevölkerungsgruppen im Lande. In Südafrika herrschte 40 Jahre lang die Apartheid, ein auf der Rassentrennung beruhendes politisches System, von dem ausschließlich die weiße Minderheit profitierte. Townships wie Soweto und Mamelodi, am Rand der Großstädte gelegene Siedlungen für Schwarze, wurden zu Orten des erbittertsten Widerstandes des ANC gegen das Apartheidsregime und gleichzeitig zu Stätten der blutigsten Unteückung. 1994 läuteten die ersten demokratischen Wahlen das Ende des Apartheidsregimes ein. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten Mandela war die Bildung der "Wahrheits- und Versöhnungskommission", denn die nationale Aussöhnung setzte die Aufdeckung und Verurteilung der Verbrechen des Apartheidsregimes sowie deren Aufarbeitung und Überwindung voraus. Die Kommission war ein bahnbrechendes Ereignis in der Geschichte Südafrikas.Anläßlich der Wahlen in Südafrika am 2. Juni 1999 strahlt ARTE den Film von André Van In aus, der diesen Prozeß der kollektiven Verarbeitung nachzeichnet. Das Filmteam hat die Arbeit der Kommission und damit die Dramatik des Aussöhnungsprozesses hautnah miterlebt. Denn wie auch das Land selbst sind seine Akteure der Dynamik dieses Veränderungsprozesses unterworfen. Fest steht, daß diese neue Etappe in der zeitgenössischen Geschichte Südafrikas für andere Staaten von zukunftsweisender Bedeutung ist.Die junge südafrikanische Demokratie schlug zur Aufarbeitung der blutigen Spaltungen und Konflikte einen Weg ein, den es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hatte. Diese Wahrheitskommission hat keine unmittelbaren juristischen Kompetenzen. Sie steht in erster Linie für den kollektiven Bewältigungsprozeß, zu dem die gesamte südafrikanische Nation aufgerufen ist. Es ging also darum, das Geschehene in Worte zu fassen und einen Dialog zu beginnen, d.h. einen nationalen "Läuterungsprozeß" zur Aufarbeitung des kollektiven Traumas in Gang zu setzen.Ziel der Kommission war es auch, in Südafrika eine Menschenrechtskultur sowie ein Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat zu schaffen. Im Mittelpunkt des Films stehen sowohl das Kollektiv, verkörpert durch die Kommission - das mit juristischen, ethischen, politischen und philosophischen Fragen befaßte Staatsorgan - als auch die Individuen, d.h. die durch eine gemeinsame Geschichte verbundenen Opfer und Täter. Der Film zeigt sie mit ihren Selbstzweifeln und in ihrem Bemühen, die schmerzhafte Vergangenheit zu überwinden, um über eine mögliche Zukunft nachdenken zu können. Dieser demokratische Prozeß geht nicht reibungslos vonstatten; so hat sich bis heute noch kein Würdenträger des alten Regimes entschuldigt, selbstkritisch geäußert oder das Apartheidsregime moralisch in Frage gestellt.In weniger als drei Jahren hörte die Kommission mehr als 21.000 Zeugenaussagen zu Menschenrechtsverletzungen und nahm 7.125 Amnestieanträge entgegen. Trotz der Zeit- und Mittelknappheit gelang es ihr, sich ein genaues Bild der Apartheid zu verschaffen sowie das ungeahnte Ausmaß der Schäden und Verbrechen zu offenbaren.Der Film DIE WAHRHEITSKOMMISSION wurde bereits mit dem Prix Louis Marcorelles und mit dem Prix des Bibliothèques beim Dokumentarfilmfestival Cinéma du Réel 1999 ausgezeichnet.