Die Verfilmung des Romans von Nils Mohl, "Es war einmal Indianerland", ist ein Stakkato-Bildfeuerwerk für hippe, junge Menschen. Optisch ansprechend, inhaltlich allerdings mit Lücken.
"Alles ist bunt, laut und blinkt. Stadt voller Affen ist voll und stinkt. Wir feiern ohne Grund, komm rauch und trink", sang Peter Fox 2008 in seinem Song "Stadtaffe", und diese Zeilen könnten als erstes Fazit für "Es war einmal Indianerland" durchgehen. Die Verfilmung des Romans von Nils Mohl ist ganz schön grell und hip in Bild und Ton. Das ist im Grunde ja stimmig, wenn man als junger Regisseur die Geschichte eines 17-Jährigen erzählt.
Ilker Catak, erfolgreicher Kurzfilmer mit türkischen Wurzeln und Geburtsort Berlin, wollte die Geschichte mutig angehen. "Ein wilder Film, der sowohl auf einer unterhaltenden, als auch einer philosophischen Ebene funktionieren würde", war sein Ziel. Die größenwahnsinnigen Bilder gab es schon im Buch. Und vielleicht hat sich der Bewunderer von Fatih Akin etwas zu viel Gedanken über die optische Umsetzung gemacht.
Pool-Party, Drogen, angesagte Freunde
Der Sommer vor dem Erwachsenwerden beschert Mauser (Leonard Scheicher) in der abgewirtschafteten Hochhaussiedlung, in der auch sein Vater (Clemens Schick) mit seiner zweiten Frau wohnt, eine Reihe neuer Leute. Da wäre Jackie (Emilia Schüle), das reiche Biest aus dem Villenviertel der Stadt. Er kennt sie 25 Minuten und betet sie an. Jackie ist Pool-Party, Drogen, angesagte Freunde und – tolle Figur. Sie ist eitel und hat eine große Klappe. Wer ohne Rausch ist, hat für sie einen Defekt.
Ein großes Mundwerk hat auch die 21-jährige Edda (Johanna Polley), die in einem Laden arbeitet, der Pakete annimmt. Edda wohnt in der Laubensiedlung und hat offenbar ein Faible für Wildschweine. Sie ist – natürlich – nicht blond, trägt eine Brille, bei der man die Umschreibung Nasenfahrrad versteht, und pflegt einen Kleidungsstil irgendwo zwischen individuell und seltsam.
Die einzige Gemeinsamkeit der Mädchen ist ihre Bekanntschaft mit Mauser, dem vielversprechenden Nachwuchsboxer aus der Hochhaussiedlung. Mauser ist sportlich, trainiert diszipliniert, raucht und trinkt nicht. Eigentlich. Doch die nächsten zwei Wochen laufen ein bisschen anders. Dieser Junge mit Wollmütze ist unglaublich gut erzogen, auch wenn das nicht das Werk seines Vaters sein kann. Er ist bildhübsch, smart und sympathisch. Arm, aber sexy eben.
Jackie, das Mädchen im Bikini, dem alles egal zu sein scheint, verdreht ihm den Kopf. Er ritzt sich bei erster Gelegenheit ihre Telefonnummer in die Hand. Denkt man an dieser Stelle vielleicht schon "What the fuck?", braucht es zu Beginn des Films durchaus öfter Geduld. Die nächtliche Feier im Schwimmbad bietet dem "Helden" (Zitat Jackie) Gelegenheit, ihren Retter zu spielen, als die Polizei kommt. Im Zeitraffer geht es vor und zurück, die Zuschauer tauchen ein, tauchen wieder auf, werden vom blubberndem bis zuckendem Sound umspült und in aufgeregtes rotes und blaues Licht getaucht.
Einen Tick zu verspielt
Schön, wenn es endlich Morgen wird und sich auch die Kamera wieder beruhigt. Mausers Monologe führen weiter durch den Film, seine Gedanken kreisen um die neue Flamme, Edda schreibt ihm eine Postkarte, schließlich kennt sie seine Adresse, und dann ist da noch ein Indianer (Robert Alan Packard), der öfter durchs Bild läuft und nicht mit großen Gesten spart. Auch mit Märchenmotiven wie dem verlorenen Schuh spielt die Coming-Of-Age-Story.
Spielen ist ein gutes Stichwort. Denn die Umsetzung gerät einen Tick zu verspielt, berücksichtigt man, dass es ganz nebenbei einen Mord gibt. Ein Thema, das eher nicht so leger verarbeitet werden sollte, wie man es hier sieht. Auch bei den unteren Zehntausend hinterlässt so eine Tote in der Wohnung Eindruck. Während Kumpel Kondor (Joel Basman) und die beiden Mädchen nicht über Abziehbilder hinauskommen, sammelt Scheicher über weite Strecken die Sympathien des Zuschauers.
Catak gewann sowohl schon den Max-Ophüls-Preis als auch mit seinem ernsten und durchaus türkeikritischen Kurzfilm "Sadakat" den Studenten-Oscar. Bei seinem Langfilmdebüt hatte er viel vor, und obwohl der Buchautor Nils Mohl mit am Drehbuch schrieb, gelang hier nur eine wenig interessante Umsetzung des preisgekrönten Werks, das nur ein junges Publikum anvisiert.
Quelle: teleschau – der Mediendienst