Eigentlich ist Jacek (Mateusz Kosciukiewicz) nach dem Unfall, bei dem sein Gesicht entstellt wird, noch derselbe. Doch außer seiner Schwester hält niemand mehr zu ihm.
Malgorzata Szumowska erzählt in ihrer bitterbösen Dramödie "Die Maske" vom gesellschaftlichen Zerfall im heutigen Polen, der aber exemplarisch für den Werteverfall in jeder modernen Gesellschaft steht.

Die Maske

KINOSTART: 14.03.2019 • Drama • PL (2018) • 91 MINUTEN
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Originaltitel
Twarz
Produktionsdatum
2018
Produktionsland
PL
Laufzeit
91 Minuten

Filmkritik

Das fremde Antlitz
Von Gabriele Summen

Malgorzata Szumowska erzählt in ihrer bildstarken Parabel "Die Maske" mit bitterbösem Humor vom modernen Polen und wirft allgemeingültige Fragen über den Zerfall jeder heutigen Gesellschaft auf.

Polen, 2010: In der Kleinstadt Swiebodzin wird eine 36 Meter hohe Jesusstatue errichtet – noch größer als die am Zuckerhut. Polen, drei Jahre später: Erstmals in Europa gelingt es einem Ärzteteam, einem Mann das Gesicht eines Toten zu transplantieren. Diese beiden Ereignisse inspirierten Malgorzata Szumowska, die neben Agnieszka Holland international wohl bekannteste polnische Regisseurin, zu ihrer schwarzen Dramödie "Die Maske". Die filmische Farce aus der polnischen Provinz lief bereits im vorigen Jahr im Wettbewerb der Berlinale und gewann dort den Großen Preis der Jury.

Geschickt nutzt Szumowska, die schon im Jahre 2015 mit dem ungewöhnlichen Film "Body" einen Silbernen Bären gewann, die moderne Frankensteingeschichte, um in der ihr eigenen burlesk-grotesken Art mit den Missständen im heutigen Polen abzurechnen. Atem- und gnadenlos, wie in einem Metal-Song von Metallica, deren Musik den Film durchzieht, bekommen Bigotterie und religiöser Fanatismus, aber auch Fremdenfeindlichkeit, Konsumgeilheit und ein marodes Gesundheitssystem gnadenlos ihr Fett weg.

"Die Maske" beginnt rasant – und ziemlich bizarr: Da sieht man konsumentschlossene Polen in Unterwäsche einen Schnäppchenmarkt für Nackedeis stürmen und sich gegenseitig rücksichtslos die kostengünstigen Flachbildfernseher aus den Händen reißen. Auch der langhaarige Metal-Freak Jacek (Mateusz Kosciukiewicz) kann eines der begehrten Geräte ergattern. Danach heizt er mit seinem Kumpel zu den Klängen von Metallicas "Hardwired" in seinem kleinen roten Auto durch die verstörend schöne polnische Landschaft zurück nach Hause in sein Dorf.

Die Augen des Zuschauers müssen sich erst an die Bilder von Szumowskas Stammkameramann Michal Englert gewöhnen, der gemeinsam mit ihr auch wieder das Drehbuch schrieb. Die Provinzposse ist fast durchgängig so gefilmt, dass das Zentrum der Bilder scharf ist, während die Peripherie stets verschwimmt. Dadurch bekommt die Szenerie etwas idyllisch Modellhaftes, rückt die teilweise grotesken Figuren ins Zentrum und lässt den Zuschauer an seiner Wahrnehmung zweifeln. Doch die Personen und Ereignisse fußen tatsächlich auf der polnischen Realität.

Der Fernseher, den Jacek ergattert hat, prangt bald im Wohnzimmer seiner Großfamilie, die alle unter einem Dach leben. Jacek ist Mamas Liebling, lacht freundlich über die rassistisch-besoffenen Witze seines Schwagers, versteht sich blendend mit seiner Schwester (Agnieszka Podsiadlik), die ihn in seinem Vorhaben unterstützt, bald nach London zu gehen. Außerdem hat Jacek eine scharfe Freundin, Dagmara (Malgorzata Gorol), die ihm an Lebenshunger in nichts nachsteht und schon bald seine Verlobte wird.

Doch eines Tages stürzt Jacek beim ehrenamtlichen Bau an einer riesigen Jesusstatue in seiner Gemeinde vom Gerüst. Er verliert sein Gesicht – merkwürdigerweise trägt er keine anderen körperlichen Verletzungen davon -, bekommt aber ein neues transplantiert. Nach der Operation sieht Jacek aus, als hätte Dr. Frankenstein sich daran versucht, eine Art Monster-Elvis zu erschaffen. Auch das Sprechen fällt ihm schwer.

Zunächst avanciert Jacek, der im Herzen derselbe geblieben ist, zum Star der sensationsgeilen Medien. Doch das polnische Gesundheitssystem will für seine Immunsuppressiva nicht weiter aufkommen. Anfangs spendet die Gemeinde noch, doch auch die christliche Moral versiegt schnell. Jaceks Freundin will nichts mehr von ihm wissen, und seine eigene Mutter drängt den bigotten Pfarrer darauf, einen Exorzisten aufzutreiben, da ihr verunstalteter Sohn ihr unheimlich geworden ist.

"Die Maske" wirft unbequeme Fragen auf: Wie viel Wert legt man selbst auf Äußerlichkeiten? Würden die Medien hierzulande respektvoller mit dem armen Jacek umgehen, der am Ende noch entwürdigende Werbung für eine Gesichtscreme machen muss, um die Kosten für seine Behandlung weiter zu decken? Und: Wie ist es eigentlich in unserer Gesellschaft um Moral, Solidarität und Empathie bestellt?


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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