Mit seinem Vater dreht er 1995 die wunderbare Altenheim-Komödie "Matulla & Busch". 1996 entsteht mit Udo Samel in einer dämonisch bezwingenden Rolle der spannende Thriller "Angst hat eine kalte Hand" um eine 50jährige Krankenschwester (Cornelia Froboess), die von einem fanatischen Irren entführt wird, der aber außer einer ehrgeizigen Kriminalbeamtin alias Katja Riemann niemand glaubt. Im gleichen Jahr dreht Geschonneck mit Jürgen Prochnow und Eva Mattes "Der Schrei der Liebe". Um einen doppelten Justizirrtum, dem eine ehrgeizige junge Anwältin alias Natalia Wörner auf der Spur ist, geht es in dem psychologisch genau recherchierten Fernsehkrimi "Der Rosenmörder" von 1997. Zwar ist das Buch von Detlef Michel sehr wagemutig konstruiert, doch die Regie von Geschonneck, sein sicheres Gefühl für Milieus, für Menschen, vor allem aber für seine Schauspieler, kann dieses Defizit ausgleichen.
Weitere Filme von Matti Geschonneck: "Tatort - Berlin - Beste Lage" (1992), "Der gute Merbach" (1994), "Polizeiruf 110 - Der Pferdemörder" (1996), "Reise in die Nacht" (1998), "Comeback für Freddy Baker", "Ganz unten, ganz oben" (beide 1999), "Ein mörderischer Plan", "Jenseits der Liebe" (beide 2000), "Späte Rache" (2001), "Die Mutter", "Liebe Schwester" (beide 2002), "Die Ärztin" (2003), "Mord am Meer", "Die Nachrichten" (beide 2004), "Liebe nach dem Tod", "Silberhochzeit" (beide 2005), "Die Tote vom Deich" (2006), "Duell in der Nacht", "Zeit zu leben", "Todsünde" (alle 2008), "Hinter blinden Fenstern" (2009), "Boxhagener Platz", "Der Verdacht", "Tod in Istanbul" (alle 2010), "Liebesjahre", "" (beide 2011), "Eine Frau verschwindet", "Tod einer Polizistin" (beide 2012).
Foto: ZDF/Rainer Bajo Mit dem alptraumhaften Schicksal von Mutter und Tochter bei einem Urlaub in Zypern "Reise in die Nacht" stellt der Berliner Matti Geschonneck erneut einen aufregenden Fernsehfilm vor. Geschonneck gilt heute als sehr eigenwilliger Fernsehregisseur. Genaue Milieuschilderungen und Personen-Charakterisierungen zeichnen seine Filme aus.
Frage Matti Geschonneck, Sie haben einen berühmten Vater, sind aber einen ganz eigenen Weg gegangen?
Geschonneck Ich habe an der Moskauer Filmhochschule Regie und Schauspiel studiert und dann acht Jahre lang als Regieassistent gearbeitet. Das begann bei Thomas Langhoff, Diethard Klante und schließlich habe ich bei Eberhard Fechner
bei "Ein Kapitel für sich" assistiert. Da habe ich sehr viele praktische Erfahrungen machen können und diese lange Zeit als
Regieassistent nutzt mir heute sehr viel. Dabei wurde es einem vor zehn Jahren nicht sehr leicht gemacht, Regisseur zu
werden.
Frage Arbeiten Sie gern fürs Fernsehen?
Geschonneck Da kann ich ständig meine Fähigkeiten erproben, kann arbeiten, Sachen versuchen, während ich beim Kinofilm ewig auf ein Projekt warten muss, das dazu noch von so vielen, vor allem kommerziellen Voraussetzungen abhängig ist. Und dann gibt es so viele Erwartungshaltungen.
Frage Reizen Sie nicht die Möglichkeiten, mit 35 mm zu arbeiten, mehr Aufwand zur Verfügung zu haben und vor allem auf der Leinwand zu erscheinen?
Geschonneck Natürlich lockt die Arbeit mit 35 mm, natürlich hat man beim Kinofilm mehr Zeit und andere Bedingungen. Das reizt schon und ich werde sicher eines Tages meinen ersten Kinofilm drehen. Aber dazu gehört ein gutes Buch und noch einmal ein gutes Buch. Andererseits bin ich nicht einer, der wild ist auf ein Kinoplakat.
Frage Ihre Filme sind stilistisch sehr konsequent, Sie arbeiten mit sehr guten Schauspielern. Wie kommen Sie an die Arbeitsbedingungen, ist es nicht schwer, so kompromisslos arbeiten zu können?
Geschonneck Nun, als mir das ZDF dieses Projekt anbot, war das für mich nicht gleich von vornherein klar, dass ich
das mache, weil die Vorlage wirklich alles offen ließ und ich mir dachte: um Gotteswillen, wo begeben wir uns da hin, in welche Gefahr, denn das hätte durchaus auch eine billige Schwarzweißzeichnung der Problematik werden können. Dann haben wir uns sehr bemüht, die Gefahren zu vermeiden.
Frage Hier liegt einer der seltenen Fälle vor, wo man es als Vorteil empfindet, dass sie die türkischen Schauspieler deutsche Texte sprechen lassen.
Geschonneck Das war eine Entscheidung, wichtiger als die Authentizität der Sprache ist die die emotionale Wirkung
der Figuren, die Dramatik von der man nicht ablenken soll. Uns war die emotionale Beziehung der Menschen wichtiger als
das Dokumentarische.
Frage Ihre Themen sind immer quasi auf Messers Schneide. Kostet es große Anstrengung, so etwas auch kompromisslos erarbeiten zu können?
Geschonneck Sowohl beim ZDF als auch beim WDR hatte ich bislang das Glück an Redakteure zu geraden, die meine Sprache sprechen. Sicher ist bei solchen ambivalenten Themen jeder Film ein Risiko, die Gefahr, abzurutschen besteht.
Frage Ist es schwer, solche Besetzungen zu bekommen, wie Jürgen Prochnow bei "Der Schrei der Liebe" oder Katja Riemann bei "Angst hat eine kalte Hand"?
Geschonneck Das sind natürlich Glücksfälle. Ich erinnere mich ausgesprochen gerne zurück an die Arbeit mit Katja Riemann, der Cornelia Froboess und dem Udo Samel. Das war wirklich eine produktive Harmonie. Ich sage das vor allem deshalb, weil Katja Riemann immer als so schwierig gilt. Nichts davon, die ist ein Profi, einfühlsam und es war eine sehr schöne Arbeit. Und das gilt auch für "Reise in die Nacht", für die Arbeit mit den beiden Frauen, Ulrike Kriener und Julia Brendler und überhaupt dem ganzen Ensemble. Es ist natürlich auch eine Frage der Motivation: wie gehe ich an die Schauspieler heran, worauf lege ich Wert. Ich muss sagen, ich habe da immer wieder Glück. Gerade im Sommer habe ich einen "Polizeiruf 110 - Mörderkind" mit Jutta Hoffmann als Kommissarin gedreht und einen Film für den Bayerischen Rundfunk mit Mario Adorf und Felix Eitner "Comeback für Freddy Baker", eine melancholische Komödie. Natürlich macht das Spaß mit solchen Schauspielern zu arbeiten, doch das heißt nicht, dass man nur die Lichtgestalten besetzt, denn wir haben ja überhaupt
großartige Schauspieler.
Frage Wie gehen Sie vor, treten Sie an Sender mit Ideen heran oder lassen Sie sich Projekte vorschlagen?
Geschonneck Ich will mich nicht festlegen auf ein Genre, arbeite nicht auf ein bestimmtes Thema hin, was ich
erzählen möchte. Ich will mir das offen halten.
Mit Matti Geschonneck sprach Heiko R. Blum.
Foto: ZDF/Rainer Bajo