Um es gleich vorweg zu sagen: dieser Tatort ist beste Fernsehunterhaltung wie man sie sich für den Sonntagabend wünscht. Und wüsste man nicht genau, dass man vor dem Fernseher sitzt, es könnte einem eiskalt den Rücken runterlaufen ... Der Fall scheint wie aus dem Leben gegriffen, die Handlung ist spannend und die Hauptkommissare Till Ritter und Felix Stark routiniert gut. Immer wieder wendet sich das Blatt, schlägt der Fall eine neue Richtung ein. Ohne Schnörkel zeigt Regisseur und Drehbuchautor Stephan Wagner ("Der Fall Jakob von Metzler") das winterliche Berlin - kalt, grau, faszinierend. Tatort ist die U-Bahnstation Schönleinstraße in Kreuzberg. Der 38-jährige Mark Haessler wird tot aufgefunden offenbar erschlagen von zwei flüchtigen Jugendlichen, mit denen er zuvor im Zug aneinandergeraten war, weil sie einen gehbehinderten alten Mann belästigt hatten.
Haessler muss wegen einer Lapalie sterben. Fassungslos ist der Zuschauer angesichts der Gewalt der Täter und der Passivität einiger Zeugen, die nicht aussagen und meinen, "was habe ich davon, das bringt nur Ärger". Diese Wirklichkeit ist oft genug Alltag in unseren Städten und schockiert. Erinnert sei nur an den Fall Dominik Brunner, der vor vier Jahren in München von zwei jugendlichen Chaoten ermordet wurde, nur weil er sich ähnlich einmischte wie Mark Haessler im Tatort des RBB. Wie üblich ermitteln Ritter und Stark peinlich genau. Sie behalten Nerven in Situationen, in denen jeder andere ausrasten würde. Das erzeugt Spannung. Doch mit klassischen Ermittlungsmethoden ist der Fall nicht zu lösen. Erst die - umstrittene - Auswertung von Daten aus Mobilfunk- und Überwachungsnetzen ermöglicht die Identifizierung der Täter. So funktioniert Polizeiarbeit heute. Wer ist der Mörder? Der Sohn aus gutem Haus oder doch eher sein mehrfach vorbestrafter Freund? Dieser Tatort bedient keine Klischees und überrascht mit jeder Kammeraeinstellung. Grimmepreisträger Stephan Wagner zeigt die Wirklichkeit - die ist spannender als erwartet. Franz Hünnekens
Foto: RBB/Frédéric Batier