Reife Frau baut mit Foto und Video einer Mittzwanzigerin heiße und innige Chat-Beziehung zu jungem Fotografen auf. Was als trickreicher Flirt beginnt, steigert sich zur Dramödie um Lust und Altersfrust, Leidenschaft und Betrug, Fakt und Fiktion. Juliette Binoche fasziniert mit unergründlicher Liebe.
Nein, wiederholt Claire (Juliette Binoche) so standhaft wie möglich, sie könne Alex (Francois Civil) nicht treffen, sie müsse auf ihre kleine Nichte aufpassen. Alex kann das nur schwer akzeptieren. Für Claire, eine 50-jährige Literaturprofessorin, ist es in der Dramödie "So wie du mich willst" immer öfter eine schwere Bürde, Clara zu sein, eine 24-jährige Blondine mit wissendem Blick um ihre Attraktivität. Claire hat sie als Pseudoidentität ins Netz gestellt, und Alex hat sich in sie verliebt. Sich dem jungen Fotografen so zu zeigen, wie sie ist, mit ihrer welken Haut – das ist für Claire ausgeschlossen. Sie liebt ihn inzwischen.
So chattet Claire nur mit ihm – oder telefoniert, wie jetzt im Auto. Runde um Runde dreht sie auf dem Parkplatz. Ihre beiden heranwachsenden Söhne beobachten sie verdutzt, fragen sich, warum ihre Mutter nicht anhält und sie einsteigen lässt. Safy Nebbous ("Der Hals der Giraffe") Verfilmung eines Romans von Camille Laurens fällt komischer aus als die Vorlage, umarmt aber vor allem die Melancholie, den Schmerz und das Nichtgesagte. Mit all dem kann Juliette Binoche hervorragend umgehen und verleiht einer Art virtuellen Liebesgeschichte Tiefe – was ein Drehbuch allein nicht kann.
Wie durch ein Prisma
Dabei ist das Szenario von Nebbou und Co-Autorin Julie Peyr denkbar vielschichtig. Durch die verschiedenen Erzählebenen erscheinen die Begebenheiten wie durch ein lichtbrechendes Prisma. Den äußeren Rahmen bildet Claires Therapie bei der Psychoanalytikerin Dr. Catherine Bormans (Nicole Garcia), die keineswegs sicher ist, dass ihre Patientin immer die Wahrheit sagt. Besonders was das Bildmaterial ihres Alter Egos angeht. Es stimmt wohl, dass die geschiedene Claire zunächst durch den Kontakt mit Alex ihren unzuverlässigen Freund ausspionieren will, bei dem Alex wohnt.
Und mindestens ebenso stark wie das Interesse an Alex nimmt für Claire der Spaß an sozialen Medien zu: ganz genau wie eine junge, begehrenswerte Frau sprechen und schreiben, die richtigen Themen finden, Anreize bieten. Aber die Sache wird gefährlich, als ein Zusammentreffen mit Alex unausweichlich wird. Gefährlich vor allem für sie, glaubt Claire. Zu ihrem Entsetzen muss sie aber erfahren, dass sie mit ihren frei erfundenen Geschichten Alex in einen Gemütszustand versetzt hat, der ein erhebliches Risiko für ihn darstellt.
Als "So wie du mich willst" wegen der Problemlage eigentlich nicht mehr weitergehen kann, tritt der Film die Flucht nach vorn in die literarische Fantasie an. Das ist lange vorbereitet. Claire hält Vorlesungen über "Gefährliche Liebschaften" von Laclos, ein intriganter Briefroman, so die augenzwinkernde Anspielung, von dessen Tradition sich noch das Chat-Maskenspiel im Internet herleitet. Claire gibt vor, nun ihre Geschichte aufzuschreiben, und eröffnet doch vor allem neue Möglichkeiten, wie diese sich entwickeln könnte.
Das hat seinen Reiz, wirkt aber für den Grundton von "So wie du mich willst" auf konventionelle Art zu verspielt, zu sehr an selbstverständlicher Hochkultur orientiert. Entschieden ergreifender ist es, Juliette Binoche zu folgen, wie sie Claires Verlangen nach sexueller Erfüllung und menschlicher Nähe sowie ihre Angst vorm Alter ständig anreichert. Dafür durchquert sie mit ihr alle Stimmungen von Realität und Virtualität. Von der Erregung des Likens über den verlorenen Blick auf der Straße, wenn ihr Geliebter sie nicht erkennt, bis hin zu ihrem rigorosen Griff zum Smartphone, um eine neue Spielrunde mit gefährlichen Geschichten einzuläuten.
Quelle: teleschau – der Mediendienst