Jeanne (Juliette Binoche) reist nach Japan, um eine geheimnisvolle Pflanze zu suchen.
Für "Die Blüte des Einklangs" drehte die japanische Arthouse-Regisseurin Naomi Kawase erstmals mit einem großen Kinostar, der Französin Juliette Binoche.

Die Blüte des Einklangs

KINOSTART: 14.02.2019 • Drama • F / J (2018) • 110 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Vision
Produktionsdatum
2018
Produktionsland
F / J
Laufzeit
110 Minuten

Filmkritik

Die Philosophie und der Wind
Von Claudia Nitsche

Mit einem bekannten Gesicht sollen ihre Filme der breiten Masse zugänglich gemacht werden – so geht es allen Regisseuren, die mit einer ausgeprägten künstlerischen Ader eher im Verborgenen arbeiten. Gelingt das Naomi Kawase mit "Die Blüte des Einklangs"?

Die Japanerin Naomi Kawase hat in "Kirschblüten und rote Bohnen" das Kochen zelebriert, später in "Radiance" den Blick auf das Erblinden gerichtet. Ihre Fans lieben das Poetische in den Bildern der 49-Jährigen. Sie stilisiert und reduziert und erzählt doch eine Geschichte. In "Die Blüte des Einklangs" soll nun Juliette Binoche die Filmemacherin einem größeren Publikum vorstellen. Denn Binoche ist eine der größten europäischen Schauspielerinnen und die poetischste dazu. Also ein Pakt, der funktionieren muss?

Die viel beschäftigte Französin spielt eine Journalistin, die in Japan eine Pflanze sucht, die allen Schmerz nimmt. So genau weiß man nicht, wo und unter welchen Umständen "Vision" blüht. Doch Jeanne hat ein schönes großes Notizbuch mit Skizzen, ähnlich wie es Kriminalkommissare in den Fernsehkrimis benutzen, um Mörder zu fangen. Mit ihrer Assistentin Hana (Minami) reist sie in die Wildnis. In der Einöde, in der die Menschen nur Statisten unter riesigen Bäumen sind, übernachten sie bei Tomo (Masatoshi Nagase), der sich um die Berge kümmert, wie er sagt. Eine mysteriöse blinde Frau (Mari Natsuki) scheint Jeanne zu kennen. Jene Aki ist in jeder ihrer Bewegungen faszinierend. Sie bräuchte gar nicht zu betonen, dass sie 1000 Jahre alt ist.

Regisseurin Kawase, die ihre Drehbücher selbst schreibt, will von Gleichgültigkeit und Zerstörung erzählen, und sie möchte, dass die Kunst Antworten liefert. Anfangs wirkt ihr Film so, als habe sie zunächst diese ungeheuer anmutigen Bilder eines großen Waldes im Kopf gehabt und dann eine Geschichte drumherum gesponnen. Der Wind arbeitet sich durch die Baumkronen, imposante Kamerafahrten blicken aus der Vogelperspektive herab. Viele meditative Aufnahmen, da eine Spinnwebe, dort eine nass glitzernde Pflanze. In einem langen Intro, in dem keiner weiß, was werden wird, muss sich der Zuschauer mit Andeutungen begnügen.

Ungewohnt ist dabei, dass sich Juliette Binoche mit entgeistertem Blick eher eindimensional gibt. Doch das wird sich noch geben. Klar ist: Jene Frau sucht diese Pflanze nicht ohne Grund. Und ihre Geschichte, die immer wieder in kleinen Sequenzen aufflammt, hat viel mit dem Rahmen zu tun, in dem wir uns befinden. Das mag den aufmerksamen Zuschauer bei der Sache halten, denn erst in der zweiten Hälfte, durch das Auftauchen eines jungen Mannes, entsteht auch ein inhaltliches Gerüst. Tomo hat Rin (Takanori Iwata) verletzt im Wald gefunden, und dann ist er einfach geblieben. Andere Wälder, andere Sitten. Jeanne, die vorübergehend in Frankreich war, ist bei ihrer Rückkehr über den Zuwachs nicht glücklich.

Doch all diese Kleinigkeiten sind nicht wichtig: Warum die Ausländerin erst mit niemandem sprechen kann und dann ganz selbstverständlich eine gemeinsame Sprache existiert, ist eine Bagatelle. Vielleicht hat die Regisseurin dafür keine Lösung gefunden, vielleicht ist es auch Absicht. Es schadet jedenfalls nicht dem großen Ganzen, um das es geht. Die pompös inszenierte erotische Beziehung, bedeutungsschwere Gänge durch lange fotogene Tunnel und wilde Tänze in der Natur sind flüchtige Elemente für Kawases Mix aus Philosophie und schönen Bildern, die sie zweifellos einzufangen versteht.

Die Regisseurin hat sich in der zweiten Hälfte dafür entschieden, greifbares Geschehen einzuflechten und das Geheimnis nicht mehr so ganz geheimnisvoll zu behandeln. Da es inzwischen dank der aufkommenden Dynamik auch Spaß macht, den Schauspielern zuzusehen, entpuppt sich ihr sperriges Werk als eigentlich unaufdringliches Angebot, über Leben und Sterben nachzudenken. Wird die gesuchte Pflanze gefunden, oder endet sie als Metapher? Gegenfrage: Würde der Schmerz fehlen, was wäre das Leben dann – und welche Filme würde es geben?


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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